Für die Stadt Konstanz wird es von Tag zu Tag schwieriger, die vom Gemeinderat beschlossenen, ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen. Das geht aus dem aktuellen Klimabericht hervor. So wächst beim Ausstoß des Treibhausgases CO2 die Lücke zwischen Ziel und Ist beständig weiter.

Da die Ziele zur Absenkung bis zur angestrebten weitgehenden Klimaneutralität immer sportlicher werden, verschärft sich die Lage, da der aufzuholende Rückstand Tag für Tag größer wird. Schon jetzt ist Konstanz laut Verwaltung 20 Prozent über den Werten, die der sogenannte Absenkungspfad eigentlich vorgibt. Und die Reduzierung der Emissionen geht kaum mehr voran.

In der Politik sind die Reaktionen unterschiedlich – von hellem Entsetzen über das bisherige Scheitern bis zur Forderung, die bisherigen Ziele zu kassieren und sich mehr Zeit zu geben. Im Gemeinderat, der vor knapp fünf Jahren noch in großer Einmütigkeit den Klimanotstand beschlossen hatte, zeichnet sich ein Richtungsstreit ab. So sagt Verena Vögt vom Jungen Forum: „Wir kommen nicht näher dran, sondern eigentlich immer weiter weg“. Heinrich Fuchs von der CDU stellt dagegen offen die Frage, ob der vereinbarte Zeitplan noch Bestand haben kann.

Bei den Gebäuden schafft die Stadt ihre Hausaufgaben nicht

Doch wo steht der Klimaschutz in Konstanz in den wesentlichen Bereichen? Bis heute hat die Stadtverwaltung keinen vollständigen Fahrplan, wann sie welches ihrer Gebäude auf welche Weise sanieren und/oder mit einer klimafreundlichen Heizung ausstatten will, und „die Umsetzung hinkt hinterher“, wie die Verwaltung selbst erklärt. Das sorgt vor allem der Freien Grünen Liste (FGL) für Verärgerung, so Stadträtin Dorothee Jacobs-Krahnen. Zum Beispiel die CDU verweist dagegen darauf, dass die Bauverwaltung sowieso nicht mehr als vier Gebäude pro Jahr sanieren kann, weil gar nicht mehr Personal da ist und ja auch Firmen gefunden werden müssen.

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Das Thema ist aber akut, denn laut Lorenz Heublein, dem stellvertretenden Leiter des Klimaschutzamts, werden in Konstanz 90 Prozent der Wärme mit fossiler Energie erzeugt. Hier sollen große Nahwärmenetze einen messbaren Schritt nach vorne bringen. Drei sind schon ziemlich spruchreif, wobei ein Projekt im Berchengebiet besonders aussichtsreich erscheint: Dort soll die überschüssige Wärme des nahegelegenen Klärwerks verwendet werden.

Er gilt als einer der Architekten der Konstanzer Klimaschutzstrategie: Lorenz Heublein arbeitet im Rathaus seit Jahren daran, die Stadt ...
Er gilt als einer der Architekten der Konstanzer Klimaschutzstrategie: Lorenz Heublein arbeitet im Rathaus seit Jahren daran, die Stadt nachhaltiger zu machen. | Bild: Jürgen Rössler

Beim Verkehr wird das Auto zum Prüfstein

Im innerstädtischen Verkehr setzen die Konstanzer schon jetzt in hohem Maß auf Fahrrad und Bus, und die Stadtwerke bauen ihre Flotte konsequent auf Elektro-Fahrzeuge um. Allerdings ist für die Konstanzer Klimabilanz auch entscheidend, welche Treibhausgase entstehen, weil Auswärtige mit dem Auto nach Konstanz kommen und wie sich die Konstanzer außerhalb der eigenen Stadt bewegen. Für das Klimaschutzamt lautet die Antwort: „Rücknahme von Auto-Privilegen“, wie es in der Gemeinderatssitzung wörtlich heißt.

Da gehen aber insbesondere die Freien Wähler nicht mit, wie Jürgen Faden betont: Man dürfe dem Handel „nicht noch mehr Hindernisse aufbauen“ und man müsse Gästen „die Möglichkeit geben, zu uns zu kommen und einzukaufen – und glauben Sie nicht, dass die alle mit dem Fahrrad kommen.“ Auf den breiten Durchbruch von E-Autos zu hoffen, ist laut Verwaltung dabei aber der falsche Ansatz: All der bestehende und künftige Ökostrom werde künftig vor allem zum Heizen gebraucht, für die persönliche Mobilität mit dem Auto sei da eigentlich gar nicht mehr viel übrig.

Die Stromerzeugung wird langsam nachhaltiger

Zehn Megawatt in der Spitze (MWp) soll die Stromerzeugung aus der Sonne betragen, auch das gehört zu den Maßnahmen, zu denen sich die Stadt verpflichtet hat. Von 2022 auf 2023 ist Konstanz diesem Ziel ein schönes Stück näher gekommen: Rund sechs MWp sind nach den jüngsten Zahlen installiert. Das Ziel ist aber laut den Klima-Experten der Stadt ohne große Freiflächen-Anlagen nicht zu erreichen. Die FDP fordert deshalb, auch private Grundstücke für solche Sonnenkraftwerke zu betrachten, die SPD fordert Freiflächen-Photovoltaik auch in Natur- und Landschaftsschutzgebieten.

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Einhellig ist die Forderung, dass der Denkmal- gegenüber dem Klimaschutz zurücktreten soll. Verwaltung und Stadträte berichten gleichermaßen, dass die Vorgabe, wonach Solaranlagen möglichst unauffällig sein müssen, die Kosten für Hausbesitzer in die Höhe treibt und den Wirkungsgrad verschlechtert.

Die Menschen zu begeistern, bleibt anspruchsvoll

Klimaschutz soll eine Lust-Aufgabe und keine Last-Aufgabe sein. Das ist das Ziel der Konstanzer Klimaschutzstrategie. In manchen Fällen funktioniert das bereits – so erfreuen sich immer mehr Hausbesitzer, wenn sie in ihrer App nachschauen, wie viel Sonnenstrom sie gerade produzieren. Auch die „Licht an“-Kampagne für eine klimafreundliche Theaterbeleuchtung mit Leuchtdioden-Technik war so ein Erfolg. In anderen Fällen, das räumt auch die Stadtverwaltung ein, geht die Arbeit erst los.

Für den Klimaschutz ist er zurück nach Konstanz zurückgekommen: Philipp Baumgartner hat hier Abitur gemacht und die Leitung des neuen ...
Für den Klimaschutz ist er zurück nach Konstanz zurückgekommen: Philipp Baumgartner hat hier Abitur gemacht und die Leitung des neuen Amts für Klimaschutz übernommen. Er sagt: Klimaschutz muss auch Spaß machen. | Bild: Stadt Konstanz

Die Umstellung des Kita-Mittagessens auf einen höheren fleischlosen Anteil zeige aber, dass Klimaschutz durchaus auch Spaß machen könne, so die Klimaschutz-Experten Lorenz Heublein und Philipp Baumgartner. Für Holger Reile von der Linken Liste geht es aber auch um beherztes Handeln, um zu verhindern, dass es weiterhin nur „in einem Schneckentempo vorwärts geht“. Er sieht den größten Hebel darin, Autos weitgehend aus der Stadt zu verbannen und den Öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen.