Es bleibt bei der Bewährungsstrafe: Die falsche Ärztin vom Bodensee muss keine weiteren juristischen Konsequenzen befürchten. Die Staatsanwaltschaft Berlin erklärte, dass sie die Ermittlungen gegen Anna B. eingestellt hat. Die heute 54-Jährige war bereits in Konstanz verurteilt worden, weil sie sich mit gefälschten Dokumenten als Ärztin ausgab.
Martin Steltner, Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, begründet die Einstellung des Verfahrens mit einem Paragrafen (154) aus der Strafprozessordnung. Eine weitere Verurteilung wäre unter Einbeziehung des Konstanzer Verfahrens nicht ins Gewicht gefallen. Anders herum gesagt: Das Strafmaß wäre gleich, eventuell nur geringfügig höher ausgefallen. Zudem lautet ein Rechtsgrundsatz, eine Person wegen gleicher Taten nicht mehrfach zu bestrafen. Anna B. (Name geändert) bleibt damit auf freiem Fuß.
Und das, obwohl ihre Taten in Konstanz ein nur kleiner Teil ihrer kriminellen Karriere als falsche Ärztin gewesen sein könnten. In der Schweiz soll sie zwischen 2009 und 2013 erheblich öfter betrogen, gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen und Urkundenfälschung begangen haben. Bevor sie im Juni 2013 in Konstanz aufflog, weil sie beim Rettungsdienst Rescuemed als freischaffende Anästhesistin arbeitete, war sie von einer Klinik im Kanton Zug geflogen. Vorwurf: Auch dort und an weiteren Einrichtungen zuvor soll sich die ausgebildete Krankenschwester eine Anstellung als Medizinerin erschlichen haben. Ein Verdacht gegen die gebürtige Bayerin lautete sogar, dass der Tod einer Patientin in Zusammenhang mit ihrer Behandlung steht.
Der Vorwurf der fahrlässigen Tötung habe sich nicht erhärtet, erklärte die Staatsanwaltschaft Zug und bezog sich auf die Einstellungsbegründung der Kollegen aus Berlin. Diese hatten auf Bitten der Schweiz die Ermittlungen übernommen, nachdem sich Anna B. in der Bundeshauptstadt niedergelassen hatte. "Einzelne Taten waren verjährt", heißt es aus der Pressestelle der Zuger Staatsanwaltschaft weiter.
Die Frau, für deren berufliche Tätigkeiten sich immer wieder Gerichte interessierten, kann sich nun auf ein Medizinstudium konzentieren. Das wollte sie angehen, sagte sie vor dem Konstanzer Amtsgericht – und bezogen auf ihre unberechtigte Arzttätigkeit auch: "So etwas wird nicht wieder geschehen."
Ein Kriminalfall und seine Höhepunkte
- Juli 2015: Das Amtsgericht Konstanz verurteilt Anna B. zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. Zudem muss die heute 54-Jährige 3000 Euro an die Nachsorgeklinik Tannheim überweisen und sie trägt die Kosten des Verfahrens. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Anna B. von November 2012 bis Juni 2013 bei Rescuemed, ein Rettungsdienst des Herzzentrums Konstanz und der Herz-Neuro-Klinik Kreuzingen, als Ärztin arbeitet und 91 Mal in einem Intensivmobil schwer kranke Herzpatienten betreute. Sie hatte sich mit gefälschten Dokumenten beworben. In Köln war Anna B.
- November 2013: Der SÜDKURIER berichtet exklusiv über den beruflichen Werdegang von Anna B. Wo auch immer sie bislang tätig war, ob als Geschäftsführerin von Pflegeheimen oder als Krankenschwester, anschließend haben sich Ermittlungsbehörden für sie interessiert.
- Juni 2013: Anna B. fliegt auf, nachdem der Journalist Thomas Knellwolf den Geschäftsführer der Herzkliniken in Konstanz und Kreuzlingen, Martin Costa, auf die falsche Ärztin aufmerksam gemacht hatte. Costa hatte die Frau nach Rescuemed bereits als Klinikärztin engagiert. Anna B. flüchtet auf Kreuzfahrtschiffe. Dort fällt sie erneut auf, vor allem, weil die Krankenschwester gegen das Arzneimittelgesetz verstößt. Wieder ermittelt die Staatsanwaltschaft.
- November 2012: Die Frauenklinik Meissen im Schweizer Kanton Zug erstattet Anzeige gegen Anna B. Vorwurf: ,,Ausübens einer Ärztetätigkeit ohne Bewilligung und Urkundenfälschung". An insgesamt fünf Kliniken und Praxen in der Schweiz soll sie innerhalb vier Jahren illegal als Ärztin gearbeitet. Sie ist ausgebildete Anästhesieschwester.