Wie fühlt es sich an, dass demnächst 27 Jahre Amtszeit als Engener Bürgermeister zu Ende gehen?
Inzwischen habe ich mich mit der Entscheidung angefreundet. Es ist mir lange Zeit schwergefallen. Und zwar einfach, weil ich das, was ich gerne mache, künftig dann nicht mehr machen darf. Jetzt ist die Entscheidung getroffen, jetzt schaue nach vorn und freue mich auf meine Pensionierung. Ich denke, ich habe auch einen sehr guten Nachfolger bekommen. Ich kann das Amt bei Frank Harsch in gute Hände geben.
Wie sah das denn damals aus, als Sie sich zum ersten Mal in Engen beworben haben?
Ich hatte 1996 zehn Gegenkandidaten und davon waren acht grundsätzlich wählbar. Zwei Bewerber waren Dauerkandidaten, die mit den meisten Bewerbungen ins Guiness-Buch der Rekorde kommen wollten. Bei mir gab es damals auch zwei Wahlgänge. Ich hatte im ersten Wahlgang nur etwas mehr als 40 Prozent, war aber vorne. Und dann hat es mir im zweiten Wahlgang zu deutlich über 50 Prozent gereicht. Damit war ich gewählt und die Freude war groß.
Hätten Sie sich bei Ihrer ersten Wahl träumen lassen, dass Sie so lange im Amt sein würden?
Das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler bekommt man mit der Wahl geschenkt. Und bei aller guter Arbeit, die man macht, kann es selbst Kleinigkeiten geben, durch die das Vertrauen gestört wird. Man kann sich das nur erhoffen und wünschen, aber erträumen kann man sich das nicht. Es ist aber gut gegangen und das freut mich. Man bekommt die Unterstützung der Wähler nur, wenn man das Amt mit großer Leidenschaft ausfüllt.
Was würden Sie im Rückblick als Ihre wichtigste Entscheidung für die Stadt Engen einschätzen?
Das ist das Gymnasium, das hat die Stadt Engen sehr weit vorangebracht. Darum hat die Stadt Jahre lang gekämpft. Das ist nicht meine alleinige Tat gewesen, sondern ein gemeinsames Projekt mit dem Gemeinderat, der Verwaltung und dem Elternverein „Initiative Bildungsstandort“. Mit dem Gymnasium haben wir die Bildungslandschaft hier deutlich verbessert und Engen ist zum Bildungsstandort im oberen Hegau geworden. Vorher mussten die Kinder sehr lange Schulwege zum Gymnasium in Kauf nehmen. Mit dem Gymnasium in Engen ist schließlich auch der Übergang von Grundschulkindern aufs Gymnasium deutlich höher geworden.
Vorgesehen war ein Gymnasium für eine Stadt in der Größe Engens aber eigentlich nicht, oder?
Von Seiten der Ministerialverwaltung war es nicht vorgesehen, aber der Bedarf war da und letztlich war das auch eine geschickte politische Arbeit. Man musste entsprechende Befürworter dafür gewinnen und das richtig angehen und am Ende brauchte man auch Glück. Sicherlich hat die damalige Kultusministerin in Baden-Württemberg, Annette Schavan, auch einen großen Anteil daran.

An welcher Stelle würden Sie sagen, dass Sie daneben lagen beziehungsweise einen Misserfolg hinnehmen mussten?
Ich kann mich an keinen bedeutenden Misserfolg erinnern. Ich habe ein starkes Mitarbeiter-Team, das die Dinge gut durchleuchtet und auch vor falschen Entscheidungen bewahrt. Außerdem haben wir einen konstruktiv kritischen Gemeinderat, der auch immer alles durchgeht und schaut, ob wir uns in die richtige Richtung entwickeln. Das schützt vor Misserfolgen.
Außerdem braucht es viel Geduld, denn manchmal muss man extrem dicke Bretter bohren, bis sich der Erfolg einstellt. Es war mir auch immer wichtig, den Kontakt zu den Bürgern sehr eng zu halten, um die Stimmungslage mitzubekommen. Es geht schließlich darum, die Stadt und das Wohl der Bürger voranzubringen. Es gab natürlich auch harte Entscheidungen zu treffen, das gehört leider dazu.
Welche waren das zum Beispiel?
