Die drei Holzlatten lassen sich leicht zur Seite schieben, die Schrauben wurden gelockert. Dadurch wird der Blick frei in das Innere des Kellerabteils: Auf dem Boden liegen eine Bettdecke und Kleider, an der Wand steht ein Flachbildfernseher. Hier, im Untergeschoss eines Mietshauses der Konstanzer Wohnungsbaugesellschaft Wobak, hat sich jemand offensichtlich häuslich eingerichtet.

Bewohner des Gebäudes in der Max-Stromeyer-Straße haben sich an den SÜDKURIER gewandt und berichtet, dass seit mehreren Wochen ein junger Mann im Kellergeschoss hause. Anfang dieser Woche war der SÜDKURIER selbst vor Ort, um sich ein Bild zu machen, zu einer Uhrzeit, wenn der Mann normalerweise im Kellerabteil anzutreffen sei, wie Anwohnerin Gisela Konrad im Vorfeld erklärt hatte.

Gisela Konrad hatte dem SÜDKURIER berichtet, dass sie den Sohn einer anderen Mieterin der Wobak-Siedlung in der Max-Stromeyer-Straße Mitte August das erste Mal schlafend vor dem Kellerabteil seiner Mutter angetroffen habe, als sie gerade ihr Rad in den Fahrradraum stellen wollte. Später sei der junge Mann dann direkt ins Kellerabteil gezogen und nächtige seither dort – nur einmal sei er für einige Tage verschwunden.

Doch als der SÜDKURIER vor Ort ist, fehlt von dem jungen Mann jede Spur. Ein Blick in das Kellerabteil sowie Fotos, die dem SÜDKURIER vorliegen, zeigen jedoch, dass das betreffende Kellergeschoss so eingerichtet ist, als würde hier tatsächlich jemand übernachten. Die Redaktion hat sich aber entschieden, beispielhaft nur ein Foto zu zeigen.

Blick in das Kellerabteil.
Blick in das Kellerabteil. | Bild: Marcel Jud

Für Gisela Konrad ist der aktuelle Zustand unhaltbar. Sie und andere Mieter müssten an dem Kellerabteil, in dem der junge Mann hause, vorbei, um in den Trockenraum, den Fahrradkeller oder die Tiefgarage zu gelangen. Sie berichtet von Schweißgeruch und weiteren Körperausdünstungen, die von dem Mann ausgingen. „Wir haben die vierte Corona-Welle und er gibt seine Aerosole ab“, empört sich die Mieterin.

Ein weiterer Anwohner, den der SÜDKURIER im Kellergeschoss antrifft bestätigt das: „Das Problem ist, dass meine Frau Angst hat, in den Trockenraum zu gehen. Deshalb hängt sie ihre Wäsche nur noch bei uns in der Wohnung auf.“ Bisher habe der junge Mann zwar niemanden belästigt, aber man wisse ja nicht, was passieren könne.

Mieterin Gisela Konrad.
Mieterin Gisela Konrad. | Bild: Marcel Jud

Aus diesem Grund habe er auch schon die Polizei gerufen, so der Anwohner weiter. Er berichtet von anderen Konflikten im Haus, die dazu führten, dass sein Auto schon zweimal zerkratzt wurde. Deshalb fürchte er sich davor, mit Namen und Gesicht in der Zeitung zu erscheinen.

Polizei: „Mit dem Wissen der Mutter dort untergebracht“

Auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigt das Konstanzer Polizeipräsidium am Donnerstag, dass „in einem Keller des Gebäudes (in der) Max-Stromeyer-Straße (...) ein Mann nächtigt und die Polizei deswegen zweimal gerufen wurde“, wie Pressesprecher Jörg Kluge schriftlich erläutert. Der junge Mann sei mit dem Wissen der Mutter „dort vorläufig ‚berechtigt‘ untergebracht“, so Kluge weiter.

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Die Polizei könne in diesem Fall jedoch nichts unternehmen, denn: „Solche privatrechtlichen Angelegenheiten sind, solange keine Gefährdungstatbestände oder Verstöße gegen Rechtsvorschriften berührt werden, durch die Hausverwaltung des Gebäudes zu klären.“

Die Vermieterin des Hauses, die Wobak, habe durchaus versucht, die Angelegenheit zu klären, wie ein Sprecher der städtischen Wohnungsbaugesellschaft betont: „So etwas wird nicht geduldet. Es ist anderen Mietern gegenüber nicht zumutbar, dass sie nur noch mit Angst in den Keller gehen.“ Mitte August habe die Wobak davon erfahren, dass der Sohn einer Mieterin regelmäßig in deren Kellerabteil übernachten solle.

