Es ist nichts los an diesem Septembermorgen im Herosé-Park, ein leichter Wind streicht über die Wellen des Seerheins. Nur wenige Menschen sind unterwegs. Doch während ein großes, orangenes Müllfahrzeug und die dazugehörigen Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe Konstanz (EBK) die Spuren der vergangenen Tage beseitigen (wie jeden Tag), sind auch noch drei andere Personen da. Auch sie sammeln Müll. Denn obwohl die städtischen Mitarbeiter so häufig in den Park kommen, reicht das nicht aus, um dem Abfallproblem Herr zu werden.

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Deshalb sind auch Evelyn Spillmann, Janis Baur und Karl-Ulrich Schaible im beliebten Park unterwegs – und lesen alles vom Boden auf, was dort nicht hingehört. Vorrangig ist das Partymüll wie etwa unzählige Zigarettenstummel, Kronkorken, kleinster Plastikmüll, Glasscherben sowie Flaschen und Dosen. Ausgestattet sind die drei mit Handschuhen, kleinen Eimerchen zur Mülltrennung und Greifzangen.

Stundenlang wird Müll gesammelt

„Vorrangig sammeln wir Kronkorken und Zigaretten“, sagt Evelyn Spillmann. „Damit kann man sich stundenlang beschäftigen.“ Sie scheint Recht zu haben: Denn zwar hat ihr Mitstreiter Kai-Ulrich Schaible nach nur zehn Minuten knapp 50 Zigarettenstummel in ein Eimerchen befördert. Doch das waren lediglich die Stummel, die sich unmittelbar vor einer einzigen Parkbank befanden. Die kleinen Biester sind den Freiwilligen der größte Dorn im Auge.

Nach nur zehn Minuten hat Karl-Ulrich Schaible bereits diese Menge an achtlos weggeworfenen Zigarettenstummeln gesammelt.
Nach nur zehn Minuten hat Karl-Ulrich Schaible bereits diese Menge an achtlos weggeworfenen Zigarettenstummeln gesammelt. | Bild: Timm Lechler

Doch auch Kronkorken finden sich am Rheinufer unzählige, viele davon sind schon fest in die Erde getreten. Sie müssen in kleinteiliger Sisyphusarbeit herausgepult werden. Die Korken, die noch locker auf dem Untergrund liegen, sammelt Janis Baur derweil gelegentlich mit einem eigens dafür angeschafften Magneten auf. Das macht das Sammeln bequemer.

Wenn die Kronkorken in der Erde stecken, kommt es einer Geduldsaufgabe gleich, diese aus dem Boden und in den Eimer zu befördern.
Wenn die Kronkorken in der Erde stecken, kommt es einer Geduldsaufgabe gleich, diese aus dem Boden und in den Eimer zu befördern. | Bild: Timm Lechler

Mitunter findet sich bei den Aufräumaktionen auch Erstaunliches und Skurriles am Herosé, der Promenade, dem Winterersteig, am Schänzle oder am Hörnle – alles Orte, an denen die Freiwilligen öfter unterwegs sind. So berichtet Janis Baur bereits mit einigen Freunden ein riesiges Straßenschild – mitsamt zentnerschwerem Betonfuß – mit einem Seil aus dem Wasser gefischt, oder besser gehoben, zu haben.

Andere besondere Funde sind beispielsweise teurer Schmuck, Geldbeutel, persönliche Dokumente oder einmal eine Flaschenpost. An diesem Tag findet Janis Baur ebenfalls ein besonderes Stück auf dem Boden: ein Besteckmesser.

Janis Baur findet öfter skurrile Dinge wie beispielsweise Besteck.
Janis Baur findet öfter skurrile Dinge wie beispielsweise Besteck. | Bild: Timm Lechler

Was ihn am meisten stört: „Der Müll ist ständig präsent“, sagt er. „Der Abfall gehört inzwischen zur Natur dazu. Und das ist traurig.“ Der junge Mann möchte bald in die Richtung Elektrotechnik studieren, und sein Wissen dann dafür gebrauchen, das Müllproblem zu lösen.

Bereits jetzt hat er Pläne einen Mülleimer mit eingebauter Presse zu entwickeln, die den Müll verdichtet. Denn oft sei in den Behältern noch Platz, nur werden sie durch zu großen Müll, wie etwa Pizzakartons, verstopft. Dann landet der Abfall oft neben dem Behälter und der Wind trägt ihn fort. Dass es zu wenige Mülleimer gibt, denken die Beteiligten des AK Müll derweil nicht.

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Wie kann sich etwas ändern?

Für ihre Aufräumaktionen bekommen die drei Freiwilligen laut eigenen Angaben immer wieder positives Feedback, viele recken den Daumen nach oben und mancher „steckt einem sogar zwei Euro zu“, sagt Evelyn Spillmann. Häufig verteilt sie dann Taschenaschenbecher, die der AK Müll umsonst am Rheinufer ausgibt, damit die Menschen ihre Zigaretten nicht in die Natur werfen.

Doch wie wird man nun Herr der Situation und kann auf das Thema aufmerksam machen? Die drei sind sich einig: Es ist eine Mischung. Evelyn Spillmann glaubt an Aufklärungsarbeit und Austausch, damit die Leute den Müll gar nicht erst in die Landschaft werfen. Sie hat zum Beispiel den Selbstversuch gewagt, einmal genau festzuhalten, wie viel Müll sie in einer Woche verursacht. Das könne auch bei anderen einen „Klickmoment“ verursachen, denkt sie.

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Janis Baur möchte derweil die Verschmutzung der Umwelt mit Zahlen und Fakten erklären, um die Menschen zu erreichen und Wissen zu vermitteln. Karl-Ulrich Schaible hält auch ein gewisses Maß an Schockmoment-Therapie für angebracht: Eine Idee wäre zum Beispiel, dass die EBK eine Woche lang nicht an den Hotspots sauber mache.

„Dann würde man sehen, was sich alles ansammelt“, sagt er. „Und das ist eine Menge.“ Doch dabei gibt es einen entscheidenden Nachteil: Die Umwelt würde darunter leiden. Und genau die ist der Grund, warum Evelyn Spillmann, Janis Baur und Karl-Ulrich Schaible immer wieder freiwillig Müll sammeln gehen.