Zum Beispiel das Großthema Flüchtlingsunterbringung. Ich baue nicht gerne eine Flüchtlingsunterkunft in Anselfingen. Das ist aber im Moment die einzige Möglichkeit und der einzige Platz, den wir haben und schnell umsetzen konnten. Ich weiß, dass die Sorgen der Leute vor Ort groß sind, obwohl wir in Engen bislang keine negativen Erfahrungen mit Flüchtlingsunterkünften gemacht haben. Aber die Kritik auszuhalten gehört zum Beruf dazu.
Was würden Sie als größte persönliche Herausforderung sehen, der Sie sich in Ihrer Zeit als Bürgermeister stellen mussten?
Ich würde sagen die Corona-Pandemie. Weil wir da eine große Sorge um unsere Bürger und den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, Feuerwehr und so weiter hatten. Die Frage war auch, wie schafft man es, dass möglichst wenig Menschen durch die Pandemie leiden müssen? Zum Beispiel im Bereich der Kinderbetreuung und Schulen, wo sich die Mitarbeiter einem sehr hohen Infektionsrisiko ausgesetzt haben mit allen Folgen, die man damals befürchten musste. Gott sei Dank sind wir gut durch diese Pandemie gekommen, aber das war eine riesige Herausforderung und sehr belastend. Große Unglücke hatten wir zu meiner Zeit nicht. Da bin ich sehr dankbar.
Bürgermeister ist kein Job, den man abends einfach ablegt. Das wirkt sich natürlich auch auf das Privatleben aus. Wie haben Sie das erlebt? Und ist der Preis für das Amt inzwischen zu hoch geworden?
Das ist kein Job, sondern eine Berufung und auch eine Leidenschaft. Du bist 24 Stunden an 365 Tagen im Dienst. Das geht auf Kosten des Privatlebens. Das ist kein Geheimnis. Es ist aber auch nicht so, dass man nur verzichtet. Man bekommt auch Vieles von den Bürgern zurück. Man muss einen Spagat finden zwischen Beruf und Familie. Ich gehe davon aus, dass ich das geschafft habe. Ob der Preis zu hoch ist, muss jeder für sich selbst beantworten. Für mich war er akzeptabel, auch, weil das Amt des Bürgermeisters einer der schönsten Berufe überhaupt ist.
Sie waren in Ihrer Amtszeit nicht nur Bürgermeister, sondern auch über Jahre Kreisvorsitzender des Gemeindetags. Wird es Ihnen fehlen, so vernetzt zu sein und aktiv Einfluss nehmen zu können?
Nein, eigentlich nicht. Das Amt wird einem geschenkt und wenn man das abgibt, weiß man auch, dass das Thema vorbei ist. Dann freut man sich auf einen neuen Lebensabschnitt. Es werden sich die Nachfolger vernetzen. Meine Aufgabe ist nun, mein künftiges Leben zusammen mit meiner Frau und der Familie zu gestalten.
Zuletzt haben sie mit einem deutlichen Appell klar gemacht, dass die Kommunen die Unterbringung von Geflüchteten nicht mehr bewältigen können. Wie beurteilen Sie die Ergebnisse des aktuellen Flüchtlingsgipfels und wie würde eine gute Lösung in Ihren Augen aussehen?
Grundsätzlich geht der Beschluss beim Bund-Länder-Gipfel in die richtige Richtung. Aber wir kennen noch keine Details. Wir müssen mal schauen, was von den geplanten 7500 Euro pro Flüchtling tatsächlich bei uns in den Kommunen ankommt. Ob überhaupt alles ankommt und ob das ausreichend sein wird, muss man sehen. Ich fürchte aber, dass die notwendige Begrenzung illegaler Migration durch diese Beschlüsse nicht erreicht wird. So werden wir auch weiterhin das Problem der Unterbringung und Integration nicht in den Griff bekommen.
Zum 100. Geburtstag von Loriot flimmerte dieser Tage der Komödien-Klassiker „Pappa ante portas“ über die Bildschirme, in der der frisch pensionierte Heinrich Lohse das eigene Leben und das seiner Familie auf den Kopf stellt. Was machen Sie mit Ihrer neu gewonnenen Freizeit?
Meine Frau und ich freuen uns auf die gemeinsame freie Zeit. Ich habe viele Hobbies und viele Interessen, die ich immer vernachlässigen musste. Ich freue mich darauf, mehr Zeit für meine Kinder und Freunde zu haben. Ich sollte im Haus und den Garten Einiges umsetzen. Aber eins werde ich nicht machen, mit Hinweis auf den Heinrich Lohse: Ich werde keinen Blockflötenunterricht nehmen. Ich bin eher sportlich unterwegs und will reisen.