Die Probleme der Weltwirtschaft konzentrieren sich aktuell in einer Sprudelflasche der Randegger Ottilien-Quelle oder einer Saftflasche von Auer oder Weinmann. Die regionalen Produzenten haben nämlich mit den Auswirkungen des Ukrainekriegs, steigender Energiekosten und gestörter Lieferketten zu kämpfen: Dem einen fehlen die Glasflaschen, dem anderen die Kisten für den Transport. Und der nächste blickt sorgenvoll auf Kohlensäure und Zucker.
Problem 1: Zu wenige Flaschen
Für Familie Bohnenstengel, welche die Hegauer Süßmostkelterei Wilhelm Auer in Mühlhausen-Ehingen betreibt, wird es immer schwerer, Glasflaschen zu besorgen: „Wir haben teilweise Wartezeiten von eineinhalb Jahren“, sagt Carola Bohnenstengel. Denn um die Glashütten anzufeuern, brauche es viel Gas. Lieferschwierigkeiten hätten sich schon 2021 angekündigt, da hätten sie sechs Monate auf eine Flasche warten müssen.

Deshalb hat Michael Weinmann im vergangenen Jahr lieber mehr Flaschen bestellt: 60.000 Stück sind auf dem Hof in Steißlingen gestapelt. Dort produziert er nicht nur in dritter Generation Fruchtsäfte, sondern hat auch einen kleinen Getränkeladen.
Doch die vielen Flaschen werden schnell gefüllt sein: „Wenn ich im Herbst eine Woche Apfelsaft abfülle, ist alles weg. Und was mache ich dann?“ Leergut-Mangel sei das schlimmste: „Du hast das Produkt und den Kunden, aber bekommst das Produkt nicht transportiert“, sagt Weinmann.
Dabei ist im Sommer das Hauptgeschäft, wenn heiße Temperaturen und zahlreiche Feste den Durst der Menschen ankurbeln. „Die Leute trinken im Sommer tatsächlich mehr“, sagt Carola Bohnenstengel. Außerdem kündigt sich die Apfelernte bereits an – und damit die Haupt-Produktionszeit.
Manche Flaschen haben einen weiten Weg hinter sich, wie Clemens Fleischmann von der Randegger Ottilien-Quelle erklärt: Noch im September habe er eine Lieferung aus der Ukraine erhalten, dieses Glaswerk sei inzwischen vom Krieg getroffen.
Die Genossenschaft Deutscher Brunnen habe glücklicherweise einen großen Pool an Produzenten und auch Flaschen, sagt Fleischmann: „Bei uns funktioniert das noch, die holen das Glas aber aus ganz Europa.“
Noch schwerer wird es bei besonderen Formaten
Schwierig werde es dann, wenn Hersteller auf besondere Formate setzen, wie Weinmann und Fleischmann beschreiben. „Mit Vielfalt haben manche sich das eigene Grab geschaufelt“, sagt der Chef der Ottilien-Quelle. Denn während er bei den meisten seiner Wasser- oder Limonaden-Varianten auf Einheits-Leergut mit 0,5 oder 0,7 Litern Fassungsvermögen setzt, bevorzugen manche Hersteller eigenwillige Formen.

Michael Weinmann bemerkt in seinem Getränkehandel inzwischen öfter lange Vorlaufzeiten: Manche Getränke müsse er 50 Tage im Voraus bestellen, andere seien gar nicht zu bekommen. Denn einige Produzenten hätten inzwischen ihr Angebot eingeschränkt.
„Coca Cola in der 0,33-Liter-Glasflasche war 14 Tagen lang nicht lieferbar“, nennt Weinmann ein Beispiel, wo sich solches Marketing jetzt räche. Denn die eigenen Formen müssen eigens produziert werden und das sei aktuell schwierig.
Eine Lösung: Weniger aussortieren
Damit die Getränke-Hersteller auch künftig genug Flaschen zum Füllen haben, sortieren sie weniger aus, wie Michael Weinmann erklärt. Zuletzt hätten sie zwischen 2,5 und 3 Prozent der Flaschen aussortiert, erklärt Weinmann, doch diese Quote würden sie nun reduzieren. So würden zum Beispiel Flaschen mit Abriebspuren an den Seiten nun länger im Umlauf bleiben.

