Graue Jeans, graues Jackett, gepflegte graue Haare – der Zeuge tritt äußerst akkurat auf. Es ist der Hauptsachbearbeiter bei der Kriminalpolizei Rottweil und die zentrale Person am vierten Verhandlungstag im Kokainprozess vor dem Konstanzer Landgericht. Im Zeugenstand berichtet er mehrere Stunden lang darüber, wie die Ermittler den sechs mutmaßlichen Drogenhändlern auf die Spur kamen.

Der Polizei war kurz vor Weihnachten 2021 einer der größten Drogenfunde in Baden-Württemberg gelungen. Doch bevor damals in einer Industriehalle in Immendingen die Handschellen klickten, war akribische Ermittlungsarbeit nötig – angestoßen durch den Hinweis einer Vertrauensperson im September 2020, wie der Zeuge berichtete.

Bei dieser Lagerhalle in Immendingen soll es zum Zugriff eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei auf die mutmaßlichen Drogenhändler ...
Bei dieser Lagerhalle in Immendingen soll es zum Zugriff eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei auf die mutmaßlichen Drogenhändler gekommen sein. | Bild: René Laglstorfer

Dieser habe darauf hingewiesen, dass einer der Angeklagten, Raimond C., schon seit Jahren im Kilogramm-Bereich mit Drogen handeln solle. Kurz darauf hätten die Ermittlungen begonnen, ab November 2020 seien auch C.s Telefon und Auto überwacht worden.

Die Ermittler hören unter anderem ein Auto und ein Telefon ab

Ab diesem Zeitpunkt sind die Ermittler ziemlich dicht dran, wie in der Gruppe über den Schmuggel von kiloweise Kokain aus Südamerika diskutiert wird. Um die größeren Mengen sei es erst gegangen, als ein bestimmter Angeklagter, Christopher L., hinzukam, sagt der Polizist im Zeugenstand. Diese Portionen von jeweils mehreren Dutzend Kilogramm seien unter anderem in Bananenkartons oder in Hohlräumen in Kühlcontainern versteckt worden.

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Ein solches Versteck sei im Dezember 2021 im englischen Southampton entdeckt worden, weil die Siegel auf Abdeckplatten am Kühlcontainer gebrochen waren.

Auch 1000 Kilogramm Kokain, über die die Gruppe für einige Tage im Juli 2021 gesprochen hat, könnten existiert haben – auch wenn der Angeklagte Edward N. zuvor noch Zweifel daran anmeldete. Auf dem Handy von Christopher L. haben die Ermittler laut dem Zeugen jedenfalls Chatverläufe gefunden, in denen von 1000 Stücken – einem Codewort für 1000 Kilogramm – die Rede gewesen sei.

Der Hintergrund und die Verteidiger

So präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft kurz vor Weihnachten 2021 den großen Drogenfund, der den Ermittlern unter anderem beim ...
So präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft kurz vor Weihnachten 2021 den großen Drogenfund, der den Ermittlern unter anderem beim Zugriff in der Immendinger Industriehalle in die Hände fiel. | Bild: Polizei Baden-Württemberg

Anfangs sei der Schmuggel über eine Tarnfirma gelaufen, die Raimond C. zum angeblichen Handel mit Kunststoffgranulat gegründet haben soll. Doch allein Kunststoffgranulat mit Containern zu transportieren, wäre laut dem erfahrenen Ermittler unwirtschaftlich gewesen, die Transportkosten hätten den Warenwert überstiegen. Das ist ein Indiz dafür, dass die offizielle Geschäftstätigkeit nicht der eigentliche Zweck des Unternehmens war.

Gottmadingen als Umschlagplatz

Noch dichter dran war die Polizei, als es Anfang 2021 gelang, einen verdeckten Ermittler in der Nähe der Gruppe zu platzieren. Dieser erwarb laut dem Zeugen das Vertrauen der Gruppe unter anderem, indem er Drogen kaufte – etwa Haschisch vom angeklagten Besitzer des Gottmadinger Betriebs, der als Umschlagplatz für die Container gedient haben soll.

Der Betriebsinhaber könnte übrigens noch tiefer im Drogensumpf stecken, wie nun vor Gericht deutlich wurde. Bei Vernehmungen im Oktober und November habe er weitere Hintermänner benannt, so der Zeuge.

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Als die Gruppierung Probleme hatte, einen Container aus dem Hamburger Hafen zu bekommen, habe sich das der verdeckte Ermittler zunutze gemacht und gesagt, er könne Container am Zoll vorbeibringen. Das Verhalten des verdeckten Ermittlers überzeugte offenbar die Dealer: Bei einem Gespräch im abgehörten Auto von Raimond C. im Juni 2021 hieß es, dass der verdeckte Ermittler kein Polizist sein könne, wenn er Drogen kaufe.

Polizei hat Halle angemietet und präpariert

Die Halle in Immendingen, in der vier der Angeklagten kurz vor Weihnachten 2021 beim Zählen von Kokainpäckchen ertappt wurden, habe die Polizei vom Bauhof angemietet, sagte der Zeuge. Vor der spektakulären Verhaftung sei sie mit Video- und Tonüberwachung ausgestattet worden. In eine Holzwand habe man außerdem eine zusätzliche Tür gesägt, damit das Einsatzkommando zugreifen konnte.

Damit das Finale der Überwachungsaktion wie geplant stattfinden konnte, habe man das vom Zoll in Hamburg zuvor sichergestellte Kokain per Hubschrauber nach Süddeutschland transportiert, so der Hauptsachbearbeiter, der beim Zugriff auch selbst dabei war. Alles sollte möglichst echt aussehen.

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Funktioniert hat es: Nachdem ein verdeckter Ermittler ein Auto samt sechs Sporttaschen mit dem Rauschgift in die Halle gefahren hatte, konnte er das Tor für die anderen Beteiligten öffnen: für den hauptsächlich tätigen verdeckten Ermittler mit den Angeklagten Edward N. und Christopher L. sowie den Angeklagten Raimond C. und den ebenfalls angeklagten Betreiber der Werkstatt in Gottmadingen. Die Falle schnappte zu.

Ein Angeklagter fürchtet um sein Leben

Der Einsatz dürfte mit einem großen Risiko verbunden gewesen sein, denn im Drogenhandel geht es nicht gerade zimperlich zu. Das zeigt sich auch daran, dass Edward N. nach seiner umfassenden Aussage Angst um sein Leben und seine Familie habe, wie sein Verteidiger Gerhard Zahner sagte.

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Viel Betrieb im großen Saal des Konstanzer Landgerichts: Sechs Personen müssen sich wegen bandenmäßigen Drogenhandels verantworten, das Bild vom Prozessauftakt im Oktober zeigt einige Verteidiger vor Prozessbeginn. In der Mitte Michael Kolaczkowski. | Bild: Freißmann, Stephan

Der Kriminalbeamte im Zeugenstand bestätigte, dass N. ein großes Risiko eingegangen sei. Es sei davon auszugehen, dass sich N. in Südamerika nicht mehr blicken lassen könne, zumal er auch Namen von Personen aus Südamerika genannt habe. Unter anderem daraus dürften sich die scharfen Sicherheitsvorkehrungen mit strengen Personenkontrollen und bewaffneten Beamten im Saal erklären. Für die Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.