Präparierte Autos, frisierte Container, riesige Summen an Bargeld: Was die Besucher des Großverfahrens wegen Drogenhandels vor dem Konstanzer Landgericht beim jüngsten Prozesstag zu hören bekamen, kennt der gewöhnliche Bürger höchstens aus dem Kino. Nun sagte ein Mann umfangreich aus, für den solche Vorgänge jahrelang zum Leben dazugehörten – und ermöglicht einen Blick in eine fremde Welt. Edward N. ist einer von sechs Angeklagten, die sich derzeit vor dem Konstanzer Landgericht wegen bandenmäßigen Drogenhandels verantworten müssen.
Fünf der sechs Angeklagten sind im Gefängnis
Fünf von ihnen sitzen nach wie vor in verschiedenen Gefängnissen des Landes in Haft, nachdem bei der einzigen weiblichen Angeklagten am ersten Verhandlungstag der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft den sechs Personen vor, bei mehreren Gelegenheiten insgesamt eineinhalb Tonnen Kokain verschoben zu haben.
Als Fahnder kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres 233 Kilogramm des Rauschgiftes samt 50 Kilogramm Cannabis sicherstellen konnten und die Bande dadurch aufflog, hat die Polizei den Straßenverkaufswert mit mindestens 50 Millionen Euro angegeben. Das verdeutlicht die Dimensionen des Rauschgifthandels, handelt es sich doch um eine der größten Kokainsicherstellungen in Baden-Württemberg. Teilweise langjährige Haftstrafen stehen in Aussicht. Eine Drehscheibe des Drogenhandels war laut der Anklage eine Werkstatt in Gottmadingen, wo im Dezember 2021 eine der Durchsuchungen stattgefunden hat.
Wie der Drogenhandel ablief
Am zweiten Verhandlungstag des Prozesses, der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, geht es nun also ans Eingemachte. Edward N., der von dem Strafverteidiger Gerhard Zahner vertreten wird, hatte schon am ersten Prozesstag volle Kooperationsbereitschaft signalisiert. Nun hat er ausführlich Auskunft darüber gegeben, wie der Drogenhandel konkret ablief.
Dabei ging es vor Gericht vor allem um einen Fall im Dezember 2019. Füße wackelnd berichtete N. davon, wie er mit einem weiteren Angeklagten in dem Prozess, Raimond C., einen präparierten, mit Kunststoffgranulat beladenen Container übernommen habe. 15 Kilogramm Kokain seien in den Rahmen des Containers eingeschweißt gewesen. Das Rauschgift hätte eigentlich in Portugal entnommen werden sollen, so N. weiter.
Doch die dafür vorgesehene Person habe das nicht geschafft. Wer den Transport nach Portugal organisiert hat, wisse er nicht. Beteiligt gewesen sei auch eine dritte Person mit dem Decknamen El Barba, die im Konstanzer Verfahren nicht angeklagt ist. Im Laufe der Ausführungen wird deutlich, dass diese dritte Person wohl der Versender der Drogen gewesen ist. Dieser habe ihn kontaktiert und um Hilfe gebeten, so N..
Der Container sei am Ende in die Gottmadinger Werkstatt gebracht worden. Diese habe einem dritten Angeklagten gehört, der zu Anfang allerdings noch nicht gewusst habe, was in seiner Werkstatt lagert. Er sei erst später eingestiegen. Dabei sei er allerdings an den Bestellungen der Drogen nicht beteiligt gewesen, so N. Seine Rolle bestand wohl hauptsächlich darin, die Halle seiner Werkstatt zur Verfügung zu stellen.
Diesem dritten Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft aber auch vor, einem verdeckten Ermittler im Jahr 2021 zweimal ein Kilogramm Haschisch verkauft zu haben. Der Angeklagte selbst bestritt nun auch auf hartnäckige Nachfragen des Vorsitzenden Richters Arno Hornstein einen der Vorfälle und sagte, es sei nur um einen Verkauf von einem Kilogramm gegangen.
Einer der Angeklagten soll für die Logistik zuständig gewesen sein
Der Angeklagte Raimond C. sei für die Logistik und den Ausbau des Kokains aus dem Container zuständig gewesen, sagte der Angeklagte N. Der Transport sei mit Hilfe einer Firma organisiert worden, die offiziell mit Kunststoffgranulat gehandelt habe – und auch tatsächlich Geschäfte damit gemacht hat, aber keine eigenen Räume besessen habe.
Ein vierter Angeklagter, Klaus F., habe das Rauschgift dann in einem präparierten Auto weiter verteilt. Das Versteck habe sich im Rücksitz befunden. Von Gottmadingen habe er die Drogen nach Mulhouse im Osten Frankreichs gebracht, wo N. damals gelebt habe. Und von dort sei es dann weiter verteilt worden, immer mit demselben Kurier. Mehrere Angeklagte, darunter N. selbst, hätten das Rauschgift dann weiter verkauft.
Wie alle Beteiligten vom Drogenhandel profitiert haben
Und natürlich haben auch alle profitiert, wobei Bezahlungen teilweise mit Bargeld, manchmal aber auch gleich in Form von Rauschgift getätigt wurden. Pro Kilogramm Kokain habe N. etwa 4000 Euro Gewinn gemacht, wie der Verteidiger eines anderen Angeklagten vor Gericht vorrechnete. Daraus musste N. allerdings noch den Kurier F. bezahlen, der für seine Dienste 1000 Franken pro transportiertem Kilogramm Kokain bekommen sollte, wie N. erklärte. Der Lohn für den Logistik-Mann C. sei direkt vom Hintermann El Barba geflossen.
Bei mehreren weiteren Gelegenheiten sei der Transport im Prinzip gleich abgelaufen, bis hin zu den Summen, die bezahlt wurden. Ein Container mit Kunststoffgranulat sei dabei ohne Drogen unterwegs gewesen, gewissermaßen als Test. Und bei einer Gelegenheit war das Rauschgift im Hamburger Hafen sichergestellt worden, der Container mit dem Kunststoff aber trotzdem nach Gottmadingen transportiert worden.
Der nächste planmäßige Verhandlungstag ist Montag, 21. November. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.