Was ist der Lorettowald für die Konstanzer? Ein großer, mit Laubbäumen bestückter Park mit hohem Erholungswert? Oder ein Naturbiotop, das vom Klimawandel stark beschädigt ist und das man deshalb vor dem Zugriff der Öffentlichkeit retten muss? Vielleicht von beidem ein bisschen. Im Spitalausschuss war der Umgang mit dem von den Konstanzern so geschätzten Waldstück nochmals ausführlich Thema.
Försterin Irmgard Weishaupt stellt das Problem in knappen Worten dar, über das der Spitalausschuss seit November 2023 mehrfach diskutiert hatte. „Wir reden hier über die Klimakrise und die Folgen der Klimakrise“, sagt sie im Spitalausschuss. Die Sommertemperatur sei seit 1960 um fünf Grad im Mittel gestiegen, „damit müssen die Bäume klarkommen“. Die Niederschläge seien in etwa gleich geblieben, doch anders verteilt und genau das macht Probleme: Der Wald braucht die Niederschläge im Sommer während der Wachstumsperiode, die inzwischen sechs Wochen länger andauere als zuvor, nicht so sehr im Winter.
Da der Bestand des Lorettowaldes in keinem guten Zustand ist, schlagen die Spitalstiftung und das Kreisforstamt mehrere Maßnahmen vor. Zum einen gelte es, Spaziergänger vor Gefahren zu schützen. Die Bäume litten so unter Trockenheit, dass sie zum Teil ohne äußere Einwirkung, etwa durch Sturm stürzten, erläutert Weishaupt. Schon deshalb entschied sich die Spitalstiftung dafür, dass viele der Ruhebänke im Lorettowald abgebaut werden müssen. Gut die Hälfte der Bänke hat Irmgard Weishaupt bereits entfernen lassen, allerdings mit dem Versprechen, dass einige an anderer Stelle wieder aufgestellt werden.

Die Spitalstiftung ist als Besitzerin im Lorettowald in der Verkehrssicherungspflicht. Das erläutern Kreisförster Walter Jäger und Andreas Voß, Leiter der Spitalstiftung. Jeder betritt den Wald zwar auf eigene Gefahr. Doch in einem Waldstück, das Verkehrswege und Schilder aufweist und zu Aktivitäten einlädt, sei der Besitzer dennoch in der Pflicht, für Sicherheit zu sorgen. Es gebe Urteile in beide Richtungen, erläutert Walter Jäger.
Ein weiterer Vorschlag der Spitalstiftung: Man könne den Wald auf einer Fläche von sieben Hektar sich selbst überlassen und diesen Bereich sperren. Damit wäre auf dieser Fläche eine Renaturierung möglich und man könne dem gesetzlich vorgeschriebenen Naturschutzaspekt entsprechen. Als dritte Maßnahme nennt Irmgard Weishaupt die aus Sicht des Forstamts bestehende Notwendigkeit, Stellplätze entlang der Jakobstraße zu sperren. Autos, die hier parken, seien akut durch Astbruch gefährdet.
Stadträte sind sich uneins
Die vorgeschlagenen Maßnahmen – ob kurz- oder mittelfristig – kommen bei den Stadträten, wie die folgende Debatte zeigt, sehr unterschiedlich an. Normen Küttner von der Freien Grünen Liste (FGL) begrüßt die Idee, eine Teilfläche des Waldes sich selbst zu überlassen, ausdrücklich. „Der Lorettowald ist kein Park, das muss uns klar sein“, sagt er. Die Stadt Konstanz habe vor fünf Jahren den Klimanotstand ausgerufen. Der Wald sei für das Mikroklima zuständig, eine solche Ökoleistung wie ein Wald könne kein anderes System leisten. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir klimaresiliente Wälder schaffen. Das Konzept, sieben Hektar abzusperren, läuft uns gut rein.“
Marcus Nabholz (CDU) gibt sich den Plänen gegenüber zwiegespalten. „Warum brauchen wir überhaupt Verkehrswege durch den Lorettowald?“ Er sei dafür, alle Verkehrsschilder zu entfernen, die den Eindruck vermittelten, es handele sich um offizielle Wege. Auch die Asphaltdecke der Fontainebleau-Allee könne man gern entfernen. Die Entfernung der Stellplätze in der Jakobstraße leuchtet ihm hingegen weniger ein: „Warum sind die parkenden Autos gefährdet, die auf der Straße fahrenden aber nicht?“
Ewald Weisschedel von den Freien Wählern (FW) wiederum möchte den Wald mit seinem Erholungswert für die Konstanzer erhalten. Er ist nicht einverstanden damit, den Wald für Spaziergänger unattraktiv zu machen. „Fast alle Allmannsdorfer nutzen den Weg durch den Wald“, sagt er. Er wünschte sich, dass die Wege in naher Zukunft gerichtet würden. Und, ergänzt er: „Es wäre schade, wenn die Kinder dort nicht dort spielen könnten.“

Jan Welsch (SPD) sieht vor allem Grund zur Kritik an der Kommunikation, die aus seiner Sicht den Bürger verwirre. Zum einen diskutiere der Ausschuss nun über Maßnahmen, wolle aber noch gar nichts entscheiden. Zum anderen halte man ein Versprechen gegenüber den Bürgern nicht: „Stiftungszweck war eigentlich die Gesundheitsprävention. Jetzt erwecken wir den Eindruck, dass man gar nicht mehr in den Wald soll“, wendet er sich gegen die Vorschläge. „Eher müsste man Entwicklungschancen für den Wald aufzeigen – es ist aber ein Kommunikationsproblem.“ Aus seiner Sicht habe die Öffentlichkeit noch nicht die Chance gehabt, die Brisanz der Lage zu erkennen. Auch Gabriele Weiner von Jungen Forum Konstanz (JFK) weist darauf hin, dass es wichtig sei, das Vorgehen den Bürgern besser zu erklären. Sie hätten bisher wenig Verständnis für die Veränderungen gezeigt.
Lorettowald muss auch Biotop sein dürfen
Anke Schwede von der Linken Liste Konstanz schließt sich der Einschätzung Küttners an, dass es konsequent sei, eine Teilfläche des Waldes zu schützen, wenn man als Stadt den Klimanotstand ausgerufen habe. Dennoch könne sie auch die Sorgen der Senioren verstehen, die die Bänke aus dem Lorettowald vermissen.
Die Räte stimmen an diesem Nachmittag schließlich nur der ersten Ziffer der Beschlussvorlage der Verwaltung zu: Die Beschilderung der Verkehrswege solle zurückgebaut werden. Zudem werde die Verwaltung beauftragt, einen Teil der Bänke an anderer, sicherer Stelle wieder aufzubauen. Dies entspricht einem Antrag der Freien Wähler. Der Beschluss zu allen weiteren Maßnahmen, etwa die Frage, ob Stellplätze in der Jakobstraße entfernt werden und ob der Radverkehr durch den Wald stark reduziert werden soll, wird von den Räten vorerst vertagt.