Das Industriegelände in Petershausen, zwischen Bücklestraße und Bahngleisen: Es hätte viel zu erzählen, was sich dort in den zurückliegenden Jahrzehnten getan hat. In den 50er-Jahren wurden dort Geräte für die Beleuchtung von Eisenbahnwaggons gefertigt. Später kaufte das Gelände der Radiogeräte-Hersteller Telefunken. Es folgten AEG und Eletrocom. Seit dem Umzug von Siemens im Jahr 2017 stehen die Gebäude leer.
Ab 2021 soll sich das ändern
Dann rollen die Bagger an im Auftrag des Vorarlberger Unternehmens i+R, das das Gelände für rund 30 Millionen Euro gekauft haben soll. Die Planungen schreiten voran, und ein Knackpunkt wird mit jeder Etappe deutlicher: Diese Investition soll sich auch rechnen. Schließlich ist i+R keine städtische Wohnungsbaugesellschaft oder ein Bauverein, sondern ein Bauunternehmen. Sprich: i+R muss sich ganz genau anschauen, ob Aufwand und Ertrag wirtschaftlich in vertretbarem und lukrativem Verhältnis stehen – gleichzeitig aber auch den Vorgaben nachkommen, die die Stadt und der Gemeinderat über den Bebauungsplan machen wollen.
Sichtbar wurde dieser Spagat in der jüngsten Sitzung des Gestaltungsbeirates, dem Expertengremium bestehend aus Architekten, Stadtplanern, Landschaftsarchitekten und Vertretern des Gemeinderats.
Diskutiert wurden vor allem zwei Punkte: Die Dimension der Gebäude und der Anteil der Grünfläche
Dabei ist wie bei anderen Bauprojekten in der Stadt die Krux: Mehr Grünfläche bedeutet weniger Wohnungen, die sich gewinnbringend verkaufen lassen. Das wirkt sich letztlich entweder auf den Kauf- und letztlich Mietpreis der Wohnungen aus – oder auf die Höhe der Gebäude. Zumal der Investor das Gelände ohnehin nicht komplett neu bebauen kann, da einige Gebäude denkmalgeschützt sind.
Bis zu zwölf Geschosse sind angedacht
Der nun entwickelte Entwurf für das neue Quartier, hält die Stadtverwaltung in den Sitzungsunterlagen fest, erreiche "eine Größenordnung, die sowohl aus Gründen einer funktionierenden Nachbarschaft, wie auch im Verhältnis zu den verbleibenden Freiflächen nicht weiter ausgereizt werden sollte." Das betreffe nicht nur die Baumasse, sondern auch die Höhenentwicklung.
Bis zu zwölf Geschosse könnten die höchsten Wohngebäude laut den ersten Entwürfen haben und wären damit rund 30 Meter hoch, wenn man von einer Deckenhöhe von 2,50 Meter ausgeht. Ab neun Geschossen gilt ein Gebäude als Hochhaus.
Geplant sind rund 600 Wohnungen, darunter Miet- und Eigentumswohnungen, auch im geförderten Bereich.
Im Beirat stießen zwölf mögliche Geschosse vor allem bei Stadtrat Alfred Reichle (SPD) auf Kritik:
"Je höher die Gebäude, desto weniger Nachbarschaft. Es ist nicht der richtige Weg für Konstanz, überall solche Blöcke hinzustellen. Wir sind keine Großstadt".
Auf der anderen Seite gibt es nicht zuletzt auch in der Diskussion um den Hafner Stimmen, die Hochhäusern durchaus Vorteile abgewinnen können. Zumal Grundstücke gerade in Konstanz kostbar sind und der geringere Flächenverbrauch eines Hochhauses eben dem Wunsch nach mehr Grünfläche entgegen kommt. Mindestens 20 Prozent des Siemensareal-Grundstücks sollen grün sein, das war so bereits im städtebaulichen Wettbewerb festgeschrieben. i+R bewegt sich in den derzeitigen Entwürfen bei etwa 30 Prozent.
Die Stadt will einen kleinen Park in Richtung Chérisy
Dennoch gab es leichte Kritik: Vor allem von der öffentlich zugänglichen Grünfläche will die Stadt mehr sehen, als bislang im Entwurf angedacht ist. Peter Müller-Neff von der Freien Grünen Liste verwies auf die Wohnblöcke am Petershauser Bahnhof. Eine Fläche, "die intensiv bebaut worden ist und die grünen Innenhöfe der Wohnanlagen sind nicht öffentlich zugänglich". Dieser Fehler, so Müller-Neff, sollte beim Siemensareal nicht wiederholt werden. Denkbar wäre etwa eine parkähnliche Anlage in Richtung Chérisy.
Wobei auch Peter Müller-Neff noch einmal deutlich machte, dass ihm das Spannungsfeld zwischen Rendite und den Idealvorstellungen der Stadt durchaus bewusst sei. Und so bleibt auch Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn im Gestaltungsbeirat unverbindlich: "Ein zusammenhängender grüner Bereich – das wäre toll, wenn wir das hinbekommen."
Die Stadt hätte es schließlich in der Hand gehabt, den Stadtteil ganz nach ihrer eigenen Vorstellung zu kreieren. Weil die Verhandlungsführer im Rathaus die Gebotsschlacht nicht mehr mitgehen wollten, stiegen sie aus. Der von Gutachtern errechnete Verkehrswert für das Siemensareal lag bei 24 Millionen Euro. Wobei die Frage berechtigt gewesen wäre, inwieweit Stadtverwaltung und Wobak neben dem noch größeren Baugebiet Hafner zusätzlich das Siemensareal hätten stemmen können. Ressourcen auch in kommunalen Ämtern und Firmen sind endlich.