Am Montag wurde Lukmann Lawall nach Nigeria abgeschoben, er erhielt kein Asyl. Der 33-Jährige arbeitete seit 2016 im Konzil. „Mir fehlen die Worte“, so der Chef der Konzil-Gaststätten, Manfred Hölzl. „Er ist fleißig, aufrichtig, zuverlässig, höflich, ein sehr feiner Mensch mit guten Umgangsformen.“

Die Zukunft vieler Geflüchteter ist unklar

Auch in anderen Unternehmen in Konstanz und Umgebung arbeiten Geflüchtete, deren Zukunft im Land noch unsicher ist. „Erst sollten wir sie einstellen und integrieren und jetzt werden sie abgeschoben“, erbost sich Heiner Fuchs aus Oberdorf, auf dessen Hof ein Mann aus Afghanistan arbeitet – auch er muss mit Abschiebung rechnen.

Lukmann Lawall.
Lukmann Lawall. | Bild: privat

Auf der Insel Mainau arbeiten aktuell 20 Geflüchtete als Auszubildende oder in Festanstellung. „Wir setzen uns schon seit mehreren Jahren dafür ein, eine berufliche Perspektive für Geflüchtete zu schaffen“, so Geschäftsführerin Bettina Gräfin Bernadotte.

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Demo am Montag gegen Abschiebungen

Der Fall Lukmann Lawall sorgt landesweit für Aufsehen, immer mehr Menschen schließen sich dem Protest an, der sich seinen Weg auf die Straßen bahnt: Am Montag, 25. November, findet eine Demonstration der Konzil-Mitarbeiter statt, zu der die gesamte Bevölkerung eingeladen ist. „Wir treffen uns um 18 Uhr vor dem Haupteingang des Konzils, gehen von hier durch die Unterführung und über die Marktstätte in den Rathaushof, wo eine Kundgebung stattfinden wird“, wie Manfred Hölzl erklärt. „Danach geht es wieder zurück zum Konzil.“

Wir stellen weitere Schicksale vor. Geflüchtete Menschen, die sich bei uns integriert haben und trotzdem mit einer Abschiebung rechnen müssen.

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Abid Ali-Foladi aus Afghanistan

„Hier muss niemand Angst haben, getötet zu werden.“ Abid Ali-Foladi.
„Hier muss niemand Angst haben, getötet zu werden.“ Abid Ali-Foladi. | Bild: Oliver Hanser

Frühmorgens in der Backstube im Fuchshof. Abid Ali-Foladi sticht Zimt­sterne aus, schiebt das Blech schließlich in den Ofen. „Ich liebe diese Arbeit“, sagt der Afghane, der vor 29 Jahren in Pakistan geboren ist, weil seine Eltern schon damals auf der Flucht waren. Schon in Pakistan war er Bäcker. Seine Familie gehörte der ethnischen Minderheit der Hazaren an, die brutal verfolgt wurden.

Schwer traumatisiert und in psychologischer Behandlung

Abid Ali-Foladi flüchtete vor vier Jahren vor den Gräueltaten. Noch heute zittert er, wenn er darüber spricht. „Er war schwer traumatisiert und lange in Behandlung deswegen“, berichtet Backstuben-Chefin Lucia Fuchs.

Abid Ali-Foladi (Mitte) im Gespräch mit Lucia Fuchs und SÜDKURIER-Redakteur Andreas Schuler
Abid Ali-Foladi (Mitte) im Gespräch mit Lucia Fuchs und SÜDKURIER-Redakteur Andreas Schuler | Bild: Oliver Hanser

„Die Leute hier sind so freundlich und menschlich“

Im Sommer 2017 stellte sich der 29-Jährige vor und wurde nach kurzem Vorarbeiten eingestellt. Abid Ali-Foladi ist glücklich, in Deutschland zu sein. „Die Leute hier sind so freundlich und menschlich“, sagt er. „Niemand muss Angst haben, getötet zu werden.“ Ob er bleiben darf, ist noch nicht bekannt. Er wartet derzeit auf den Bescheid. „Es wäre so schlimm, wenn ich gehen müsste.“

Hanan Imran aus Pakistan

„Ich liebe Konstanz und die Leute hier.“ Hanan Imran aus Pakistan
„Ich liebe Konstanz und die Leute hier.“ Hanan Imran aus Pakistan | Bild: Oliver Hanser

Der 28. November ist der Tag der Entscheidung für Hanan Imran (23). An diesem Tag nämlich möchte das Gericht entscheiden, ob er in Deutschland bleiben darf oder ob er zurück muss in das Land, in dem er das letzte Mal vor zwölf Jahren war – nach Pakistan.

