Ein handfester Grund für die Auseinandersetzung ist nicht zu fassen, Richter Carsten Teschner zeigt deshalb nur geringes Interesse an den Details. Der Richter am Arbeitsgericht Radolfzell soll über einen Fall innerhalb der Führungsriege der Schmieder-Kliniken entscheiden: Eine Mitarbeiterin, die seit 14 Jahren den Einkauf für das Unternehmen managt, klagt auf vertragsmäßige Weiterbeschäftigung.
Ihr Vorgesetzter beziehungsweise der Personalchef dagegen lassen über den Anwalt ausrichten, dass nichts dran ist an der Klage, denn der Frau sei ihr Tätigkeitsbereich gar nicht entzogen worden. Man könnte also heimkehren an den Firmensitz in Allensbach und jeder macht seinen Job.
Mobbing am Arbeitsplatz?
Stattdessen liegen sich die Kontrahenten wie die Kesselflicker in den Haaren. Drei Betriebsräte sind unter den Zuhörern, und im Lauf der Verhandlung wird deutlich, dass der Fall in der Belegschaft seit geraumer Zeit die Runde macht. Es gab Auseinandersetzungen – irgendwann bestätigt dies der Beklagten-Anwalt, obwohl nach seiner anfänglichen Darstellung die Vorwürfe der Mitarbeiterin unbegründet sind.
Er räumt ein, dass man über die Modalitäten einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ins Gespräch gekommen sei und sich die Kontrahenten gleichzeitig zur Verschwiegenheit verpflichteten. Seltsam nur, dass Kollegen die Einkaufsmanagerin darauf ansprachen, wann für sie denn nun ultimo sei.
Rolf Stagat als Anwalt der Klägerin wundert sich darüber nicht. Für ihn ist der Bruch der Verschwiegenheit Teil einer Zermürbungsstrategie. Dazu zählt er, dass parallel nach einem Nachfolger gesucht wurde und dieser bereits zum Jahreswechsel seine Stelle antreten sollte.
Daraus wird allerdings unabhängig vom Ausgang der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung nichts, denn der Betriebsrat verweigert seine Zustimmung. Und natürlich widerspricht Rolf Stagat im Namen seiner Mandantin auch der Darstellung der Gegenseite, dass nichts dran sei am Entzug von Tätigkeiten. Die Wahrheit der Kläger: Nach und nach habe man die Mitarbeiterin kalt gestellt.
Mitarbeiterin kalt gestellt?
Kalt gestellt? Wie bitte schön, so tönt‘s von der Gegenseite, hätte man denn umgehen sollen mit dem Hinweis der Mitarbeiterin, dass sie mit der Arbeit nicht mehr nachkomme? Vor Gericht klingt es wie Fürsorge, dass der Einkaufsleiterin ein Mitarbeiter an die Seite gestellt wurde. Auch vom Entzug von Aufgaben beispielsweise beim Fahrzeugmanagement könne keine Rede sein, denn dabei habe es sich um ein zum Abschluss gekommenes Projekt gehandelt. Umgekehrt seien Aufgaben liegen geblieben, eine Ausschreibung sei nicht erfolgt.
Auch dass bestimmte Budget-Verhandlungen nicht mehr Sache der Einkäuferin gewesen seien, sei nichts Ungewöhnliches. Das habe früher zu den Aufgaben der Geschäftsleitung gehört und sei jetzt eben wieder dort angesiedelt worden. Überhaupt die Restrukturierungen: Dadurch, so die sinngemäßen Ausführungen der Beklagtenseite, ergäben sich eben neue Arbeitsfelder, ein Entzug von Tätigkeiten oder eine Kaltstellung aber stelle das nicht dar.
Tatsächlich hat sich etwas geändert in den Schmieder-Kliniken, was jedoch nichts mit den betrieblichen Aufgaben zu tun hat. Der neue Vorgesetzte der Klägerin gehört zum Kreis der Geschäftsleitung und ist nach Angaben des Betriebsrats seit rund zehn Monaten mit dabei. Liegt hier also der Kern der Auseinandersetzung? Es ist anzunehmen, denn zuvor war man mit der Leistung der Einkaufsleiterin höchst zufrieden, was durch Zeugnisse dokumentiert ist.
Arbeitsverhältnis noch zu retten?
Für Ralf Stagat jedenfalls steht fest, dass es keine Kündigungsgründe gibt. Weil aber der Arbeitgeber dennoch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses anstrebe, müsste ein akzeptables Angebot auf den Tisch. Ihm und seiner Mandantin schweben der in solchen Fällen übliche Satz von ein bis anderthalb Monatsgehältern pro Jahr der Unternehmenszugehörigkeit vor, doch darauf ging die Beklagten-Seite bis zur Verhandlung nicht ein.
Und was ist mit der Option, dass der – von außen betrachtet – gegenstandslose Konflikt vor Gericht doch noch
beigelegt werden könnte? Carsten Teschner hat da keine Hoffnung, offensichtlich liege ein belastetes Arbeitsverhältnis vor, dass nicht mehr zu retten ist. Womit der Rest der Verhandlung in die Form des Basars übergeht.
Kommt die Einigung?
Die Tonlage wechselt, mit einem Mal lässt die Beklagten-Seite die Bereitschaft zu einer Abfindung mit dem Faktor 0,5 durchblicken, was auf etwa 55.000 Euro hinausliefe. Zugesagt wird außerdem ein gutes bis sehr gutes Zeugnis und zu klären bleibt, ob oder inwieweit das Gehalt bis zum 30. Juni nächsten Jahres Teil des Deals wird.
Einig aber wird man sich nicht. Bis 30. November gewährt Carsten Teschner nun eine Frist für eine außergerichtliche Einigung. Kommt sie nicht zustande, fällt er ein Urteil.