Den Brand des Schwaketenbades haben sie im Juli 2015 vor Ort miterleben müssen. Am Abend stand eine „bombastische Rauch-und Dampfwolke“ über dem Viertel. Alle Fenster mussten geschlossen werden. Renate Spießer-Löbe und ihr Mann Andreas Löbe erinnern sich genau.
Und vor rund drei Jahren kam das SWR-Fernsehen, als in der Schwaketenstraße die große Modernisierungssaktion der Vonovia an den Hochhäusern im Gange war, und interviewte das Ehepaar zu den Bedingungen, unter denen die Sanierung ablief. Die Kritik ging durch die Presse, unter anderem berichtete der SÜDKURIER.

Die Beiden wohnten damals noch in der Schwaketenstraße 102, ganz hinten, erster Stock. Ab Januar gab es Klos und Duschen nur noch in Containern vor der Haustür, Wasser-und Abwasserrohre wurden instandgesetzt und Brandschutztüren eingebaut, Fenster und Bäder herausgerissen, die Fassade eingerüstet, im Haus herrschte Chaos.
Ihre Zweizimmerwohnung, 50 Quadratmeter Wohnfläche und 15 Quadratmeter Balkon, hatte Löbe 1998 noch für 750 DM Miete und 136 DM Nebenkosten für sich bekommen. Die Familie wuchs, zwei Kinder kamen hinzu, die Zimmer mussten mit Regalen abgeteilt werden. Ehefrau Renate schlief oft auf dem Balkon auf einem Sofa. Nach der Instandsetzung sollte die Miete dann von 660 auf 950 Euro warm inklusive Nebenkosten angehoben werden.
Die Familie zog entnervt nach mehr als einem Jahr Umbaustress um, keine 200 Meter Luftlinie weiter in den Buhlenweg 36, auch ein Hochhaus, jetzt vierter Stock mit Sicht auf Schwaketenbadbaustelle und Sportplatz. 86 Quadratmeter und 3,5-Zimmer zum fast gleichen Preis. Hier sind die Wohnungen in Privatbesitz, der Vermieter wohnt eine Etage tiefer.
Aber die Erinnerungen an das Wohnen zwei Blocks weiter sind noch lebendig. Renate Spießer-Löbe arbeitete als Buchhalterin und hat die Nebenkostenabrechnungen der Vonovia unter die Lupe genommen. Oft stimmten die Beträge nicht. Sie hakte nach, wollte Belege sehen, kaum welche wurden vorgelegt.
Matthias Oehlschläger kann dies nur bestätigen: „Da gab es in den Nebenkostenabrechnungen zum Beispiel Posten wie ,Monatliche Kontrolle des Feuerlöschers‘, wo man dann feststellte, dass sie schon zwei Jahre abgelaufen waren.“ Und viele weitere Leistungen seien abgerechnet worden, ohne dass jemand sie erbracht habe. Man könne ein Buch schreiben über die Misswirtschaft, so der Mieter einer 1,5-Zimmerwohnung.
Mieter wehren sich gegen diese unklaren Abrechnungen, teilweise sogar mit Erfolg. „Aber letztlich geändert hat sich nichts.“ Renate Löbe-Spießer klingt resigniert. Auch gab es eine Videobotschaft von OB Uli Burchardt an den Konzern, in der er von „unanständigen Bedingungen“ sprach. Der Zoll führte zwei Kontrollen der Baustellen durch, bei der jedes Mal illegal Beschäftigte angetroffen wurden.
Das alles liegt nun hinter dem Ehepaar und seinem Sohn. Leider ist die neue Wohnung nicht mehr ganz so ruhig wie die alte. Dafür ist sie aber viel geräumiger, und vom Esstisch aus hat man den Ausblick auf den Wald hinter den Sportanlagen. Aber unten an der Kreuzung brettern auch mal nachts um drei noch irgendwelche Verrückte mit getunten Autos vorbei. Und der Hausmeister der Sportanlagen hat einen kleinen Traktor.
Manfred Spähle, der Vermieter der Spießer-Löbes, wohnt einen Stock drunter und erinnert sich, wie es damals war, als er im März 1972 hier den Erstbezug durchführen konnte. Die 86-Quadratmeter-Wohnung kostete 94.000 DM, der Grundbucheintrag schlug mit 100 DM zu Buche, aus heutiger Sicht ein Schnäppchen, auch wenn es damals viel Geld war. Schon 1970 war er auf der Suche.
Die Wobak informierte über ihr Bauvorhaben im Buhlenweg, wo zwei große Hochhäuser geplant waren. Eines sollte vermietet, im zweiten Wohnungen verkauft werden. Er stieg als Eigentümer ein und durfte zwei Jahre später einziehen. Die gleichen Wohnungen kosteten 1976 dann schon 120.000 und 1987 230.000 DM. Heute werden sie für etwa 350.000 Euro angeboten.
Historisches zum Schwaketen-Quartier
Manfred Reichert wohnt seit 32 Jahren in der Schwaketenstraße 104. 1986 hat er aus der DDR „rübergemacht“. Dort hatte er sich beschwert, dass er von der Wahlliste gestrichen wurde, nachdem er einmal nicht hingegangen war. Und ab und zu hat er auch seine Meinung gesagt, die Stasi kam öfter vorbei. „Ich habe im Wohnungsbaukombinat ,Wilhelm Pieck‘ in Zwickau gearbeitet, bin also vom Fach.“
Ihm könne man nichts vormachen. Was da im Bad als Dämmmaterial verbaut worden sei, das ziehe die Feuchtigkeit eher an, als dass es sie abweise. Im Eck sei es schon wieder feucht. Und wenn man mal einen Schaden hat? „Da jemanden zu erreichen – schwierig. Und bis dann mal jemand vorbeikommt – noch schwieriger…“