Bei der Ottilien-Quelle ist das Vorgehen ähnlich: „Weil der Pool an Flaschen knapp und teuer ist, sortieren wir weniger streng aus. Den Luxus, optisch nicht ansprechende Flaschen auszusortieren, haben wir eingestellt. Denn wir versuchen, nicht mehr so viel Neuglas zu bestellen.“ Das macht viel aus, wie ein Blick auf die Dimensionen in Randegg zeigt: Dort werden täglich 230.000 Flaschen befüllt – und 2600 Flaschen ersetzt, wie Clemens Fleischmann berichtet.
Problem 2: Zu wenige Kisten
Michael Weinmann hat dank einer Großbestellung zwar genügend Flaschen für seinen Saft, aber zu wenige Kisten. „Die sind erst im Sommer nächstes Jahr lieferbar.“ Eigentlich sollte er alte Kisten aussortieren, damit verstärkt neue Kisten mit komfortablem Tragegriff in den Handel kommen. „Das mache ich jetzt einfach nicht, sonst habe ich ja noch weniger Kisten.“ Warum derzeit so wenige Kisten im Umlauf sind, könne er nicht sagen.

Problem 3: Warten auf sortiertes Leergut
Während regionale Produzenten mit Sorgen auf ihre Leergut-Bestände schauen, türmen sie sich an anderer Stelle auf, wie Michael Neumann beobachtet hat: „Das große Problem im Mehrwegsystem sind die Berge, die bei großen Sortierzentren auf dem Hof stehen“, sagt er. Das sei dann der Fall, wenn die Flaschen im Handel nicht direkt sortenrein in Kisten gepackt werden. Das nachträglich zu erledigen, koste viel Zeit und Nerven – die offenbar aktuell fehlen würden.
In Randegg ist dieses Problem gering, wie Clemens Fleischmann berichtet: „Wir bekommen das Leergut ziemlich sortenrein zurück.“ Falls es doch mal Fehleinwürfe gebe und er die Flasche eines Kollegen in seinem Kasten finde, tausche man das einfach untereinander.
Problem 4: Auch Kohlensäure und Zucker werden rares Gut
Doch auch andere Zutaten, die in die Flasche kommen sollen, bereiten Sorgen: Der Preis für Kohlensäure habe sich zuletzt fast verdoppelt, sagt Clemens Fleischmann. Außerdem gebe es auch da Lieferprobleme, denn Kohlensäure sei ein Nebenprodukt der Düngemittel-Produktion des Chemie-Giganten BASF – und der plane eine zwei Monate lange Werksrevision.
Noch schlimmer sei die Situation beim Zucker. Dort seien die Preise ebenfalls deutlich gestiegen und man müsse sich inzwischen frühzeitig um Lieferverträge kümmern. „Man muss jetzt einen Vertrag abschließen, um nächstes Jahr noch Zucker zu bekommen. Bislang hat es gereicht, wenn ich mich zum Ende eines Jahres darum gekümmert habe“, sagt Fleischmann.
Problem 5: Gestiegene Kosten
„Man kommt bei all den Preiserhöhungen momentan kaum noch mit“, sagt der Geschäftsführer der Randegger Ottilien-Quelle zusammenfassend. Früher habe sich alle zwei Jahre etwas geändert, jetzt sei es alle zwei Monate. In den vergangenen vier Jahren verzeichne er eine Teuerung von 40 Prozent.
Dadurch seien beispielsweise die Pfandbeiträge schon lange nicht mehr kostendeckend: „Was wir für eine Glasflasche zahlen, entspricht nicht dem Einkaufspreis für eine neue Flasche“, sagt Carola Bohnenstengel von der Hegauer Süßmostkelterei Wilhelm Auer.
Getränke-Hersteller machen also bei jeder Glasflasche und jeder Kiste ein Minus. Michael Weinmann nennt Zahlen: Zwischen 0,35 und 0,40 Euro koste ihn eine Glasflasche, dazu kommen mindestens fünf Euro pro Kiste. Macht pro gefüllte Kiste einen Wert von mindestens sieben Euro – aber nur 2,40 Euro Pfand.
Clemens Fleischmann macht eine ähnliche Rechnung auf – auch wenn ihn Kisten nur zwei Euro kosten, weil sie alte Kisten nach 15 bis 25 Einsatzjahren selbst schreddern und als Material für neue nutzen können.
Dennoch will der Geschäftsführer die insgesamt höheren Kosten nicht sofort weitergeben: „Wir wollen erstmal Ruhe bewahren“, sagt Clemens Fleischmann. Der Erdöl-Preis sei beispielsweise schon wieder gesunken. Wenigstens um die Energiekosten müsse er sich ohnehin wenig Gedanken machen: Geheizt werde schon seit 16 Jahren mit Holz. Seine Energiekosten seien daher nur um zwei Prozent gestiegen.