Konstanz braucht Wohnraum – und das dringend. Darin sind sich zahlreiche Bürger auf Wohnungssuche und die Verantwortlichen der Stadtverwaltung Konstanz einig. Wenn es aber nach der Initiative „Grünes Horn“ geht, sollte dieser Platz für Wohnraum aber nicht auf der Christiani-Wiesen in der Nähe des Strandbads Hörnle entstehen.
Gegen die Entwicklung des Baugebiets hat die Initiative, bestehend aus Nabu, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Fridays for Future, der Bürgergemeinschaft Allmannsdorf/Staad und der Bürgergemeinschaft Petershausen nun dem Landtag Baden-Württemberg eine Petition vorgelegt. Die Verantwortlichen möchten sich hierbei für „Klimaschutz jetzt und hier“, „keine Bebauung der Christiani-Wiesen und „keine Verdichtung und Verbauung im Landschaftsschutzgebiet“ stark machen.
Vollständiger Erhalt des „Grünen Horns“
Die Unterzeichner der Petition sprechen sich außerdem für einen vollständigen Erhalt des „Grünen Horns“ in Konstanz, sowie gegen jede weitere Verbauung an der Konstanzer Bucht aus, wie es auf dem Papier heißt.
Das Gebiet Horn bildet den naturnahen, östlichen Siedlungsrand der Stadt Konstanz. Es erstreckt sich südöstlich des Lorettowaldes bis zum Ufer des Sees. Es sei laut der Petition das meistgenutzte Freizeit- und Naherholungsgebiet der Stadt. Der Lorettowald und das Hörnle seien die Reste einer „historisch einmaligen Kulturlandschaft“. Die als Blumenanbaufläche genutzte Christiani-Wiesen sei Teil eines Grüngürtels.
„Die Folgen der baulichen Verdichtung für die Umwelt, für den Landschaftscharakter und den Erholungswert des ‚Hörnle‘ werden gravierend sein“, heißt es in der Petition. So schwäche die Versiegelung des Gebiets die „grüne Lunge für das Stadtklima“, beeinträchtige die Erholungsfunktion, zerstöre die „Biotopvernetzung zwischen Seeufer und Lorettowald“, verschlechtere das Lokalklima durch eine Verminderung des Luftaustauschs und erhöhe das Verkehrsaufkommen und damit den Stellplatzbedarf.
In den nächsten Jahren sei in Konstanz bereits in Form von Döbele, Siemensareal und Hafner Wohnraum für ungefähr 20.000 Menschen geplant. Dies seien alles Gebiete innerhalb der bebaubaren Flächen des Flächennutzungsplans von 2010.
Nicht so die Freiflächen im Gebiet Horn, die explizit nicht für den Städtebau vorgesehen seien. „Die Rechtfertigung der Verwaltung, die Christiani-Wiesen als wissenschaftlich begleitendes Modellquartier ‚Zukunftsstadt Konstanz‘ zu planen, ist am Horn aus städtebaulicher und landschaftsschützender Sicht nicht nachvollziehbar“, heißt von der Initiative „Grünes Horn“ abschließend.
Architekt: „Alles andere als maßvoll und moderat“
Raimund Blödt, Architekt aus Konstanz-Petershausen, unterstützt die Petition. „Im Handlungsprogramm Wohnen ist von einer maßvollen und moderaten Nachverdichtung die Rede,“ sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Doch das ist alles andere als maßvoll und moderat.“ Das Bauvorhaben passe nicht zum Musikerviertel, der Maßstab stimme dort nicht und nicht alle Punkte vom Handlungsprogramm Wohnen seien eingehalten.
Grundsätzliches halte er ein Modellprojekt als solches für eine gute Sache, nur eben nicht an diesem Ort. Seine Meinung: „Seenahe Gebiete sollten eh nicht mehr bebaut werden.“ So vollziehe sich am Bodensee ein ohnehin bereits Siedlungswandel: Es werde nicht mehr ins Hinterland, sondern immer öfter parallel zum Ufer gebaut. Der Architekt hält das für keine gute Entwicklung.
Er kritisiert außerdem, dass die Stadt nun dort erweitert werden soll, obwohl Grund- und Nahversorgung nicht gegeben seien. „Dabei gibt es genügend entwickelte Flächen, es gibt genug Baulandreserven“, ist sich der ehemalige Professor an der HTWG sicher. „Die Stadt kommt nur nicht in die Gänge.“ Das Horn vertrage keine Nachverdichtung und sei ein wichtiges Naherholungsgebiet. In diesem Bereich habe Konstanz ohnehin bereits ein Defizit, und nun würden die übrigen Flächen nach und nach bebaut.
Stadtverwaltung erteilt Petition eine Absage
Laut der Stadtverwaltung Konstanz habe man dem Ministerium für Landesentwicklung Wohnen und dem Regierungspräsidium den Bericht zur Petition zukommen lassen – und erteilt dieser eine Absage. Der Petition könne aus mehreren Gründen nicht abgeholfen werden, so die Verwaltung.
„Die Fläche ist Teil des Handlungsprogramm Wohnen“, gibt Mandy Krüger, Pressesprecherin der Stadtverwaltung, auf SÜDKURIER-Nachfrage hin an. „Der kurzfristige Wohnungsflächenbedarf, der sich aus der Wohnungsbedarfsprognose 2035 und der Bevölkerungsvorausrechnung 2040 ergibt, kann mit den vorhanden Reserveflächen im Flächennutzungsplan nicht gedeckt werden.“ Das Bebauungsplanverfahren sei unter keinen Aspekten zu beanstanden, es werde im Regelverfahren mitsamt Umweltbericht und Eingriffs- sowie Ausgleichbilanzierung durchgeführt, so die Verwaltung weiter.
Das Modellquartier sei das „Reallabor der Zukunftsstadt“. „Die Planung entspricht einer flächeneffizienten Quartiersgestaltung unter hohen energetischen, ökologischen und sozialen Qualitätsstandards entsprechend der Leitlinie ‚Smart wachsen: Qualität statt Quadratmeter‘“, so Mandy Krüger weiter. Das Planungsverfahren finde unter Beteiligung von Bürgern, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Forschung statt. Die Eingriffe in das dortige Ökosystem würden durch Kompensationsmaßnahmen im Gebiet selbst und außerhalb ausgeglichen.
Dem Technischen- und Umweltausschuss soll der Bebauungsplan „Am Horn“ schon bald, genauer Anfang 2022, bereits zur Billigung und Offenlage vorgelegt werden.