Wenn man es ganz genau nimmt, ist es ein Stück Absperrzaun aus Kunststoff, dessetwegen Amer Osman die Nacht wieder kaum schlafen konnte. Dessetwegen der Familienvater an die Insolvenz denkt, wie er sagt. Die Absperrung hat die Stadt aufgestellt, kurz nach der Kreuzung Buhlenweg/Fürstenbergstraße.

Bild 1: Umsatzeinbruch bei Händlern in der Fürstenbergstraße: „Wir sind da – trotz Baustelle!“
Bild: Eva Marie Stegmann

Auf 700 Metern lässt die Stadt Konstanz die wichtige Verkehrsader Fürstenbergstraße aufreißen – und Asphalt, Kanalisation und Gehwege sanieren. Die Stadtwerke mischen ebenfalls mit, erneuern Wasserleitungen, Stromkabel, bringen schnelles Internet via Glasfaser.

Das könnte Sie auch interessieren

Wäre da nicht der Absperrzaun aus Plastik

Amer Osman hat damit nicht viel zu tun, eigentlich. Er betreibt in der Fürstenbergstraße seinen Pizza-Service Sindbad. Die Baustelle endet 50 Meter vor seinem Geschäft. Auch beim zweiten Bauabschnitt ab November bleiben die Bagger fern von Osmans Laden. Wie gesagt, er hat nicht viel mit den Arbeiten zu tun. Wäre da nicht der Absperrzaun aus Plastik.

Amer Oman, Inhaber des Sindbad Pizza Lieferservice in der Fürstenbergstraße.
Amer Oman, Inhaber des Sindbad Pizza Lieferservice in der Fürstenbergstraße. | Bild: Eva Marie Stegmann

Zaun soll Autofahrer abhalten

Der Zaun steht mehrere hundert Meter vor der Baustelle. Er soll verhindern, dass Autofahrer in die Straße hineinfahren, feststellen, dass es nicht weitergeht – und wenden, sagt die Stadt. Das funktioniert. Nebeneffekt: Die Lauf- und Selbstabholerkundschaft bei Osman bleibt seit Wochen aus, sagt er. Trotz des Hinweises auf dem Absperrzaun, dass die Zufahrt bis Heroséstraße frei sei. „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Wenn das nicht aufhört, ist der nächste Schritt die Privatinsolvenz“, sagt er.

„Ich muss Lebensmittel wegwerfen“

Amer Osman, ein stämmiger Mann, der seit fünf Jahren in Fürstenberg Pizza backt und Salate zubereitet, wirkt nicht wie jemand, der übertreibt. „Das Problem ist, dass meine Ware verderblich ist. Ich muss Lebensmittel wegwerfen. Ich habe pro Tag bis zu 65 Prozent weniger Umsatz.“

Dankbar für Wollmatinger und Fürstenberger Kunden

„Nur dank der Leute, die hier in der Umgebung wohnen, verkaufe ich etwas“, sagt er. Die Menschen seien sehr nett und er dankbar. Aber es reiche nicht. „Ich verstehe nicht, warum genau hier die Sperrung steht, obwohl die Baustelle woanders ist“, sagt er.

Bild 3: Umsatzeinbruch bei Händlern in der Fürstenbergstraße: „Wir sind da – trotz Baustelle!“
Bild: Eva Marie Stegmann

Auf SÜDKURIER-Anfrage erklärt die Stadt, dass nicht nur verhindert werden soll, dass Autofahrer in die Straße fahren und wenden. Sondern auch, dass sie Schleichwege durch das Wohngebiet fahren. „Die Umfahrung über Buhlenweg/Schwaketenstraße ist zwar auch nicht optimal“, räumt ein Sprecher der Stadt ein, „aber dennoch einiges leistungsfähiger als durch das Wohnquartier. Aus diesem Grund wird schon ab der Kreuzung an der Elberfeldbrücke auf die Sperrung hingewiesen – alsbald auch mit dem Hinweis, dass die Geschäfte erreichbar sind.“

Jürgen Spedt vor seinem Kiosk in der Fürstenbergstraße.
Jürgen Spedt vor seinem Kiosk in der Fürstenbergstraße. | Bild: Eva Marie Stegmann

Es ist ein Hinweis, auf den die Inhaber der Läden in der Fürstenbergstraße seit Wochen warten. Denn nicht nur bei Amer Osman bleiben die Kunden aus.

