Eigentlich war alles angerichtet: In diesen Tagen wollte die Universität Konstanz ihr A-Gebäude wieder beziehen, die Studierenden freuten sich auf frisch renovierte Hörsäle. Die böse Überraschung kam dann Anfang September, wenige Wochen vor Semesterstart. Der Bauherr, Vermögen und Bau Baden-Württemberg, teilte mit: Der Eröffnungstermin sei geplatzt, der Einzug werde auf das Frühjahr 2025 verschoben. Plötzlich musste die Uni für 90 Lehrveranstaltungen einen neuen Raum suchen, kurzfristig Termine verschieben – einige Vorlesungen finden jetzt nur noch online statt. Hätten die Verantwortlichen früher reagieren müssen?
Seit April 2023 werden große Teile des A-Gebäudes der Uni Konstanz umgebaut. In dem Gebäude befinden sich neben dem Foyer fünf Hörsäle – darunter der größte, das Audimax mit 700 Plätzen. Neben 90 geplanten Vorlesungen und Seminaren wollte die Universität die Räume für Veranstaltungen wie das Studium Generale nutzen, die sich auch an die Konstanzer richten. Doch nun konnte der Einzugstermin zum Semesterstart nicht eingehalten werden.
Wechsel führt zu Verzögerungen
Ende Juli gab es erste Anzeichen für Probleme, erzählt Tilo Prautzsch, Leiter des Facility Managements. „Doch wir sind davon ausgegangen, dass wir selbst im schlimmsten Fall Ende Oktober eröffnen können“, sagt er. Ursache war eine Baufirma, die ihre Fristen nicht einhielt, wie Vermögen und Bau schreibt. Zunächst wollte die Behörde die Firma durch Verwarnungen und Kündigungsdrohungen unter Druck setzen – doch diese Maßnahmen blieben erfolglos. Im August entschied sich das Amt für einen drastischen Schritt: Der Firma wurde gekündigt. Während sich diese noch wehrte, musste schnell ein Nachfolger gefunden werden. Inzwischen habe man zwar ein „bekanntes Unternehmen unter Vertrag, welches für seine termingerechte Arbeit bekannt ist“ – der Wechsel habe aber zu „massiven Verzögerungen“ geführt.
Konnte man diese Probleme nicht früher absehen? Die Uni-Leitung möchte der Behörde – mit der sie auch bei weiteren Projekten zusammenarbeiten wird – keinen Vorwurf machen. „Wir sprechen natürlich mit Vermögen und Bau über diese Frage, aber der Schwarze Peter liegt eindeutig bei der Baufirma“, sagt Rüdiger Wilhelmi, Prorektor für Lehre. Die Uni-Rektorin, Katharina Holzinger, fügt hinzu: „Es ist im Grunde ein Problem öffentlicher Verwaltung: Da musste rasch eine Firma gekündigt werden, die sich schlicht geweigert hat. Das scheint dem regelgebundenen Staat schwer zu fallen.“
Das Amt kämpfe auch mit Personalmangel und branchenüblichen Problemen. Wie kam es aber zu den Verzögerungen von über einem halben Jahr? Die weiteren Schritte seien auf die Arbeit der betroffenen Firma angewiesen, erklärt Tilo Prautzsch. „In zwei Hörsälen werden zum Beispiel zwei große LED-Leinwände verbaut: Die macht man natürlich nicht rein, bevor der Boden nicht fertig ist.“
„Ich sehe mich noch, wie ich beim Empfang der Nachricht im Bus sitze und einen kleinen Wutanfall bekomme“, erzählt Holzinger. Im Juni hatte die Uni bereits die Raumplanung für das Wintersemester abgeschlossen: So musste jetzt in kürzester Zeit eine Lösung für die 90 Lehrveranstaltungen gefunden werden. „Das Ergebnis ist natürlich nicht optimal – aber das war schon eine echte Leistung der Mitarbeiter“, sagt Prorektor Rüdiger Wilhelmi.

Im vergangenen Jahr hatte die Universität das Konzil als Ausweichort gemietet, für diese Option war es diesmal zu spät. So verschoben sie die Termine kurzfristig auf spätere Randtermine, reaktivierten einen alten Hörsaal im Sonnenbühl und verlegten Vorlesungen in kleinere Räume. Da könne es auch mal kuschelig werden, sagt Wilhelmi. Doch nicht alles lässt sich intern auffangen. Die Universität eröffnet das Studium Generale nun im Bodenseeforum oder wird für die Prüfungsphase eventuell Räume anmieten – dadurch entstehen Kosten für die Universität. „Das belastet unseren Haushalt, der ohnehin schon angespannt ist“, sagt Rektorin Katharina Holzinger.
Wenig Baufortschritt erkennbar
Der Politik-Student Julian Krämer ist von den Verzögerungen direkt betroffen: Seine VWL-Vorlesung findet nun online und bereits um 8.15 Uhr statt. Ihn stört vor allem die frühe Uhrzeit: „Das ist keine gute Zeit zum Lernen für mich.“ Von den Problemen sei er nicht überrascht gewesen – in den Ferien sei von außen kein großer Baufortschritt erkennbar gewesen.
Wirtschaftsstudent Luca Schröder hatte im letzten Jahr eine Vorlesung im Konzil: „Das ist natürlich ein Umweg, wenn man dann in die Stadt musste.“ In diesem Semester ist keine Veranstaltung betroffen, aber er erzählt von längeren Wegen und Einschränkungen auf dem Campus. Neben ihm steht Andreas Thomas, Jura-Student im siebten Semester – er sieht in den Verzögerungen ein grundlegendes Problem öffentlicher Bauprojekte: „Wenn man nur dem günstigsten Anbieter den Zuschlag gibt, kann das eben daraus folgen.“
Aktuell befindet sich das Amt in einem laufenden Verfahren mit der Firma, daher möchte es den Namen des vermeintlichen Schuldigen nicht nennen. Ob am Ende das Land oder die Firma die zusätzlichen Baukosten bezahlen muss, bleibt abzuwarten. Katharina Holzinger zieht für die Universität das Fazit: „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“