Zurück bleibt ein seltsamer Eindruck: dass das Geschäft mit Sex gegen Geld inmitten der Konstanzer Altstadt weitaus mehr blühte, als es im Saal des Amtsgerichts den Anschein machte; dass es die Angeklagte aus dem Hegau beharrlich mit einer ausgeklügelten Struktur betrieben hat; dass sie die Mitarbeiterinnen in ihrem zwielichtigen Massagesalon doch in einem wie auch immer gestalteten Abhängigkeitsverhältnis gehalten hat; dass die Dienstleisterinnen logen, um einander und vor allem ihre Chefin zu decken.
Der Eindruck und Vermutungen helfen nicht weiter. Im Zweifel für den Angeklagten. Weil Beweise fehlten, hat Richterin Christine Kaiser die Angeklagte lediglich wegen der Beihilfe zur Prostitution in drei Fällen zu einer Gelstrafe von 4500 Euro verurteilt. Eine Ausbeutung von Prostituieren war nicht belegt.
Es war ein mehrtägiger Prozess, bei dem vieles nicht zusammenpasste. Bei dem wohl so wenig wie möglich von den Machenschaften an die Öffentlichkeit dringen sollte. Traditionelle chinesische Massagen hat es in dem Salon in der Konstanzer Altstadt gegeben, daran hatte niemand gezweifelt. Nach Abschluss der Beweisaufnahme war für das Gericht klar: Wer wollte, konnte Zusatzleistungen buchen.
Eine stimulierende Behandlung mit dem Oberkörper der Masseurin, eine manuelle Feinmassage mit entspannendem Ende, Oralsex – über Mund-zu-Mund-Propaganda hat sich dieser etwas andere Salon im Konstanzer Sperrbezirk vor allem jenseits der Grenze rumgesprochen, sagte Richterin Christine Kaiser in ihrem Urteil. Die Schweizer Nachbarn genossen wohl die Atmosphäre in den mit Doppelbetten ausgestatten Zimmern. Auf den Nachttischen seien Utensilien gelegen, die ein Polizist eher in einem einschlägigen Etablissement erwartet hätte.
Die Richterin stützte ihre Schlüsse auf Aussagen von verdeckten Ermittlern, die sich im Massagesalon als Kunden ausgaben und zweideutige Angebote erhielten. Zudem berichteten zwei Zeugen, wie sie eine Feinmassage und eine sinnliche Körpermassage erhalten sollten, hätte da nicht die Polizei mit ihren Hausdurchsuchungen ein jähes Ende gesetzt. Nachbarn sprachen ebenfalls von eindeutigen Beobachtungen. Der Erkenntisgewinn durch die Angaben ehemaliger Mitarbeiterinnen war für die Richterin gering: Mit vielleicht einer Ausnahme "haben die uns angelogen". Die Zeuginnen, deren Worte eine Dolmetscherin aus dem Chinesischen übersetzte, wollten alle nur ganz normale chinesische Massagen angeboten haben. Auch wenn Ermittlungen und bereits gesühnte Vergehen wegen Sexangeboten im Sperrbezirk anderes zeigten, und die Internetseite des Massagesalons lange anpries, der Genitalbereich könne, müsse aber nicht ausgespart bleiben.
Die Aussagen der Zeuginnen belegten aus Sicht der Richterin nicht eine Ausbeutung von Prostituierten. Hierfür hätte die Angeklagte sie in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken, sie in wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit halten müssen. Ledliglich Anhaltspunkte hat Christine Kaiser gesehen, indem die Mitarbeiterinnen das eingenommene Geld der Angeklagten hätten aushändigen müssen, indem das Personal häufig gewechselt habe, nur wochenweise arbeitete und es von ein bis zwei Stunden Massage am Tag zu einem Stundensatz von 8,50 Euro gelebt haben wollte. Und weshalb gab es von Masseurinnen blanko unterschriebene Stundenzettel? Hier "bestehen eventuell Strukturen, die wir nicht kennen", sagte Christine Kaiser. In diesem Verfahren sei nur an der Oberfläche dieses Geschäftsmodells gekratzt worden.
Somit musste auch der Staatsanwalt seinen Vorwurf aus der Anklage zurückziehen, obwohl er nach wie vor von einer Ausbeutung überzeugt war, wie er im Plädoyer sagte. Er sah aber die Beihilfe zur Prostitution in, zumindest, drei Fällen gegeben. Die 45-Jährige habe den Mitarbeiterinnen die Wohnung, in der die Massagepraxis untergebracht war, als Unterkunft und Arbeitsstelle zur Verfügung gestellt. Sie habe die Geschäfte koordiniert, Kunden den Masseurinnen zugewiesen, Männern Zusatzangebote unterbreitet und zugelassen. Das sah Richterin Christine Kaiser ebenfalls so. Auch wenn der Nachweis vollendeter sexueller Handlungen fehlte, Angebote mit geleisteter Zahlung reichten für eine Verurteilung aus. Verteidiger Rudy Haenel schloss sich dem Staatsanwalts weitgehend an, wollte allerdings nur zwei Vergehen anerkennen. Er sprach, sofern sich das so ausdrücken lasse, von einer "sanften Prostitution". Um Geschlechtsverkehr sei es nicht gegangen. Seine Mandantin schwieg bis zuletzt. Selbst als Richterin Christine Kaiser die Strafe von 90 Tagessätzen zu 50 Euro nannte und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegte, nahm sie das regungslos hin. Ihr Massagesalon schien sich gelohnt zu haben. Bei den Razzien fand die Polizei erhebliche Mengen Bargeld bei der 45-Jährigen. Sie hat wieder ein Geschäft. Massagen bietet sie nicht mehr an.
Recht und Strafe
Bei der Verhandlung standen zwei Paragrafen des Strafgesetzbuchs im Mittelpunkt. Der Paragraf 180 behandelt das Strafmaß bei einer Ausbeutung von Prostituierten, bei Aufforderung und Ausübens von Druck sowie bei Förderung von Prostitution von Minderjährigen. Er gilt seit 2002. Seitdem ist Sex gegen Geld anerkannt und er soll Prostituierte schützen. Möglich ist eine Strafe von bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe. Der Paragraf 184 f droht mit einer Haftstrafe von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe für diejenigen, die trotz Verbots in einem Sperrgebiet beharrlich Prostitution unterstützen. Nach diesem Paragrafen, der das öffentliche Interesse schützt, ist die 45-jährige Angeklagte nun vom Amtsgericht Konstanz bestraft worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.