Es läuft überall ähnlich ab: In der Längerbohlstraße, Am Pfeiferhölzle, jetzt am Alten Bannweg. Sobald bekannt wird, dass auf einem unbebauten Grundstück ein Wohnprojekt geplant ist, melden sich Anwohner zu Wort. Sie haben Argumente rechtlicher oder stadtplanerischer Natur, oft sind sie gut durchdacht. Alle Anwohner betonen, sie hätten nichts gegen Wohnbebauung. Gar nichts, eigentlich.

Es gibt immer Argumente gegen eine Bebauung

Aber eben nur eigentlich. Im Detail gebe es schon Gründe, die gegen eine Bebauung genau dieser Fläche spreche. Dann werden sie aufgelistet: Es fehle an Stellplätzen, mehr Autoverkehr berge Gefahren, die Bebauung passe nicht zur Umgebung und, ein Lieblingsargument der vergangenen Monate, Konstanz hat den Klimanotstand ausgerufen. Da kann man nicht die letzten grünen Wiesen zubetonieren.

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Hier geht es um Wohnraum

So legitim es ist, wenn Bürger sich zu Wort melden, ihre Meinung sagen, Initiativen gründen: In diesen Fällen ist es unklug. Es geht weder in der Längerbohlstraße noch im Alten Bannweg um ein Großprojekt, es geht nicht um glänzende Bürotürme mit überteuerten Pachtsätzen. Es geht um Wohnungen für Menschen, die nicht viel Einkommen haben: Flüchtlinge sollen dort einziehen und Mitarbeiter der Technischen Betriebe. Menschen eben, die Probleme haben, auf dem teuren Konstanzer Wohnungsmarkt etwas zu finden.

„Nicht in meinem Hinterhof“

Anwohner, die sich gegen Bebauung wehren, gibt es nicht nur hier. Nimbys (“not in my backyard“ – Englisch für: nicht in meinem Hinterhof) treten überall auf, wo gebaut wird. Dass sie in Konstanz nun reihenweise den Klimanotstand als letztes Argument anführen, ist eine bedenkliche Entwicklung. Sie nehmen ihm damit die Schlagkraft, indem sie den Begriff für die eigenen Interessen instrumentalisieren. Es ist zwar das Gebot der Stunde, mit großen Naturflächen sehr sorgsam umzugehen. Das bedeutet aber nicht, dass man jede innerstädtische Wiesenfläche erhalten kann in einer wachsenden Stadt.

Wer will schon, dass man ihm die Sicht verbaut?

Was den Anwohnern bei ihrem Ärger über die geplante Bebauung abgeht, ist eine Orientierung am Gemeinwohl, nicht am Eigeninteresse. Kein Hausbesitzer findet es schön, wenn ihm die Sicht und die Naherholungsfläche verbaut wird. Aber jeder war irgendwann froh, als er bezahlbaren Wohnraum fand. Es ist in diesem Fall das gute Recht der Stadtverwaltung, das Gemeinwohl durchzusetzen, auch wenn es Anwohnern nicht gefällt. Sensibel sollte sie dabei trotzdem bleiben, gerade, wenn die Anwohner vernünftige und umsetzbare Vorschläge machen.