Der Fortschritt ist von außen deutlich sichtbar. Auf dem Dach des ehemaligen Gasthauses am Seerhein ruht eine neue Holzkonstruktion, ein paar Ziegel sind schon platziert. Was sich aber im Inneren abspielt, bleibt den Blicken der Passanten verborgen. Umso schöner, dass die Holzbaufirma Schmäh aus Meersburg, die sich um die Sanierung kümmert, den SÜDKURIER auf eine Tour durch das Haus mitnimmt.
Der Rundgang beginnt vor dem Giebel. Bereits hier können die Experten entscheidende Fakten ablesen. „Schauen Sie sich die Breite der Holzbalken an, da gibt es Unterschiede“, sagt Firmeninhaber Sebastian Schmäh. Daran erkennt er, dass der untere Teil des Hauses jünger ist als der obere.

„Im alten Giebel, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts errichtet wurde, steckt Qualität“, so Schmäh. Er wird später mit einer Wandscheibe aus unbehandelter Douglasie versehen und so vor Witterung geschützt. Jeder Schritt muss mit der Denkmalpflege abgesprochen werden, schließlich gilt das ehemalige Restaurant als Kulturgut.

Dass das krumme Gebäude nicht aus einem Guss entstand, können die Fachleute aber nicht nur an der Breite der Holzbalken ablesen. Das Haus verrät noch einiges mehr. So deutet Sebastian Schmäh auf die Fenster und sagt: „Im Erdgeschoss sind Einfassungen aus Kunststein und seltener aus Sandstein zu sehen, während die Rahmen im Obergeschoss aus Holz sind.“

Dies lässt darauf schließen, dass die untere Haushälfte am Ende des 19. Jahrhunderts erneuert wurde. Das passt zu einem Fund, den die Zimmerleute im Erdgeschoss machten. Sebastian Schmäh betritt das Haus und geht nach links in den großen Raum. Auf dem Boden ist ein Loch zu sehen, daneben liegt eine gusseiserne Säule.

„Bei den Modernisierungsarbeiten um 1890 wurde wahrscheinlich auch diese Stütze eingebaut“, vermutet Schmäh. Sie liegt nur deshalb auf dem Boden, weil sie ein neues Fundament bekommt. Anschließend wird sie behutsam gesäubert und wieder eingebaut.
In diesem Raum durfte die Holzbaufirma neuere Einbauten entfernen, sie sind nicht denkmalgeschützt. Die Decke wird wieder geschlossen, der Boden vielleicht mit Klinkersteinen versehen. Hier wird auch ein neues Eingangstor für die künftige Nutzung eingebaut.

Denn aus dem alten Gasthaus wird zunächst ein hübsch herausgeputzter Fahrradschuppen. Früher hatten in dem Häuschen auch Menschen gewohnt, doch das ist laut Bebauungsplan im Gewerbegebiet Billenweiher I nicht mehr erlaubt.
Sebastian Schmäh verlässt das Erdgeschoss, steigt die steilen Treppenstufen hoch und landet im Herzstück des Häuschens. Hier oben befanden sich die früheren Gasträume, ein kleiner und ein größerer, getrennt durch eine Wand. „Wir haben zunächst vermutet, dass die Wand später eingebaut wurde“, so Schmäh. „Es gab bereits die Überlegung, sie herauszunehmen. Doch dann hat sich an der Konstruktion gezeigt, dass sie historisch ist.“

Als Zeitzeugin kann vielleicht auch ein kleines Stück Zeitung gelten, das aus der Wand hervorguckt. „Alte Zeitungen wurden früher öfter als Untertapete verwendet“, erklärt der Fachmann, bevor er eine weitere Holztreppe emporsteigt. Dort oben, im Dachstuhl, verrät das Häuschen noch mehr über seine Geschichte.
Einen offensichtlichen Hinweis gibt die Inschrift auf einer Holzwand: „Renovirt 1860. JB“, ist dort in schnörkeliger Schrift zu lesen. Er und sein Team können aber auch verstecktere Hinweise deuten. Der Firmeninhaber zeigt auf die vielen Dachbalken.

„Anhand der Art, wie sie miteinander verzahnt wurden, kann man das Alter erkennen“, erläutert er und schwärmt für die Qualität der damaligen Handwerker. Doch im Laufe der Zeit nagte Feuchtigkeit am Gebälk. „Die Dachkonstruktion war teilweise einsturzgefährdet, die Sanierung also höchste Zeit“, so Schmäh.
Wo sein Team Hand anlegte, ist anhand der hellen, neuen Holzbalken unschwer zu erkennen. „Wir verbinden sie mit Holznägeln, wie es früher üblich war“, erläutert der Fachmann. Ihm ist nicht nur denkmalgerechtes Sanieren wichtig, sondern auch die Vermittlung alter Handwerkskunst an den Nachwuchs.

Rückbesinnung auf alte Techniken
„Viele alte Techniken werden heute kaum noch verwendet, aber wir besinnen uns auf sie zurück und übersetzen sie ins Moderne“, sagt Sebastian Schmäh. Die nächste Generation Zimmerleute sei sehr interessiert daran. Sein Baustellenleiter Björn Lörcher ergänzt: „Ich finde es sehr spannend zu sehen, wie die Handwerker vor 200 bis 300 Jahren gearbeitet haben, das war tolle Qualität.“

Die zeigt sich auch auf dem Dach des ehemaligen Gasthauses. Über 40 Prozent der historischen Ziegel konnten erhalten werden. „Das sind Handstrich-Biberschwanz-Ziegel“, sagt Björn Lörcher und zeigt auf die senkrecht verlaufenden Rillen. „Die sollen so aussehen, als seien sie mit der Hand aufgebracht worden, aber wahrscheinlich gab es dazu eine Schablone.“
Mit den 150 bis 200 Jahre alten Ziegeln wird das Dach in Richtung Asisi-Panorama eingedeckt, aufgefüllt mit weiteren historischen Exemplaren, die die Zimmerleute bei anderen Baustellen geborgen haben. Das Dach in Richtung Bürokomplex von Meichle und Mohr erhält neue Ziegel, die den alten nachgeahmt werden.

„Wir haben einen Familienbetrieb in Bayern beauftragt, der für uns Ziegel namens Bodenseebund herstellt und sich an historische Prozesse anlehnt“, sagt Sebastian Schmäh. Dazu gehört, dass die Ziegel, die bei 1100 Grad Celsius gebrannt werden, leicht unterschiedliche Rot-Braun-Töne erhalten.
Der Firmeninhaber freut sich sehr, dass das baufällige Haus deutliche Fortschritte macht. Es steht im Kontrast zu dem großen modernen Bürokomplex sowie zu weiteren Bauwerken in der Umgebung: Asisi-Panorama, Fernbusbahnhof, Parkhaus, Schänzlebrücke. „Schön, dass dieses kleine Denkmal zwischen den Großkomplexen erhalten bleibt“, sagt Schmäh.