Wobak: „Der Mann ist bisher schlicht nicht greifbar“

„Wir haben die Mieterin am 24. August angeschrieben, dafür Sorge zu tragen, dass alle ihre Kinder in der von ihr angemieteten Wohnung nächtigen, da es sich bei einem Kellerabteil nicht um Wohnraum handelt.“ Am selben Tag sei im Kellerabteil ein Brief an den Sohn hinterlegt worden, da man ihn nicht vor Ort angetroffen habe, so der Wobak-Sprecher weiter. Gegenüber der Mieterin sei auch eine Abmahnung ausgesprochen worden.

Zudem seien die Hausmeister angewiesen worden, täglich beim Kellerabteil vorbeizuschauen, um den jungen Mann anzusprechen. „Doch sie konnten ihn nie antreffen. Unsere Hausmeister sagen, er sei nicht mehr da. Denn auch der Brief liegt nach wie vor ungeöffnet dort.“ Anfang dieser Woche seien die täglichen Hausmeisterbesuche im Keller des Mietshauses deshalb eingestellt worden.

„Unserer Meinung nach ist er jetzt weg. Er wohnt auch nicht in der Wohnung seiner Mutter“, erklärt der Wobak-Sprecher am Mittwoch. Aufgrund der gegenteiligen Aussagen von Anwohnern gegenüber dem SÜDKURIER, würden die täglichen Kontrollen aber wieder aufgenommen.

Sollte sich herausstellen, dass der junge Mann nach wie vor im Kellerabteil wohne, gebe es nur die Möglichkeit einer weiteren Mahnung – mit kürzerer Frist – an dessen Mutter, dass ihr gekündigt werde, sollte das Kellerabteil weiterhin als Schlafstätte genutzt werden.

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Der Wobak-Sprecher hofft aber, das werde nicht nötig sein. Er betont, dass die Wobak in ständigem Kontakt mit den sozialen Diensten der Stadt stehe, und immer wieder Mieter an sie vermittle. Auch im Falle des jungen Mannes im Keller des Hauses in der Max-Stromeyer-Straße wäre man wohl diesen Weg gegangen, so der Sprecher, aber bisher sei er schlicht nicht greifbar gewesen: „Wir kennen den Mann nicht, hatten bisher keinen Kontakt zu ihm.“

Zur Identität der Mieterin und ihres Sohnes machen Polizei und Wobak aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben. Dem SÜDKURIER gelang es dennoch, den Namen der Mieterin herauszufinden. Eine Kontaktaufnahme scheiterte zunächst, nach einer ersten Veröffentlichung setzte sie sich dann aber mit der Redaktion in Verbindung.

Mutter hat Angst

Nach der Schilderung der Mutter ist sie selbst Opfer der Situation. Sie erlebt das Verhalten ihres Sohnes als Bedrohung für sich und ihre anderen Kinder. Nach vielen Streitigkeiten habe sie sich nicht mehr zu helfen gewusst und den Sohn aus der Wohnung verwiesen. Das Problem liegt ihrer Ansicht nach darin, dass ihr Sohn auch die Hilfsangebote von sozialen Einrichtungen nicht wahrnehmen wolle.

Die Verzweiflung der Mutter geht dabei aus einer Schilderung hervor, als sie ihrem Sohn die Wohnung wegen einer mehrtägigen Abwesenheit überließ, weil – wie sie sagt – „Mutterherz ja immer Mutterherz bleibt“. Das allerdings habe fatale Folgen gehabt, denn nach ihrer Rückkehr habe der Sohn die Mutter und ihre Tochter nicht mehr in die Wohnung gelassen.

Enge Wohnverhältnisse als Problem

Nach weiteren Angaben der Mutter hat ihr Sohn inzwischen einen Platz in einer sozialen Einrichtung bekommen, Näheres über seinen Aufenthaltsort wisse sie aber nicht. Für sie und ihre Kinder sei die Situation sehr belastend und habe eine lange Vorgeschichte. Seit zehn Jahren warte sie auf eine größere Wohnung, aber daraus sei nichts geworden. In der Zweizimmerwohnung hätten zeitweise fünf Menschen gelebt.

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