„Sie sind heute mit einem blauen Auge davon gekommen“, erklärt die Richterin vor dem Amtsgericht Konstanz. Der Angeklagte hört der Richterin dabei stumm und ohne eine emotionale Regung zu, während sie weiter erklärt, dass die Forderungen der Staatsanwaltschaft – und schließlich auch das Urteil – moderat ausgefallen seien. Ein Jahr und sechs Monate, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, lautet der Richterspruch am Ende der Verhandlung.

Sieben Tatbestände wurden dem 45-Jährigen zur Last gelegt. Fast alle handelten von sexueller Nötigung, bei einzelnen kam die Tateinheit des sexuellen Missbrauchs von Kindern hinzu. Am Ende der Verhandlung standen drei Taten, die der Angeklagte eingestand: Zweimal sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung. Bei einer dritten Tat handelte es sich um sexuelle Nötigung.

Die Tat, die die Anklage ins Rollen brachte

Die Tatbestände sollen sich über mehrere Jahre verteilt haben. Nicht sicher ist aber, wann die Taten genau begannen – laut verschiedener Aussagen soll es aber 2017 zu einem ersten Vorfall gekommen sein. Klar ist, dass eine Tat vom Februar 2021 den Stein ins Rollen brachte, der alle Prozessbeteiligten an diesem Tag im Amtsgericht zusammenbringt.

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Es war ein Abend im Februar, als die Tochter des Angeklagten ihre zum Tatzeitpunkt 12-jährige Freundin zu Besuch hatte. Sie ist die erste, die in den Zeugenstand gerufen wird. Begleitet wird sie von ihrer Mutter, die sich zwischen Anklagebank und Tochter setzt. Die heute 13-Jährige meidet über die komplette Befragung hinweg jeden Blickkontakt mit dem Angeklagten, als sie erzählt, was an dem besagten Abend passiert sei.

Der Beschuldigte und ein 22-jähriger Freund seines Sohnes sollen auf dem Balkon Bier getrunken und geraucht haben, als die damals 12-Jährige hinzu kam, um ebenfalls eine Zigarette zu rauchen. Nachdem der 45-jährige Familienvater sie gebeten hatte, in der Küche drei Zigaretten zu stopfen, kam das Mädchen zurück. In diesem Moment soll der Angeklagte das Mädchen auf seinen Schoß gezogen und sie über der Kleidung am Po sowie im Schritt berührt haben.

Dem 13-jährigen Mädchen fällt es im Zeugenstand sichtlich schwer von den Berührungen zu berichten. „Ich fand es einfach nur eklig“, sagt sie unter Tränen, während der Angeklagte ohne emotionale Rührung zuhört. Bei einem Versuch vom Schoß des 45-Jährigen aufzustehen, soll dieser sie zurückgezogen haben, sagt sie. Erst der Vorwand, dass sie aufs Klo müsse, habe sie aus dieser Situation gerettet.

Sie begab sich daraufhin in das Zimmer ihrer Freundin, wo sie dieser alles erzählte. Wie es anschließend weiterging, kann anhand der Aussagen vor Gericht nicht geklärt werden. Verschiedene Indizien, wie etwa ein Chatverlauf des Mädchens mit dem 22-jährigen Zeugen, lassen aber kaum Zweifel zum Ablauf der Tat. Die Richterin macht deutlich, dass die Aussagen des Mädchens und ihrer Mutter glaubhaft seien.

Durch die aufmerksame Mutter kommt es zur Anzeige

Dass es schließlich zur Anzeige kam, ist der aufmerksamen Mutter des geschädigten Mädchens zu verdanken. Denn ihr fiel auf, dass ihre Tochter begann, sich selbst zu verletzten – an den Stellen auf dem Oberschenkel, an dem der Angeklagte sie berührt hatte.

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Als das Mädchen dann schließlich ihrer Mutter erzählte, was passiert sei, gingen die beiden zur Polizei. „Es war wie eine Kettenreaktion“, erklärt der Polizist, der die Aussagen aufgenommen hatte. Anschließend begann die Polizei zu ermitteln und ging auf die Tochter des Angeklagten sowie deren Freundinnen zu.

Denn auch andere Mädchen sollen mutmaßlich Opfer des Angeklagten geworden sein. So beschreibt eine heute 17-Jährige ähnliche Vorfälle, die im Zimmer der Tochter des Beschuldigten stattgefunden haben sollen und schon länger zurückliegen. Der 45-Jährige soll sie in mehreren Fällen ebenfalls berührt haben – im Schritt, am Bauch und an den Brüsten.

Die Tochter macht keine Angaben

Eine weitere mögliche Geschädigte stellte keine Anzeige. Und auch die Tochter des Angeklagten wollte vor Gericht keine Aussage tätigen, obwohl sie der Polizei gegenüber von ähnlichen Vorfällen berichtete. Noch zu Beginn der Verhandlung liest die Richterin dem Angeklagten einen Satz seiner Tochter vor: „Ja, er ist sehr gefühlvoll, aber ich bin seine Tochter.“ Der Angeklagte streitet jede mögliche Tat im Zusammenhang mit seiner Tochter ab. Weil sie seine Tochter ist, dürfen die Aussagen gegenüber der Polizei nicht gerichtlich verwendet werden.

Dies führt dazu, dass am Ende von den sieben Tatbeständen, die zu Beginn der Verhandlung verlesen wurden, lediglich drei zur Verurteilung führen. Sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung für die Tat auf dem Balkon. Das gleiche Urteil wird auch für die Tat gesprochen, von der die heute 17-jährige Freundin der Tochter berichtete. Weil die heute 17-Jährige bei einer dritten Tat schon älter als 14 Jahre alt war, bleibt hier der Tatbestand der sexuellen Nötigung.

Er habe Glück gehabt, sagt die Richterin am Schluss. Zum einen, weil seine Tochter nicht aussagte. Zum anderen, weil eine weitere Zeugin aktuell außer Landes sei. Dass der Angeklagte die Taten am Ende gestand, wurde positiv für ihn ausgelegt. Am Ende wird der Angeklagte zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Er muss außerdem eine Geldstrafe von 4.000 Euro an ein Kinder- und Jugenddorf bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.