Viele Fotos haben sie nicht von ihrem schönsten Tag. Doch das eine Bild halten sie in Ehren: Auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie lächeln Ilse und Peter Grempels in die Kamera, aufgenommen vor unglaublichen 70 Jahren bei einem Donaueschinger Fotografen. Denn die beiden heirateten am 3. April 1954 und erreichen somit am Mittwoch, 3. April 2024, die seltene Gnadenhochzeit.

Ilse und Peter Grempels feiert am 3. April 1954 ihre Hochzeit in Donaueschingen. Dort entstand auch dieses Bild.
Ilse und Peter Grempels feiert am 3. April 1954 ihre Hochzeit in Donaueschingen. Dort entstand auch dieses Bild. | Bild: Kirsten Astor

Warum die wohl so heißen mag? „Weil es eine Gnade ist, dass wir immer noch zusammen sein dürfen“, sagt Peter Grempels, 97 Jahre alt. Er ist stolz darauf, so lange seine „liebe Ilse“ an der Seite zu haben. Die beiden leben im Stadtteil Petershausen und verbrachten viele gemeinsame Jahrzehnte in Konstanz – obwohl beide ein bewegtes Leben mit vielen Ortswechseln hinter sich haben.

Peter Grempels wurde im Februar 1927 in Siebenbürgen geboren, ging dort bis 1942 in die Volksschule und begann nach sieben Schuljahren eine Ausbildung zum Kaufmann. Im Januar 1945 wurde er nach Donezk in die Ukraine deportiert, gut zwei Jahre später entlassen und lebte zunächst in Frankfurt an der Oder in der sowjetischen Besatzungszone.

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Nach zwei Jahren siedelte er in die französische Besatzungszone um und arbeitete auf dem Gutshof von Franz Schenk Freiherr von Stauffenberg, einem Onkel des Hitler-Attentäters, im württembergischen Riedlingen. „Dort habe ich alles gemacht“, sagt Peter Grempels. „Auf dem Acker geholfen, Tiere gefüttert, den Schweinestall geputzt.“ Doch 1949 verließ er auf eigenen Wunsch den Hof, um eine Umschulung zum Maurer zu machen.

Franz Freiherr Schenk von Stauffenberg stellte Peter Grempels ein ausgezeichnetes Zeugnis für seine Dienste auf seinem Gutshof aus. ...
Franz Freiherr Schenk von Stauffenberg stellte Peter Grempels ein ausgezeichnetes Zeugnis für seine Dienste auf seinem Gutshof aus. Unter anderem habe er sich durch seinen Fleiß, seinen „geraden, sauberen und untadeligen Charakter“ das uneingeschränkte Vertrauen seiner Arbeitgeber erworben. | Bild: Kirsten Astor

1953 zog Peter Grempels nach Konstanz. Es dauerte nicht lange, dann kam es zu einer schicksalshaften Begegnung: „An einem Sonntag bin ich zum Mittagessen in die bayerische Bierhalle gegangen, die es damals dort gab, wo heute der Augustinerplatz ist“, erzählt er.

„Alles war besetzt. An einem Tisch saßen drei, vier hübsche Mädels. Ich habe gefragt, ob ich mich dazusetzen darf. Tja, das war der Anfang“, sagt der 97-Jährige und lächelt verschmitzt. „Die Damen waren vom Fernmeldeamt, wir Männer nannten sie die Stöpseldamen“, ergänzt er und lacht.

Peter Grempels hat alle wichtigen Dokumente seines langen Lebens aufbewahrt, auch die seiner Frau Ilse sind gut im Ordner einsortiert.
Peter Grempels hat alle wichtigen Dokumente seines langen Lebens aufbewahrt, auch die seiner Frau Ilse sind gut im Ordner einsortiert. | Bild: Kirsten Astor

Eine dieser Damen war Ilse von Boetticher, wie sie damals hieß. Sie wurde in Pölitz im Kreis Stettin (Pommern) geboren. „Ich dachte ja sowieso: Das wird nichts“, sagt Peter Grempels über 70 Jahre später. „Sie eine Adelige und ich ein Maurer.“ Er sollte sich gewaltig täuschen. Außerdem war seine Auserwählte trotz ihres Adelstitels alles andere als reich.

„Ich war sowas von arm, meine Mutter war mit mir und meinen drei Geschwistern allein geflohen, wir hatten eine einjährige Odyssee hinter uns“, erzählt Ilse Grempels, 89 Jahre alt. „Damals war ich zehn Jahre alt. Ich erinnere mich an bitterkalte Stunden und Hunger.“ Später wurde die Familie in die Nähe von Donaueschingen umgesiedelt, in ein armseliges Dorf. „Wir kamen vom Regen in die Traufe“, sagt sie. Gerade erwachsen, zog sie nach Konstanz um.

