
Manche Träume sind rosarot, so wie die Postkarte der Segelfliegergruppe Singen. Als Zehnjährige hat Katharina Fritschi sie an einem Ballon befestigt und in den Himmel steigen lassen. Sie hat nicht nur ihren Namen darauf geschrieben, sondern auch in feiner Kinderschrift: „Ich wünsche Dir alles Gute in der Schule oder in der Lehrzeit.“ Dieser Wunsch könnte sogar in Erfüllung gegangen sein, denn der Finder hat tatsächlich etwas mit Schule und Lehre zu tun.

Regelmäßig bei den Flugtagen
Doch zurück zum Anfang: Es war eines der Feste auf dem Hilzinger Flugplatz, zu denen die ganze Familie Neumann mit Katharina regelmäßig ging. Dort gab es für die Kinder einen Ballonwettbewerb. Ein Spaß mit wenig Hoffnung auf einen Gewinn. Denn je weiter die bunten Ballons mit den Postkarten sich in den Himmel entfernten, umso mehr geraten sie in Vergessenheit. Wie groß muss also die Überraschung sein, wenn man nach 20 Jahren erfährt, dass man den Hauptgewinn ergattert hat?
Spektakuläre Post
„An die 300 Ballons haben wir jedes Mal steigen lassen“, weiß der ehemalige Vereinsvorsitzende Robert Fettig. „Zurückgeschickt wurden nur ganz wenige.“ Umso erstaunlicher war nun für den Verein, dass er nach 20 Jahren so eine Rücksendekarte aus fast 400 Kilometern Entfernung erhielt. „Wir finden das sehr besonders, ja geradezu spektakulär“, sagt Fettig. Deshalb war es den Mitgliedern auch so wichtig, die Absenderin aufzuspüren und ihr einen einstündigen Rundflug in dem vereinseigenen zweisitzigen Motorsegler zu schenken.

Am Wochenende war es so weit. Bei strahlendem Spätsommerwetter konnte Katharina Fritschi die kleine Maschine besteigen. Schon zuvor hatte Robert Fettig den Außen-Check erledigt. Jetzt gilt es noch die Technik der Maschine zu überprüfen. Als Katharina Fritschi in das kleine Flugzeug klettert, zeigt sich, wie eng es darin zugeht. Robert Fettig hilft ihr beim Anschnallen und stattet sie mit Kopfhörern und Mikrofon aus. Denn es wird laut unter der Plexiglashaube.

Endlich abheben
Für Katharina Fritschi ist es der erste Flug in einem Motorsegler. Angst hat sie nicht, aber eine freudige Erregung. Dass ihr der Flug nicht bekommen könnte, glaubt sie nicht. Sie hat ja jede Menge Erfahrung mit Achterbahnen. Mit ihrem Mann Tobias, mit dem sie in Schaffhausen lebt, teilt die Erzieherin die Leidenschaft für aufregende Vergnügungsparks. Die Familie mit den zwei kleinen Kindern hat eine Jahreskarte für den Europapark Rust. Deshalb fürchtet die Erzieherin auch nicht den Start und die Landung.
„Ein Kribbeln hatte ich trotzdem im Bauch“, berichtet sie nach der Landung. „Und die Schwerelosigkeit habe ich auch kurz gespürt.“
Die Heimat von oben sehen
Robert Fettig ist Katharina Fritschis Wunschkurs geflogen: Richtung Bodensee, Reichenau, Rheindelta, Stein am Rhein, Schaffhausen, Schlatt, Binningen, Hohentwiel, Hohenkrähen und natürlich über ihren Heimatort Hilzingen. „Die Eindrücke waren perfekt“, sagt Fettig, der auch an seinem Züricher Standort dem Verein im Hegau treu geblieben ist. „Mein Gast hatte während der ganzen Zeit ein Lächeln im Gesicht.“
Und Katharina Fritschi fehlen fast die Worte. „Cool war es“, sagt sie. „Einmalig. Ich habe meine Heimat zum ersten Mal so nahe aus der Luft gesehen.“

Eberhard Preiß ist der Mann, der ihr dieses Vergnügen überhaupt ermöglicht hat. Dabei kennt Katharina Fritschi ihn gar nicht. Wo genau Preiß die Karte des Ballonwettbewerbs gefunden hat, kann er heute gar nicht mehr sagen.
Er erinnert sich, dass er eine Zeitlang als Hobby-Mönch im Campus Galli bei Messkirch mittelalterliche Schriftzeichen gemalt hat. Auf einem seiner Spaziergänge könnte er die Karte gefunden haben. „Ich habe schon einige Karten gefunden, aber da war die Schrift vom Regen verwaschen“, erzählt er. Diese Karte ist jedoch unversehrt. In seinem Hauptberuf ist Preiß Landwirt bei Regensburg. Dorthin hat er die Karte in seinem Rucksack transportiert, wo sie auf dem Dachboden landete. Beim Aufräumen hat der ehemalige Lehrer sie dort wiederentdeckt und nach Hilzingen geschickt.
Preiß ist vielseitig interessiert, unterrichtet gerne und vermittelt Jugendlichen und Erwachsenen selten gewordene Handwerkstechniken. „Ich bin viel in der Landschaft unterwegs“, sagt er. Dieser Leidenschaft ist es wohl auch zu verdanken, dass er Katharina Fritschis Karte gefunden hat. Als man ihm am Telefon berichtet, welche Freude er der jungen Frau gemacht hat, geht ihm hörbar das Herz auf.