Schwester vergewaltigt und getötet

Sein Onkel schleuste ihn damals nach Griechenland. Die Familie wurde laut seiner Schilderungen tyrannisiert, die Schwester vergewaltigt und getötet, Bruder und Vater sitzen seit Jahren im Gefängnis und werden gefoltert. Während er erzählt, wird Hanan Imran immer wieder von Weinkrämpfen geplagt. 2014 kam er über Umwege nach Deutschland, seit 2017 ist er in Konstanz und arbeitet im Seegarten Allensbach.

Hanan Imran (links) und Daniel Groß.
Hanan Imran (links) und Daniel Groß. | Bild: Oliver Hanser

Stadtführer Daniel Groß hat sich seiner angenommen, die beiden wohnen in einer WG. „Daniel und seine Familie sind zu meiner Familie geworden“, erklärt Hanan Imran. „Ich habe meine erste Familie verloren. Ich will meine zweite nicht auch noch verlieren.“ In Pakistan sei er verloren, „mir würde der Tod drohen“.

Aschalew Kahssay aus Eritrea

„Meine Heimat ist das Konzil.“ Aschalew Kahssay aus Eritrea
„Meine Heimat ist das Konzil.“ Aschalew Kahssay aus Eritrea | Bild: Oliver Hanser

Aschalew Kahssay hat noch bis März 2020 Ruhe – wenn sich nicht schnell etwas ändert. „Bis dahin läuft meine Aufenthaltserlaubnis“, erklärt er. Die Ungewissheit nagt sichtlich an ihm. „So etwas ist unmenschlich“, sagt sein Chef und Konzilwirt Manfred Hölzl, der ihn seit April 2018 beschäftigt.

Eltern tot, Frau und Kind erkrankt

Der 28-Jährige floh vor der Militärdiktatur in Eritrea. Seine Eltern sind tot, berichtet er. Frau und Kind konnten wegen Erkrankungen 2015 nicht mitkommen nach Deutschland. Zuletzt wohnte die Familie in Äthiopien, wo er auch studierte. Als er nach Eritrea zurück musste, floh er nach Europa. „Meine Tochter hat Malaria, sie liegt im Krankenhaus“, sagt er mit traurigem Blick.

„Das Konzil ist meine Heimat“

„Ich kann nicht zurück, ich würde ins Gefängnis kommen und gefoltert werden. Und sie können nicht hierher.“ In Äthiopien wurde sein Eritreischer Pass einbehalten, sodass er keinen Pass besitzt. „Ich bin nirgendwo zu Hause“, sagt er. „Meine Heimat ist das Konzil, meine Arbeit hier und meine Kollegen. Hier ist mein Leben.“

Mohammed Kahsay aus Eritrea

„Wenn dort Frieden wäre, würde ich zurückkehren.“ Mohammed Kahsay aus Eritrea
„Wenn dort Frieden wäre, würde ich zurückkehren.“ Mohammed Kahsay aus Eritrea | Bild: Oliver Hanser

Mohammed Kahsay mochte Lukmann Lawall sehr. Der abgeschobene Nigerianer war ein Freund des 26-Jährigen. „Jetzt ist er nicht mehr da“, sagt der Eritreer und schüttelt ungläubig den Kopf. Er selbst arbeitet als Küchenhilfe im Konzil. „Ohne diese Menschen würde es nicht gehen“, sagt Konzilwirt Manfred Hölzl.

„Sie arbeiten mehr als sie müssten“

„Sie sind eingearbeitet, wissen genau, was sie machen und arbeiten mehr als sie müssten.“ So auch Mohammed Kahsay. In der Küche wird eine Mischung aus Deutsch und Englisch gesprochen, doch die Sprache der neuen Heimat beherrscht der 26-Jährige immer besser. „Ich versuche, mit den Kollegen auf Deutsch zu reden“, erzählt er. Die Familie ist noch in Eritrea.

