Gottmadingens Kämmerer Andreas Ley hat derzeit wahrlich keine schöne Aufgabe. Seit der Kommune in der Folge der Corona-Pandemie die Gewerbesteuern in Millionenhöhe wegbrechen, hat der oberste Rechner der Verwaltung nicht sehr viel Positives aus der Gemeindekasse zu berichten. Nach aktuellen Kalkulationen fehlen durch die neue Entwicklung rund 3,5 Millionen Euro zur Finanzierung des Schulneubaus. Diese können zwar aus den Rücklagen der Gemeinde bezahlt werden, fehlen aber in der Folge für andere dringende Projekte im Ort und den Ortsteilen. Dabei ist nach der jüngsten Darstellung der Kostenentwicklung beim Neubau der Eichendorff-Realschule bisher sehr umsichtig gewirtschaftet worden.
Vieles ist teurer geworden
Es liegt in der Natur der Ausschreibungsverfahren, dass Neubauten fast ausnahmslos teurer werden. Das gilt besonders für große Projekte wie den Gottmadinger Schulneubau, die über einen langen Zeitraum geplant werden. Bis sie zur Umsetzung kommen, sind die Handwerker- und Material-Preise meistens gestiegen oder die günstigsten Bieter haben zu knapp kalkuliert. Nimmt man den langen Planungs- und Entwicklungszeitraum seit 2014 für die Eichendorff-Realschule, so ist allein daran erkennbar, dass sich die Entscheidungsträger der hohen Belastung durch das für Jahrzehnte wohl größte Projekt durchaus bewusst waren. Basis für die mutige Entscheidung waren die anhaltend gute Konjunktur und die stetig wachsenden Gewerbesteuereinnahmen.
Corona vernichtet Finanzierungspläne
Niemand konnte ahnen, dass im Jahr 2020 die Corona-Pandemie alle Vorausberechnungen zunichte machen würde. Und so bleibt dem Kämmerer Andreas Ley und dem Bauamtsleiter Alexander Kopp nichts anderes übrig, als eine verschärfte Kostenkontrolle. Das ist den beiden Fachbereichsleitern mit spitzer Feder und unzähligen Besuchen auf der Baustelle bisher wohl gut gelungen. Trotzdem sind die Kosten seit der letzten Prognose im Juli erneut um 342 396 Euro gestiegen. Engmaschig wird auch der Gemeinderat über die jeweilige Entwicklung informiert. Hier strebt Bürgermeister Michael Klinger eine maximale Transparenz an, was letztlich in den Gemeinderatssitzungen mit viel Zustimmung quittiert wird.

Schon acht Millionen Euro verbaut
„Noch geht das Projekt auf“, erklärt der Schatzmeister der Gemeinde. „Bisher haben wir acht Millionen Euro verbaut.“ Was die Bürger für das Geld bekommen, konnten sie bereits im Juli bei mehreren Führungen über die Baustelle nachvollziehen. Der Rohbau ist beendet. Jetzt ist erkennbar, wie sich die Klassen- und Fachräume sowie die Verkehrswege auf den 10.000 Quadratmetern Fläche verteilen werden. Das Raumangebot ist für die 600 Schüler großzügig ausgestaltet und berücksichtigt die Inklusion. „Der Landeszuschuss für den Schulneubau„, und da platzt dem Bürgermeister wieder mal der Kragen, „fällt leider niedriger aus, als bei Schulneubauten, die erst in diesem Jahr begonnen wurden.“ Weil Gottmadingen früher angefangen habe. Klinger will deshalb beim Land einen Nachschlag aus der Schulhausförderung in Höhe von 400 000 Euro fordern und zur Not auch den Klageweg beschreiten. Zuletzt hatte sich Klinger mit dem Land in Bahnangelegenheiten einen Schlagabtausch mit dem Verkehrsministerium geliefert, weil immer wieder Regionalbahnen ausgefallen sind oder die Züge zu knapp dimensioniert waren.