Wie hoch die Mieterhöhung letztlich für die meisten Mieter der Vonovia-Wohnungen ausfallen wird, kann Winfried Knopp vom Mieterschutzbund Bodensee noch nicht endgültig sagen: „Wir führen Gespräche mit dem Unternehmen.“
Vonovia-Sprecherin Katja Mazurek reagiert auf SÜDKURIER-Fragen so: „Unser Härtefall-Management kümmert sich um Mieterinnen und Mieter, die Sorge haben, sich aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen ihre Wohnung nicht mehr leisten zu können. Gemeinsam finden wir immer eine Lösung. Nach Modernisierungen kappen wir die Mieterhöhungen generell freiwillig auf maximal 2 Euro pro Quadratmeter.“
Die Abrechnungen entsprächen den gesetzlichen Vorgaben und enthielten alle relevanten Angaben. Wann immer Mieter Rückfragen zu ihren Abrechnungen hätten, prüfe man, ob Einwände berechtigt sind, kläre Fragen bei den damit befassten Dienstleistern und stelle Belege und Informationen zur Verfügung.

Bernhard Wolf aus der Nummer 92 ist eine Mieterhöhung nicht erspart geblieben. Dort sind alle Wohnungen in Privatbesitz. Er muss 15 Prozent mehr zahlen, nachdem seine langjährige Vermieterin die Wohnung an ihren Sohn übergeben hat. Dabei hatte er mit ihr ausgemacht, dass die Miete 20 Jahre gleich bleibt. Dafür hatte er die 90 Quadratmeter damals komplett renoviert und 25.000 Euro investiert. „War halt nur mündlich ausgemacht, mein Pech.“ Denn es sind erst 18 Jahre rum.
In den vielen Zwei-Zimmer-Wohnungen leben vor allem Studenten. „Da ist viel Ein-und Auszug.“ Sein Balkon geht in Richtung Wollmatinger Halle, dort träfen sich oft auch Jugendliche, die nachts manchmal erst durch die herbeigerufene Polizei vertrieben werden könnten. „Und der Krach auf der Straße hat auch enorm zugenommen.“ Früher war das Gebiet eben Stadtrandlage, so Wolf, heute liege es mittendrin: im Verkehr und in einem Immobilienmarkt, der außer Kontrolle geraten ist.