Aschalew Kahssay (links), Manfred Hölzl und Mohammed Kahsay aus Eritrea.
Aschalew Kahssay (links), Manfred Hölzl und Mohammed Kahsay aus Eritrea. | Bild: Oliver Hanser

„Wenn dort Frieden wäre, würde ich auch gerne zurückkehren. Doch im Moment ist es zu gefährlich, überall Militär.“ 2014 hat er sie das bis dato letzte Mal gesehen. Danach musste er zum Militär, ehe er 2015 floh. 2017 fing er im Konzil an. Stand heute hat er ein dauerhaftes Bleiberecht.

Yinusa Hammed aus Nigeria

„Lukmann war so gut integriert.“ Yinusa Hammed aus Nigeria mit Tochter Soraya.
„Lukmann war so gut integriert.“ Yinusa Hammed aus Nigeria mit Tochter Soraya. | Bild: Oliver Hanser

Mehr Integration scheint unmöglich: ein leibliches, in Konstanz geborenes Kind, fester Arbeitsplatz, fester Wohnsitz. „Mein ganzes Leben spielt sich seit Jahren in Konstanz ab“, erklärt Yinusa Hammed. „Ich weiß nicht, warum ich immer noch damit rechnen muss, abgeschoben zu werden.“

Der zweite Antrag läuft

Derzeit läuft der zweite Antrag, eine Ablehnung hat er bereits erhalten, sein Anwalt legte Einspruch ein. Tochter Soraya wird bald drei Jahre alt, sie geht in Wollmatingen in den Kindergarten. Mutter Vanessa Scherrer versteht die Welt nicht mehr: „Er kümmert sich super um unsere kleine Tochter. Er erfüllt alle Auflagen, die er bräuchte, um hier zu bleiben“, berichtet sie.

Yinusa Hammed mit Tochter Soraya und Vanessa Scherrer, der Mutter der Kleinen.
Yinusa Hammed mit Tochter Soraya und Vanessa Scherrer, der Mutter der Kleinen. | Bild: Oliver Hanser

„Und trotzdem kämpfen wir seit mehr als drei Jahren um sein Bleiberecht – immer noch ohne Erfolg. Unsere Tochter darf ihren Vater nicht verlieren.“ Yinus Hammed war mit Lukmann Lawall befreundet. Seit er von der Abschiebung erfahren hat, kann er nicht mehr schlafen. „Das ist so fürchterlich, er war so gut integriert.“

Mostafa Hassan aus Syrien

„Wir möchten hier unser Leben behalten.“ Mostafa Hassan aus Syrien.
„Wir möchten hier unser Leben behalten.“ Mostafa Hassan aus Syrien. | Bild: Oliver Hanser

Einmal Schneider, immer Schneider. Mostafa Hassan hat schon in Syrien und im Libanon als Schneider gearbeitet – seit mittlerweile drei Jahren arbeitet er in dem Beruf auf der Mainau sowie in einem Geschäft in der Innenstadt.

Frau und Kinder kamen acht Monate später nach

2015 kam er nach Deutschland, seine Frau und die zwei Kinder folgten acht Monate später. Die Familie wohnt in Litzelstetten, ist dort voll integriert. Die Jungs spielen beim SV Litzelstetten in der Jugend, gehen in dem Vorort und in Konstanz zur Schule, die Ehefrau kocht gerne für Nachbarn und Freunde syrische Gerichte. „Gräfin Bettina hat mir so sehr geholfen“, sagt Mostafa Hassan.

Mostafa Hassan und seine Chefin Frau Richter in der Wäscherei der Mainau.
Mostafa Hassan und seine Chefin Frau Richter in der Wäscherei der Mainau. | Bild: Oliver Hanser

Sein Traum ist ein eigenes Textilgeschäft in der Innenstadt – so wie er es in Aleppo hatte, bevor er vor dem Terror des IS flüchtete. Sein Bleiberecht läuft noch bis Juni 2022. Danach? „Ich weiß es nicht. Wir möchten hier unser Leben behalten.“ Mutter und Geschwister leben noch in Aleppo. „Sie möchten nicht, dass wir zurückkommen. Es ist zu gefährlich. Ich vermisse sie sehr.“