Spannung lag in der Luft, als es in der jüngsten Gemeinderatssitzung um die Berechnung der neuen Grundsteuer ging. Sie zählt zu den wenigen Steuern, die eine Kommune selber erheben kann. Dabei ist sie allerdings an Gesetze gebunden. Und nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 die bisher erhobene Grundsteuer auf Basis der Verhältnisse von 1964 für rechtswidrig erklärt hatte, werden völlig neue Maßstäbe angelegt. In der Folge wurden die Werte von Grundstücken neu ermittelt. Anhand dieser Daten sollen die Kommunen nun die Grundsteuer neu erheben. Dafür wird ein Hebesatz angelegt, über den die Gemeinderäte zu entscheiden hatten.

In Gottmadingen hatten die Räte versprochen, die neue Bewertung nicht für eine schleichende Erhöhung zu nutzen. „Die Verwaltung hat ihr Versprechen eingehalten und die Grundsteuer so berechnet, dass die Einnahmen in ihrer Gesamtheit neutral bleiben“, erklärte Bürgermeister Michael Klinger jetzt: „Das heißt aber nicht, dass sie im Einzelfall neutral ausfallen wird.“ Es geht also um eine Umverteilung der Abgaben. Außergewöhnlich groß war auch das Interesse von Bürgern, die die Sitzung im Ratssaal aufmerksam verfolgten.

Entlang der Hilzinger Straße gibt es viele ältere Häuser auf größeren Grundstücken. Hier wird die Grundsteuer voraussichtlich höher ...
Entlang der Hilzinger Straße gibt es viele ältere Häuser auf größeren Grundstücken. Hier wird die Grundsteuer voraussichtlich höher ausfallen als in der Vergangenheit. | Bild: Trautmann, Gudrun

Wie bereits berichtet, sind drei Grundsteuerarten zu unterscheiden. Grundsteuer A betrifft Land- und Forstwirtschaft. Die Grundsteuer B wird für Grundvermögen angesetzt. Bisher wurden in dieser Steuer auch Gebäude berücksichtigt. Künftig zählt in Baden-Württemberg nur noch der für ein Grundstück festgestellte Bodenrichtwert. Steht ein Wohngebäude darauf, ist ein Abschlag von 30 Prozent vorgesehen. Die Grundsteuer C kann für unbebaute Wohngrundstücke mit einem besonderen Hebesatz belegt werden. Diese Steuer soll also Grundbesitzer zum Bauen bewegen. Doch davon distanzierte sich der Gottmadinger Gemeinderat mit einem klaren Votum.

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In der jüngsten Sitzung ging es also um die Frage, mit welchem Hebesatz die Steuer festgesetzt wird, die ab Januar 2025 gelten soll. Kämmerer Andreas Ley offenbarte sein Dilemma. Es fehlen noch wesentliche Zahlen vom Finanzamt, da dort noch über Widersprüche entschieden werden müsse. „Wir müssen mit nachträglichen Korrekturen von Bodenrichtwerten rechnen“, sagte der Kämmerer. „Wir haben Hinweise auf fehlerhafte Messbetragsbescheide.“ Daher beinhalte die Kalkulation des Hebesatzes einige Ungewissheiten. Ley stützt sich deshalb auf die Empfehlungen des Gemeindetages und schlägt für die Grundsteuer B einen Hebesatz von 300 Prozent vor.

Für Michael Klinger ist jetzt schon klar, dass Ungemach auf die Verwaltung zurollen wird, sobald die Bescheide bei den Bürgern sind. Nach den bisherigen Musterrechnungen werden (wie ebenfalls berichtet) vor allem Besitzer älterer Einfamilienhäuser deutlich schärfer zur Kasse gebeten. Wurden zum Beispiel für eine Immobilie mit 600 Quadratmetern Grundfläche aus dem Jahr 1977 bisher 138,41 Euro fällig, so müssen die Eigentümer künftig 450,99 Euro bezahlen.

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Ein unbebautes Grundstück in Bietingen mit 847 Quadratmetern kostete 2024 70,47 Euro Grundsteuer. Künftig müssen für das gleiche Grundstück 809,25 Euro Grundsteuer bezahlt werden. Der Grund für diese Verschiebung sind die Messbeträge, die sich am Bodenrichtwert orientieren. Die Verwaltung rechnet mit einer Flut an Widersprüchen. „Wir werden eine Telefonseelsorge im Rathaus einrichten müssen“, sagte Klinger. „Ich weiß nicht, wie wir das stemmen sollen.“

Mehrheit für reduzierten Hebesatz

Hier hakte Bernd Schöffling (CDU) ein. Auch er verwies darauf, dass vor allem die Besitzer von älteren Immobilien künftig deutlich mehr belastet werden. Er beantragte deshalb den Hebesatz für die Grundsteuer B mit 295 Prozent etwas nach unten zu korrigieren. Kirsten Graf (SPD/UL) stellte die Frage, wie hoch die Quote der Korrektur sei. „Bei 4700 Grundstücken wissen wir es nicht“, sagte Andreas Ley. „Nur bei zwei Besitzern wurde bemerkt, dass sie sich in der falschen Steuer eingestuft hatten. Der Rest ist blanke Schätzung.“ Klinger sprach von „reiner Kaffeesatzleserei“ und empfahl lieber mit einem Sicherheitszuschlag zu kalkulieren. Am Ende stimmte das Gremium bei einer Enthaltung mit 13 zu sieben Stimmen für den Schöffling-Antrag. Damit kalkuliert die Verwaltung bei der Grundsteuer B mit einem Hebesatz von 295 Prozent, bei der Grundsteuer A mit 480 Prozent. Auf die Grundsteuer C wird einstimmig verzichtet.