Als ich zwölf war, störte ich mich an meinem runden Gesicht. Ich hätte es lieber oval gehabt, so wie bei meinen Schwestern. In Filmen haben die schönen Frauen immer ein dünnes, ovales Gesicht, ihre dicke beste Freundin dagegen ein rundes Gesicht und manchmal eine Brille. Ich wollte nicht die dicke beste Freundin sein.
Meine ältere Schwester sagte mir, das liege daran, dass ich ein Kind sei und dass es sich ändern würde, wenn ich in die Pubertät käme. Aber das tat es nie.

In den sozialen Medien macht ein Begriff die Runde, der als „neuer Schönheitsstandard“ gilt, und er heißt „schlank-dick“: Man gilt als schön, wenn man an einigen Stellen des Körpers schlank, an anderen Stellen aber dick oder füllig ist.
Man hat zum Beispiel eine schmale Taille, volle Brüste und einen dicken Hintern. Die Körperproportionen müssen ausgewogen und auch das Gesicht muss proportional sein. Es ist lächerlich, aber wenn ich in den Spiegel schaue, ist das manchmal das Einzige, woran ich denken kann.
Einfach vorm Spiegel stehen? Lieber nicht
Eine Freundin sagte mir einmal: „Weil wir es nicht gewohnt sind, unbehandelte oder ungefilterte Körper auf dem Fernseher zu sehen, kann ich mich nicht vor einen Spiegel stellen, um mich einfach nur anzuschauen. Wenn ich das tue, neige ich immer dazu, mich auf die Seite zu drehen, meinen Bauch einzuziehen, damit er flach aussieht.“
Wir Frauen wurden einer Gehirnwäsche unterzogen und hassen unseren Körper. Alles, was uns umgibt, erinnert uns daran, wie unperfekt wir sind. Wer ist schuld daran? Wir selbst? Nur die sozialen Medien? Die Massenmedien im Allgemeinen? Unser Umfeld? Ja!
Im Durchschnitt bekomme ich täglich zwei bis fünf Online-Werbungen über die besten Diäten zum Abnehmen, das beste Fitnesstraining, um einen „schlanken, dicken“ Frauenkörper zu bekommen, und Werbung für vorbeugendes Botox: „Es ist besser, früh anzufangen“, heißt es dort.
Marketingstrategen lassen uns glauben, dass Falten ein Problem sind, dass ein bisschen Gewicht ein Problem ist, dass es ein Problem ist, schlank zu sein. Sie bieten Lippenauffüller, Botox, Fettabsaugung, Brustimplantate, Nasenkorrekturen, Fitness-Diäten an. Nur eine Botschaft haben sie nicht im Programm: dass man seinen Körper so lieben soll, wie er ist. Egal, wie man aussieht, sie schaffen es, dass man sich unsicher fühlt.
Die Angst, nicht dazuzugehören
Verkaufen funktioniert am besten, wenn Menschen Angst haben. Menschen haben Angst, nicht dazuzugehören. Zeigen Medien ihnen, was sie für gut halten, neigen sie dazu, sich dem anzupassen.
Es ist so einfach, sich in das Narrativ hineinzuversetzen, dass der eigene Körper nicht gut genug ist. Jeden Tag aufzuwachen und zu entscheiden, sich selbst zu lieben, ist hart, doch sich zu entscheiden, seinen Körper nicht zu mögen, ist ebenfalls hart: Wähle dein „hart“, das Leben wird so oder so hart sein, egal auf welcher Seite du stehst. Was für eine langweilige Welt wäre es, würden wir alle gleich aussehen?