In der Mittagspause kurz in die Altstadt, ein paar Besorgungen erledigen, einen Kaffee zum Mitnehmen – und vielleicht noch schnell die Stirnfalten glätten lassen? Eine Praxis in der Konstanzer Altstadt bietet „Botox to go“ an. Doch was hat es damit auf sich und warum scheint die Hemmschwelle für Schönheitsoperationen immer weiter zu sinken?

Der „Blockbuster“ in der Plastischen Chirurgie

Zu schmale Lippen, hartnäckige Falten oder eine Nase, die nicht ins eigene Schönheitsideal passt: Viele Menschen hadern mit ihrem Aussehen und haben den Wunsch, vermeintliche Makel korrigieren zu lassen. Laut der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) hat sich die Zahl der Schönheitsbehandlungen weltweit seit 2010 mehr als verdoppelt – von 14 auf rund 35 Millionen im Jahr 2023.

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Ganz vorne mit dabei: Botox. Das Nervengift war in der aktuellen Studie der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) einer der Spitzenreiter unter den 2023 durchgeführten Behandlungen. „Botulinumtoxin ist in der Tat ein ‚Blockbuster‘ der Plastischen Chirurgie“, bestätigt Alexander Schönborn, Präsident der VDÄPC. Der Grund: Durch die Glättung der Falten sorge Botox für ein deutlich jüngeres Aussehen und habe gleichzeitig nur ein geringes Risiko für Komplikationen.

Botox zum Mitnehmen?

Aber kann eine Botox-Behandlung schnell und zwischendurch erledigt werden, ungefähr so wie ein Kaffee to go? Das Unternehmen, das in der Konstanzer Altstadt „Botox to go“ anbietet, lässt auf mehrfache Nachfrage eine Presseanfrage zum Thema unbeantwortet. Dafür kann VDÄPC-Präsident Alexander Schönborn weiter helfen.

„Letztlich sind Botox-Behandlungen immer ´to-go´“, so der Arzt. Denn nach der Injektion können Patienten die Praxis in der Regel direkt wieder verlassen. „Wahrscheinlich ist hier gemeint, dass die Patienten ohne Termin in die Praxis kommen können und sofort eine Injektionsbehandlung erhalten“, sagt Schönborn. Damit das möglich ist, müsste allerdings ein Arzt oder eine Ärztin ständig bereitstehen, denn das Spritzen von Botulinumtoxin sei ausschließlich Ärzten vorbehalten.

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Die Dauer der eigentlichen Injektion des Stoffes sei tatsächlich recht schnell erledigt: Je nachdem, welche Region behandelt werden soll, dauere der Eingriff etwa 15 Minuten. Doch bevor es so weit ist, müssten einige Vorkehrungen getroffen werden: Ein Beratungsgespräch über mögliche Vorerkrankungen, Allergien und Medikamente gehöre ebenso dazu wie eine klinische Untersuchung und die Aufklärung über mögliche Risiken. Auch der gewünschte Effekt trete nicht sofort ein: Nach vier bis zehn Tagen sei das Ergebnis einer Botox-Behandlung in der Regel sichtbar und halte etwa vier Monate an, so Schönborn.

Warum steigt die Akzeptanz?

„Es gibt inzwischen ganze Ketten, die ‚Botox to go‘ anbieten“, beobachtet auch Andrea Hartmann Firnkorn einen Trend. Sie ist Psychologin und Professorin an der Universität Konstanz und forscht unter anderem zu verzerrter Körperwahrnehmung. Laut Hartmann Firnkorn gibt es Zusammenhänge zwischen der steigenden Akzeptanz von ästhetischen Eingriffen und der verstärkten Nutzung der sozialen Netzwerke.

„Je häufiger wir Dinge sehen, desto mehr Akzeptanz haben wir dafür“ – Andrea Hartmann Firnkorn, Professorin für Klinische Psychologie an ...
„Je häufiger wir Dinge sehen, desto mehr Akzeptanz haben wir dafür“ – Andrea Hartmann Firnkorn, Professorin für Klinische Psychologie an der Universität Konstanz. | Bild: www.luxteufelswild.de/

So können sich die Nutzer sozialer Plattformen ständig mit anderen, scheinbar makellosen Menschen vergleichen. „Wir sehen viele Leute, die super aussehen, unter anderem weil sie etwas haben machen lassen“, sagt Hartmann Firnkorn. Das könne die Akzeptanz von Schönheitsoperationen erhöhen. „Je häufiger wir Dinge sehen, desto mehr Akzeptanz haben wir dafür“, erklärt Firnkorn. „Wir finden auch oft Leute besser, die wir häufiger sehen.“

Von den Stars zu den Influencern

Hinzu komme, dass Influencer in den sozialen Netzwerken nahbarer erscheinen als beispielsweise berühmte Schauspieler, bei denen bereits in der Vergangenheit ästhetische Eingriffe zu beobachten waren. „Die wirken näher als die Superstars, obwohl sie es eigentlich nicht unbedingt sind“, sagt Hartmann Firnkorn. „Die Leute haben dann das Gefühl: Die ist eine wie du und ich.“

Wenn Influencer nun für Schönheitsoperationen werben, könnte dies durch die vermeintliche Nähe eine stärkere Vorbildwirkung haben und die Akzeptanz und den Wunsch, selbst etwas machen zu lassen, noch verstärken. Zudem gebe es häufig die Suche nach dem sogenannten „Quick Fix“, also einer schnellen Lösung für Probleme. „Da ist zum Beispiel eine Fettabsaugung attraktiver als eine gesündere Ernährung und ein Trainingsprogramm“, erklärt die Psychologin.

Gefahren durch Schönheitsoperationen

Auch wenn Botox derzeit sehr beliebt ist, dürfe man die Risiken des Eingriffs nicht außer Acht lassen: „Es ist ein Nervengift, das darf man nicht vergessen.“ Ob ein ästhetischer Eingriff letztendlich positive oder negative Auswirkungen hat, komme unter anderem auf die Beweggründe der Patienten an.

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So könne ein Eingriff beispielsweise bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, wie einer körperdysmorphen Störung, entweder keinen oder sogar einen negativen Effekt haben. Betroffene einer körperdysmorphen Störung haben eine verzerrte Körperwahrnehmung und sehen bei sich selbst vermeintliche Schönheitsfehler, mit denen sie sich übermäßig viel beschäftigen.

„Der Makel ist objektiv betrachtet aber gar nicht da“, erklärt Hartmann Firnkorn. Deswegen lasse er sich auch nicht durch einen ästhetischen Eingriff beheben. Stattdessen könne sich eine zunehmende Hoffnungslosigkeit bei den Betroffenen einstellen. Zudem gebe es eine Suchtgefahr von Schönheitsoperationen und weitere Risiken durch den körperlichen Eingriff: „Zum Beispiel, wenn zu viel Botox gespritzt wird“, so die Professorin.

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Schönheitsoperationen können sich aber auch positiv auf die Psyche der Patienten auswirken, sagt Firnkorn. Wenn durch den Eingriff eine langjährige Unsicherheit gemildert oder behoben wird, „kann das zu einer Verbesserung des Selbstbewusstseins und des Selbstbildes führen“, erklärt die Psychologin.