Als Jochen Rädeker seine Mails am Schmotzigen Dunschtig öffnet, findet er eine Nachricht von den Stadtwerken Konstanz (SWK). Betreff: Wichtige Änderung bei Ihrem s‘Kärtle. Dass diese Mail nicht närrisch ist, sondern gravierende Änderungen enthält, wird ihm schnell klar. Der Rabatt von 45 Prozent auf den Fährpreis bei einer Aufladung von 500 Euro entfällt ersatzlos.

Der Professor der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung zückt sofort den Taschenrechner. „Mit dem bisherigen Rabatt über 45 Prozent und der zukünftigen maximalen Rabattierung von 30 Prozent bedeutet das für mich einen Mehraufwand von mehr als 60 Euro im Monat“, rechnet er aus. Dreimal pro Woche pendelt er von seinem Wohnort im Deggenhausertal an seinen Arbeitsplatz. Mit den neuen Bedingungen entspreche das einer Preissteigerung von 33 Prozent, sagt er.

Jochen Rädeker pendelt mit der Fähre mehrmals die Woche über den See zur Arbeit. Er wohnt im Deggenhausertal. Deshalb hat er die ...
Jochen Rädeker pendelt mit der Fähre mehrmals die Woche über den See zur Arbeit. Er wohnt im Deggenhausertal. Deshalb hat er die Rabattkarte s‘Kärtle. Der Wegfall der hohen Rabattstufe verärgert ihn. | Bild: HTWG Hochschule Konstanz

Die SWK sehen das anders: Von einer Preissteigerung könne man nicht sprechen, antwortet Pressesprecherin Teresa Gärtner auf Anfrage des SÜDKURIER. „Häufige Nutzerinnen und Nutzer von Fähre und Bädern erhalten mit einer Abokarte oder dem Bäderpass die höchsten Rabattierungen. Für einen Radfahrer lohnt sich beispielsweise eine Abokarte bereits ab vier Hin- und Rückfahrten im Monat“, erklärt sie. Insofern handle es sich keineswegs um eine Preissteigerung.

Es gibt rund 60.000 Karteninhaber

Das sieht Jochen Rädeker anders – wie wohl auch weitere der 60.000 s‘Kärtle-Nutzer. „Ich halte das für eine unverschämte versteckte Tariferhöhung, die neben mir sicher auch viele andere, regelmäßige Nutzer der Fähre trifft, und die überhaupt nicht in die Zeit passt, in der Konstanz sich um Klimaneutralität bemüht“, kritisiert er. Der Hochschulprofessor vermutet, dass sich die Fähre für viele Pendler dann nicht mehr rechnet. „Viele werden dann außen herumfahren.“

Außen rum bedeutet: Statt die Strecke zwischen Konstanz und Meersburg mit der Fähre zu überwinden, könnten viele Autofahrer von Meersburg um den Überlinger See und dann über den Bodanrück nach Konstanz fahren. Statt also vier Kilometer mit der Fähre pendeln Autofahrer mindestens 55 Kilometer um den Bodensee.

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Dass sich mit den Änderungen der CO2-Abdruck vieler Pendler verschlechtern könnte, empört auch Ulrich Stief. Er nutzt seit über zehn Jahren die Karte. Beruflich muss der Konstanzer Landschaftsarchitekt immer mal wieder auf die andere Seeseite oder bis nach München fahren. Die Rabattkarte der Stadtwerke hat sich für ihn schon gelohnt. Aber ob es das jetzt noch tut? Auch er greift zum Taschenrechner: „Pro Einzelfahrt ändert sich das Ticket von 7,25 Euro auf 8,33 Euro. Eine Differenz von 1,08 Euro.“

Auch Friedemann Taut ist über die Änderungen verärgert. Das, was die SWK da täten, zerstöre das Vertrauen der Bürger in den städtischen Eigenbetrieb. „Durch den Kauf eines s‘Kärtle und die Aufbuchung von 500 Euro ist ein rechtskräftiger Vertrag zwischen den Stadtwerken und den Kunden entstanden. Nun ändern die Stadtwerke einseitig diesen Vertrag, wodurch die Kunden unangemessen benachteiligt werden“, findet Taut, der seit fast 20 Jahren Karteninhaber ist.

Seit 20 Jahren ist Friedemann Taut im Besitz der Rabattkarte s‘Kärtle. Er empfindet, dass die neuen Konditionen der Stadtwerke als ...
Seit 20 Jahren ist Friedemann Taut im Besitz der Rabattkarte s‘Kärtle. Er empfindet, dass die neuen Konditionen der Stadtwerke als Vertrauensbruch in städtische Institutionen. | Bild: Kirsten Astor | SK-Archiv

Wirtschaftliche Lage macht Änderungen erforderlich

Friedemann Taut schreibt an die SWK. Die antworten: „Ihren Unmut können wir nachvollziehen, allerdings tragen die Stadtwerke Konstanz mit den Änderungen lediglich den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung.“ Eine ähnliche Antwort erhält auch der SÜDKURIER aus der Pressestelle.

Die SWK gliedern sich in verschiedene Geschäftsbereiche: Während die Schifffahrt und die Energiewirtschaft Gewinne erzielen, schreiben die Bäder- und Stadtbusbetriebe Verluste in Höhe von 13 Millionen Euro. Die Stadt Konstanz muss daher Kapital zuführen. Aber auch die Stadtwerke möchten zur Verbesserung ihres Ergebnisses beitragen. Daher habe man beschlossen, diesen „Ertragshebel“ zu nutzen.

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Es gebe aber noch einen zweiten Grund, weswegen die Stadtwerke das Aufladevolumen reduziert haben. „Unabhängig davon ergab sich die Erfordernis einer Änderung des Aufladebetrages unserer Kundenkarte von bislang 500 Euro auf maximal 250 Euro aus den Anforderungen des Geldwäschegesetzes (GwG)“, so Teresa Gärtner. Ab einem Betrag von 10.000 Euro muss nachgewiesen werden, woher das Geld stammt. 20 Mal müsste man dazu den Höchstbetrag auf s‘Kärtle eingezahlt werden. Erlaubt sei aber nur eine Aufladung von maximal 250 Euro pro Monat.

Sind die neuen Konditionen rechtens? Das sagen Juristen

Um die neuen Konditionen ab dem 1. April einzuführen, haben die Stadtwerke die Änderungen von ihren Juristen absegnen lassen. Das geht aus dem Antwortschreiben an Friedemann Taut hervor, das der Redaktion vorliegt. Aber was sagt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg dazu? Sind diese rechtens?

Einigkeit herrscht darüber nicht. Klaus Frank, Jurist bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sagt: „Da es sich bei dem s‘Kärtle um ein Rabattsystem handelt, können die Stadtwerke Konstanz tatsächlich einseitige Änderungen vornehmen. Da die Verbraucher:innen ja, außer der Pfandhinterlegung keine Kosten, sondern tatsächlich nur Vorteile haben, können die Bedingungen geändert werden.“

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Einen Vertragsbruch sieht hingegen der Jurist Ole Eilers von Wista Rechtsanwalt AG. „Die Stadtwerke Konstanz haben in den ursprünglichen AGB keinen Änderungsmechanismus vorgesehen, der es ihnen erlaubt, einseitig die Konditionen des s‘Kärtle anzupassen.“