Warum kein höherer Kredit?
Sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten, das wurde den Gemeinderäten in der jüngsten Sitzung klar, wird es nach dem Großprojekt nicht mehr geben. Entsprechend gedrückt war auch die Stimmung im Rat, als Andreas Ley die nackten Zahlen auf die Leinwand projizierte. Florian Schönle (FWG) fragte: „Warum können wir keinen höheren Kredit aufnehmen so wie jeder Häuslebauer?“ So könne man sich mehr Gestaltungsspielraum für andere Projekte verschaffen. Doch diese Rechnung wurde umgehend korrigiert. Andreas Ley verwies auf die Rechtsaufsicht, die eine weitere Kreditaufnahme genehmigen müsse. „Auch wenn der Zins derzeit nur bei 0,01 Prozent liegt, müssen wir darstellen, wie wir einen solchen Kredit bei fehlenden Einnahmen zurückzahlen wollen“, erklärt Ley. Und Michael Klinger führte aus, dass der Vergleich mit dem Häuslebauer hinke, weil die Gemeinde im Gegensatz zum Privatinvestor keine Mietersparnis gegenrechnen könne, sondern mit der neuen Schule sogar noch neue Kosten generiere. „Ich hätte große Bedenken, dass wir und unsere Nachkommen nicht mehr aus der Nummer rauskommen, wenn wir alles auf Pump machen“, sagt Klinger. Bernd Schöffling (CDU) verteidigt den strikten Sparkurs, weil er davon überzeugt ist, dass angesichts des entstehenden Großprojektes jetzt leichter akzeptiert werde, dass andere Vorhaben geschoben werden müssen.

Erstaunlich: Es gibt auch Einsparungen
Eine gute Nachricht hatte Alexander Kopp trotz allgemeiner Kostensteigerung dann aber doch noch im Gepäck. Beim Rohbau, den Erdarbeiten, Kanälen konnten nach der Endabrechnung sogar knapp 177 000 Euro eingespart werden. Und passend zur Sitzung konnten sieben weitere Gewerke wie zum Beispiel Malerarbeiten, Außenanlage oder Trennwände zur letzten europaweiten Ausschreibung freigegeben werden. Am 3. November soll die Vergabe im Gemeinderat zur Kenntnis genommen werden. Kopp geht davon aus, dass bei diesen Gewerken im Gesamtvolumen zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Euro noch mindestens 115 000 Euro Sparpotenzial drin ist. „Hier werden wir nochmal alles nachrechnen“, sagt Kopp. „Bei den früher vergebenen Gewerken können wir kaum noch eingreifen.“
Leistungsfähigkeit auf die Probe gestellt
Mit dem Schulneubau unter Corona-Vorzeichen wird die Leistungsfähigkeit der Kommune auf die Probe gestellt. Ging man 2019 noch von 15 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen im Jahr 2020 aus, von denen zwei Drittel für den Schulneubau reserviert waren, so hat der Kämmerer die Einnahmen nun auf zehn Millionen Euro heruntergestuft. 14,6 der 28,8 Millionen Euro Baukosten sind noch zu finanzieren. Im Jahr 2021 erwartet Gottmadingen insgesamt 2,1 Millionen Euro Fördermittel. Außerdem will die Gemeinde 2021 einen Kredit in Höhe von drei Millionen Euro aufnehmen. Für die Gewerbesteuerausfälle in diesem Jahr rechnet Andreas Ley eine Kompensationszahlung in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Daraus ergibt sich im Oktober 2020 eine Summe von 8,48 Millionen Euro für die Baukosten, die die Gemeinde stemmen muss. Zur Zeit verfügt Gottmadingen über 9,1 Millionen Euro Liquidität. „Die schmilzt 2020 fast vollständig auf rund 620 000 Euro ab“, hat Ley gerechnet.