Hat der Konstanzer Handel zu sehr auf die Schweizer gesetzt?

Peter Kolb: Nein, überhaupt nicht. Seit vielen Jahren und Jahrzehnten ist Konstanz die Einkaufsstadt in der Region und vor allem für unsere Schweizer Kunden. Der Anteil der Schweizer Kunden aber geht seit 2015 kontinuierlich zurück. Lag der Schweizer-Anteil 2015 noch bei über 40 Prozent, so ist der Anteil zu Corona-Zeiten auf 20 bis 25 Prozent geschrumpft.

Peter Kolb ist 61 Jahre alt. Er hat die Nachfolge für das Unternehmen Sport Gruner bereits geregelt – es ist in die nächste ...
Peter Kolb ist 61 Jahre alt. Er hat die Nachfolge für das Unternehmen Sport Gruner bereits geregelt – es ist in die nächste Generation übergegangen. | Bild: Oliver Hanser

Die Schweizer Groß- und Einzelhändler haben ihre Preise gesenkt. Wenn wir den Lebensmittel- und Normalkonsumbereich betrachten, zum Beispiel Lidl, Aldi, DM, Müller oder Norma stellen wir fest, dass diese Firmen extrem in der Schweiz expandiert haben. Es ist nicht mehr unbedingt notwendig, Produkte in Deutschland zu kaufen wegen des Preises und der Mehrwertsteuer.

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Glauben Sie denn, dass die Schweizer zurück kommen werden?

Peter Kolb: Die Schweizer Kunden haben gelernt, zu Hause einzukaufen. Wenn die Schweizer Kunden heute nicht mehr so häufig kommen, sind wir auch ein bisschen selbst schuld. Wir haben unseren Gästen zu verstehen gegeben, dass zu viele Schweizer und Besucher in unserem Konstanz sind – schade! Heute wären wir sehr froh, wenn Kunden und Gäste kommen würden.

Kreuzlingen gehört nach wie vor zu Konstanz, 40 Prozent der Kreuzlinger sind Deutsche, die nicht nur dort wohnen. Sie werden wieder kommen, denn Konstanz ist die Einkaufsstadt der Kreuzlinger. Aber die Kunden von weiter weg haben teilweise neue Einkaufsziele gefunden und die werden vermutlich nicht mehr beziehungsweise weniger zurückkommen.

Sebastian Raetz ist 43 Jahre alt und in der fünften Generation bei Gradmann geschäftsführender Gesellschafter.
Sebastian Raetz ist 43 Jahre alt und in der fünften Generation bei Gradmann geschäftsführender Gesellschafter. | Bild: Oliver Hanser

Sebastian Raetz: Das sehe ich anders, da der Preisvorteil für die Schweizer immer noch groß ist durch die Mehrwertsteuerrückerstattung und die in vielen Sortimenten niedrigeren Preise. Viele Schweizer, die zu uns kommen, machen das nicht, weil sie so viel Geld auf dem Konto haben, dass sie auch in der Bahnhofstraße in Zürich einkaufen gehen könnten. Viele möchten oder müssen auch schauen, wie sie günstig einkaufen können. Und wenn sich der Einkauf dann mit auch noch in der attraktiven und schönen Stadt Konstanz erledigen lässt, fällt die Entscheidung nicht schwer.

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Also glauben Sie, dass die Schweizer nach Corona wieder kommen?

Sebastian Raetz: Ich glaube, dass viele Besucher wieder kommen und bei uns einkaufen werden, auch wenn Singen mit der Eröffnung des Cano sicherlich Kaufkraft aus Konstanz abziehen wird. Wer nur schnell einkaufen möchte, muss nicht nach Konstanz kommen. Da kommt es dann auf die Erreichbarkeit an.

Und wenn ich das weiß, muss ich als Stadt Konstanz schauen, wie wir es bestmöglich schaffen, dass wir weniger Verkehr in der Innenstadt habe und die Gäste trotzdem willkommen heißen können, weil wir sie gerne bei uns haben. Das ist gar nicht so unlogisch. Da sind wir wieder bei einem temporären Parkhaus am Döbele. Besser als Park&Ride ist nur noch Parken und zu Fuß in weniger als fünf Minuten in die Stadt zu kommen.