Die Hochzeit vor 70 Jahren wurde gleich zweimal beurkundet: Einmal handschriftlich im Jahr 1954 und dann erneut mit einer ...
Die Hochzeit vor 70 Jahren wurde gleich zweimal beurkundet: Einmal handschriftlich im Jahr 1954 und dann erneut mit einer Schreibmaschinen-Abschrift. | Bild: Kirsten Astor

Nach dem Essen auf zur Mainau

Und wie ging es nach dem Treffen in der Bierhalle weiter? „Die Damen wollten nach dem Essen einen Ausflug auf die Insel Mainau machen und ich habe mich gern angeschlossen“, erzählt Peter Grempels. „Danach blieb der Kontakt zu Ilse und es hat sich entwickelt, wie es sich halt so entwickelt“, sagt er und lacht.

Das Paar heiratete am 3. April 1954 in Donaueschingen. Bald darauf wurde Ilse Grempels schwanger, Sohn Eckhard kam zur Welt. Zwei Jahre später folgte Sohn Jörn. Ilse Grempels gab ihre Arbeit als Postangestellte im Fernsprechvermittlungsdienst 1955 auf, kümmerte sich um die Familie.

Ilse Grempels war Postangestellte im Fernsprechvermittlungsdienst in Konstanz und erhielt ein ausgesprochen gutes Zeugnis.
Ilse Grempels war Postangestellte im Fernsprechvermittlungsdienst in Konstanz und erhielt ein ausgesprochen gutes Zeugnis. | Bild: Kirsten Astor

Das Paar blieb in Konstanz, Peter Grempels arbeitete als Maurer in der Schweiz. Doch als sein Arbeitgeber ihn im Winter 1958 aufgrund der Kälte freistellte, heuerte er auf der Konstanzer Fähre an. Fünf Jahre lang arbeitete Peter Grempels auf den damals fünf Fährschiffen, erst als Einweiser, dann als Kassier, bis zum Jahr 1963. „Ich habe damals die Seegfrörne miterlebt“, erzählt der Senior.

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Anschließend verdiente er sein Geld als Bote für die Sparkasse, später arbeitete er am Schalter. „Wo heute das Kaufhaus steht, in dem C&A untergebracht ist, war früher die Sparkasse. Es gab dort auch einen Autoschalter. In diesem Fensterchen habe ich gearbeitet.“ Später war er Leiter einer Filiale in der Friedrichstraße, bis zu seinem 60. Geburtstag.

„Dann wollte ich aufhören und noch was vom Leben haben“, erzählt Grempels. Seine Frau verdiente ebenfalls ein wenig Geld. „Ich habe geputzt, auf dem Markt gestanden und in Bäckereien geholfen“, erzählt Ilse Grempels. „Das waren damals harte Zeiten.“ Nach ihrem Arbeitsleben engagierten sich die beiden in der Gesellschaft Natur und Kultur Konstanz und unternahmen einige Reisen, allein dreimal nach Rumänien.

Zum besonderen Hochzeitstag kommt Stadtrat Roger Tscheulin und gratuliert. Das Ehepaar möchte mit alkoholfreiem Sekt auf die lange ...
Zum besonderen Hochzeitstag kommt Stadtrat Roger Tscheulin und gratuliert. Das Ehepaar möchte mit alkoholfreiem Sekt auf die lange gemeinsame Zeit anstoßen. | Bild: Kirsten Astor

Vertrauen und Versöhnung

Und was ist nun das Geheimnis ihrer langjährigen Ehe? „Wir haben sehr großes Vertrauen zueinander“, sagt Peter Grempels. „Wir hatten nie Geheimnisse voreinander. Natürlich gibt es auch mal Streit, aber wir kriegen uns schnell wieder ein. Meistens gibt Ilse zuerst nach.“ Seine Frau stimmt zu: „Ich bin Sternzeichen Waage und sehr harmoniebedürftig.“ An ihrem Mann schätzt sie „seine Treue und dass er sich so toll um mich kümmert“. In vielen Dingen seien sie auf einer Wellenlänge.

Dass sie überhaupt so alt werden und die Chance auf die seltene Gnadenhochzeit haben, erklärt der 97-Jährige sich so: „Wir haben uns immer viel an der frischen Luft bewegt und kreuz und quer alles gegessen, aber ohne übermäßige Völlerei.“

Hier steht es Schwarz auf Weiß: Die Grempels heirateten am 3. April 1954 in Donaueschingen.
Hier steht es Schwarz auf Weiß: Die Grempels heirateten am 3. April 1954 in Donaueschingen. | Bild: Kirsten Astor

Er nahm bis zur Corona-Pandemie sogar noch an der Seniorengymnastik des Deutschen Roten Kreuzes teil, weit über 30 Jahre lang. Seine Frau war dort sogar noch bis vergangenes Jahr. „Vielleicht gehe ich mal wieder hin“, sagt die 89-Jährige.

Ihre Gnadenhochzeit feiern die beiden heute im kleinen Kreis. Als Vertreter der Stadt gratuliert CDU-Stadtrat Roger Tscheulin. Der Wunsch des Paares für die kommenden Jahre ist so bescheiden wie die beiden selbst: „Gesundheit und dass wir bis zum Ende in unserer schönen Wohnung bleiben können“, sagt Ilse Grempels.