„Ich lebe auch von der Bushaltestelle.“

Am Anfang der Straße, unweit der kleinen Absperrschranke, steht Jürgen Spedt vor einem Regal voller Zigarettenpackungen. Links warten Croissants und Brötchen auf hungrige Interessenten und Zeitungen auf Leser. Seit zwei Jahren betreibt Jürgen Spedt seinen Kiosk. „Ich lebe von der Laufkundschaft und der Bushaltestelle. Von den Leuten, die sich hier Kaffee und Zigaretten holen, wenn sie aus dem Bus steigen – oder auf ihn warten.“

Wie wäre es mit einer Initiative, um die lokalen Händler zu unterstützen?

Spedt tritt hinaus auf die Straße, deutet mit dem Arm in Richtung Kreuzung. „Aber die Bushaltestelle wurde verlegt, wegen der Baustelle.“ Er verstehe ja, dass die Straße gemacht werden müsse. Aber könnte die Stadt nicht wenigstens die Schilder endlich aufhängen. Den Leuten klarmachen, dass man in die Straße hineinfahren und sogar sehr gut parken kann. „Auf der Webseite zum Beispiel, im Amtsblatt.“ Wie wäre es mit einer Initiative, um die lokalen Händler zu unterstützen?

Bild 5: Umsatzeinbruch bei Händlern in der Fürstenbergstraße: „Wir sind da – trotz Baustelle!“
Bild: Eva Marie Stegmann

Kollektives Leid unter ausbleibender Kundschaft

Spedt blickt kurz ins Nirgendwo. Eine junge Frau läuft vorbei, in der Hand zwei Pizzaschachteln. Spedt begrüßt sie, sie kennen sich, dann deutet er auf die Pizzakartons und hebt den rechten Daumen. „Toll, dass man sich hier gegenseitig unterstützt!“ Ob Pizza-Verkäufer, ob Optiker, Friseur, ob Möbelhaus, Bioladen, Elektrogeschäft oder Reinigung. Die Geschäfte und Einzelhändler leiden kollektiv unter der ausbleibenden Kundschaft. Manche mehr, wie Amer Osman, manche weniger, wie die Apotheke, die dank Corona noch ganz gut frequentiert ist, oder die Eisdiele von Valentin Laski. „Unsere Saison kommt erst noch, wir haben vor einer Woche geöffnet. Manche Kunden finden die Ruhe gut“, sagt er.

Valentin Laski (rechts) mit seinem Mitarbeiter im Eisladen.
Valentin Laski (rechts) mit seinem Mitarbeiter im Eisladen. | Bild: Eva Marie Stegmann

Jürgen Spedt schätzt: „Bisher sind es bei mir täglich 25 Prozent weniger Umsatz.“ Bei der Reinigung nebenan rechnet man mit 15 Prozent. Spedt ärgert sich, dass die Stadt Konstanz versprochen hatte, prominent auf die offenen Geschäfte hinzuweisen und bisher nichts geschehen ist.

Bei der Stadt heißt es, die Schilder seien fertig und sollen bald angebracht werden.

Bild 7: Umsatzeinbruch bei Händlern in der Fürstenbergstraße: „Wir sind da – trotz Baustelle!“
Bild: Eva Marie Stegmann

Beim Möbelgeschäft Fretz unterdessen ist man selbst aktiv geworden. Verkäufer Daniel Marisch sagt: „Als es losging mit der Baustelle im Januar, liefen die Geschäfte holprig. Seitdem wir vorne an der Straße Schilder aufgehängt haben und auf unserer Webseite auf die Umleitung hinweisen, geht es.“