Wieso sollte ein Schweizer nach Konstanz kommen und nicht nach Singen mit dem neuen Einkaufszentrum?

Peter Kolb: Wenn die Schweizer Konsumenten aus dem Bereich Zürich nach Waldshut-Tiengen oder Singen zum Einkaufen gehen, fahren Sie nach dem Einkauf gleich wieder weg – die Aufenthaltsdauer ist gering. Ein Parkplatz wird mehrfach belegt. Von Zürich nach Konstanz oder nach Singen ist es in etwa gleich weit. Kommt ein Gast nach Konstanz, bleibt er viel länger. Er besucht nicht nur die Geschäfte, er geht essen, besucht unsere Museen, Bäder, Ärzte und vieles mehr. Und er genießt den Blick auf den See, das Panorama – das macht unseren Standort fast einmalig.

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Wir müssen nur unsere Erreichbarkeit, unsere Infrastruktur und die Parkmöglichkeiten in ausreichender Menge bereitstellen – das widerspricht nicht der Forderung nach einer autoarmen Innenstadt. Es ist doch eigentlich gar nicht so schwer. Außer wir sagen: Wir wollen die Gäste nicht mehr in unserer Stadt.

Herr Zwicker, Ihr Unternehmen hat seit Jahrhunderten Erfahrungen mit Schweizer Kunden.

Ottmar Zwicker: Erlauben Sie mir, dass ich bei der Diskussion um unsere Schweizer Kundschaft aus der Sicht eines Unternehmens, das über zwei Jahrhunderte am Standort Konstanz ansässig ist, mit einem Verweis auf die Geschichte antworte. In den vielen Jahrzehnten unserer Firmengeschichte haben wir viele, teilweise sich wiederholende Konstellationen erlebt.

Ottmar Zwicker ist 53 Jahre alt. Er bezeichnet seine Aufgabe als Geschäftsführer als spannend und herausfordernd.
Ottmar Zwicker ist 53 Jahre alt. Er bezeichnet seine Aufgabe als Geschäftsführer als spannend und herausfordernd. | Bild: Oliver Hanser

Zeiten, in denen die Kaufkraft der Deutschen Mark im Vergleich zum Schweizer Franken sehr hoch war und viele Konstanzer in der Schweiz einkauften, und Zeiten, in denen der Schweizer Franken einen Kaufkraft-Vorteil gegenüber unsere Währung hatte – da kauften dann viele Schweizer bei uns ein.

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Es war also im Laufe der Jahrzehnte stets ein Geben und Nehmen?

Ottmar Zwicker: In den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Reichsmark stark abwertete, war der Ansturm auf Konstanz ähnlich wie in den Jahren 2010 bis 2015. Berichte aus der Tageszeitung von damals könnten auch 2012 geschrieben worden sein. Gleichlautend sind auch Berichte meines Urgroßvaters im Briefwechsel mit meinem Großvater, der damals in der Ausbildung in Hamburg war.

Nehmen wir die über viele Jahre für uns sehr günstigen Kraftstoffpreise in der Schweiz, in denen sich die Konstanzer Autos in Schlangen vor den Kreuzlinger Zapfsäule stauten und in Kreuzlingen eine Vielzahl an Tankstellen entstanden. Jeder Endverbraucher, egal ob Deutscher oder Schweizer, verhält sich ökonomisch und kauft dort, wo das Preis-Leistungs-Verhältnis für ihn am besten ist.

Ich sage bewusst nicht: wo es für ihn am billigsten ist. Wir müssen bei aller Preiswürdigkeit in jeder Hinsicht auf die Qualität unser Leistung achten: auf guten Service und kompetente Beratung und ein spannendes Sortiment in unseren Geschäften, auf eine saubere, attraktive Innenstadt, auf ein vielfältiges Angebot von Kultur, Freizeit, Handel und Gastronomie, auf eine gute Erreichbarkeit der Innenstadt, auf ausreichend Parkraum und ein praktikables Verkehrskonzept.

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