Wenn Alexander Gebauer auf der Jungerhalde steht und in Richtung Mainaustraße blickt, tut ihm das weh, sagt er. Gebauer ist 80 Jahre alt und Ehrenvorsitzender der Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad. Er lebt fast sein ganzes Leben in Allmannsdorf.

Seine größte Sorge ist, dass das von der Stadt geplante Gebiet Jungerhalde/West am Ende so aussieht, wie die mehrgeschossigen Bauten aus den 80-ern gegenüber. Für ihn sind diese im Geist einer anderen Zeit entstanden, als der wertvolle Naturraum beim Thema Bauen noch nicht im Vordergrund stand, sondern „Skrupellosigkeit und Hemmungslosigkeit eine wachstumsideologische Verirrung, die nicht zu rechtfertigen ist.“
Mehr Enttäuschung als Wut
In Gebauers Stimme liegt mehr Enttäuschung als Wut. Anlass ist eine Online-Veranstaltung, die kürzlich stattfand. Während der stellte das Stadtplanungsamt Konstanz den Allmannsdorfern die Pläne für das Gebiet vor und beantwortete Fragen. Eigentlich sollte der virtuelle Treff die Gemüter in dem Konstanzer Ortsteil beruhigen. Zumindest bei der Bürgervereinigung kann von Ruhe keine Rede sein. Vielmehr formiert sich die Truppe zum Protest.
Gegen die Pläne der Stadt, auf der Jungerhalde/West auf zwei Hektar 200 bis 250 Wohnungen und ein Gerätehaus für die Feuerwehr zu bauen. Auf der Online-Bürgerversammlung erklärte Stadtplanungsamtsleiterin Marion Klose, wie wichtig das für die Stadt sei.
Denn: Die Wohnhäuser, die auf bis zu fünf Geschosse wachsen können, sollen für junge Familien sein. 40 Prozent sind für Menschen mit mittlerem Einkommen und ganze 50 Prozent für Personen mit niedrigem Einkommen reserviert. Also diejenigen, die am stärksten unter der Wohnungsnot leiden und, wie Klose sagte, „überhaupt keine Chance haben, in Konstanz an Wohnraum zu kommen.“
Konstanzer Gemeinderat ist für das Projekt
Von den zwei Hektar soll ein Drittel ökologisch aufgewertet werden. Die Häuser sollen in Holzbauweise entstehen und den modernen Geist des Wohnens verkörpern, den die Stadt in ihrem Handlungsprogramm Wohnen gerne wiederholt: Qualität statt Quadratmeter, Freiraum, Nachhaltigkeit. Im Konstanzer Gemeinderat hat die große Mehrheit dem Projekt zugestimmt.
Unter den Befürwortern war die CDU. Sven Martins Partei, dem Vorsitzender der Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad. Von der CDU und dem Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt, ebenfalls CDU-Mitglied, ist Martin enttäuscht. „Als der Oberbürgermeister bei uns in Allmanndorf zur Podiumsdiskussion war, haben wir explizit über die Weiterentwicklung des Ortsteils gesprochen. Kein Wort ist zu diesen Plänen gefallen.“
„Wahlbetrug“ und „reine Werbeveranstaltung“
Einige würden dies „Wahlbetrug“ nennen. Auch die Online-Veranstaltung der Stadt kritisiert er. Einige würden sie „reine Werbeveranstaltung“ nennen. Man musste seine Fragen einreichen, nur wenige wurden vorgelesen.
Martin sagt im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass er nicht gegen eine Bebauung an sich sei. „Aber es muss sich in die Ästhetik des Orts einfügen.“ Allmannsdorf sei von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägt, nicht von fünfstöckigen Bauten.
Stadträtin: Dörflich können wir uns nicht leisten
Zahide Sarikas sitzt für die SPD im Gemeinderat – und lebt in Allmannsdorf. Sie kann gut verstehen, dass die Anwohner viele Fragen haben. „Die Leute möchten wissen, was auf sie zukommt. Ob sie mit einer ewigen Baustellen rechnen müssen, ob ihr Wohnraum an Wert verlieren wird.“ Die Online-Veranstaltung fand sie einen guten Auftakt. „Aber es sind noch viele Fragen und Ängste offen.“ Daher sei es wichtig, dass die Stadt die Anwohner immer wieder einbeziehe.
„Ja, ich würde mir auch wünschen, dass Allmannsdorf dörflich bleibt“, gibt sie zu. „Aber, das können wir uns nicht leisten“, schränkt sie ein. Viele Familien suchten verzweifelt Wohnraum, die Stadt habe massive Probleme, etwa Pfleger oder Erzieher zu finden. Weil die von ihrem Gehalt in Konstanz keine bezahlbare Wohnung finden könnten.
„Zuzug von anderswo“?
Wer genau in das Neubaugebiet ziehen wird, das ist eine Frage, die auch Alexander Gebauer umtreibt. Er vermutet: „Die, die wirklich eine Beheimatung suchen, werden Räume bevorzugen, die nicht dem Zuzug von anderswo Tür und Tor öffnet.“ Die Ansicht, dass Konstanz nicht ins Unendliche wachsen soll, ist weit verbreitet.
Dazu Sarikas: „Wir brauchen die jungen Familien, wir brauchen die Arbeitskräfte.“ Etwa im Bereich Erzieher. Sie fragt: „Stellen Sie sich vor, hier bewirbt sich eine Erzieherin aus einem anderen Bundesland – wollen wir ihm dann sagen: ‚Ja, wir brauchen Sie, aber leider haben wir keine Wohnung, denn wir bauen nur für Konstanzer?‘“
Fakt ist, dass Wohnungen für die untere und mittlere Einkommensgruppe rar sind in Konstanz. So richtig Glauben schenken will Sven Martin den Zielen, die die Stadt für die Jungerhalde/West verkündete, nicht. „50 Prozent Sozialwohnungen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür ist das Gebiet zu hochwertig.“ Außerdem seien 250 Wohnungen zu viel. Viel zu viel.
Alexander Gebauer hat Ideen – und schon oft protestiert
Womit wir zurück bei Alexander Gebauer wären, der mit Sorge Richtung Mainaustraße blickt. Gebauer ist keiner von denjenigen, die einfach nur „Nein“ sagen, er hat Ideen, möchte neu mit der Stadt diskutieren. Gut zum Beispiel gefallen ihm die Studentenwohnhäuser am Schmerzenmösle.

„Warum schreibt man im Architektenwettbewerb nicht vor, dass sich die Bauten in den Ort einfügen müssen?Warum nennt man erst einmal keine Anzahl an Wohnungen, sondern lässt dies offen? „, fragt er. Doch viel Zeit ist nicht mehr. Der Architektenwettbewerb ist für das zweite und dritte Quartal 2021 eingetaktet. Erst danach können sich Bürger wieder beteiligen, Anfang 2022. Zu spät, findet die Bürgervereinigung. Gebauer sagt: „Es wäre anständig und moralisch, wenn die Stadtverwaltung wartet, bis wieder anständige Bürgerbeteiligung möglich ist.“ Sven Martin kündigt an: „Von uns wird man noch hören!“