Ein 30-Jähriger ist am Freitagmorgen in den Tafelladen am Gottmannplatz eingebrochen. Eine Augenzeugin, die am Gottmannplatz wohnt, berichtet dem SÜDKURIER von großem Lärm, der sie aus dem Schlaf gerissen habe. Am Freitag, 26. Mai, gegen 4 Uhr sei sie dadurch aufgewacht.
Zeugin überblickt die Lage
Um zu sehen, woher die Geräusche kamen, sei sie auf den Balkon ihrer Wohnung gegangen. Von Ort aus konnte sie beobachten, wie eine Person mit einem beladenen Einkaufswagen aus dem Hintereingang des Tafelladens kam. Daraufhin habe sie umgehend die Polizei alarmiert.
Die Pressestelle des Konstanzer Reviers bestätigt das. Beamte haben den mutmaßlichen Täter festgenommen. Eine Anwohnerin habe laute Geräusche aus dem Tafelladen gehört und sah, wie eine Person das Geschäft mit einem gefüllten Einkaufswagen verließ. Die Zeugin verständigte die Polizei.
Der 30-jährige Mann wollte noch flüchten, sei aber noch vor Ort festgenommen worden. Da gegen den Mann bereits ein Haftbefehl vorlag, brachten die Polizisten ihn direkt in eine Justizvollzugsanstalt.
Scheibe am Hintereingang zertrümmert
Udo Engelhardt, Vorsitzender der Tafelläden im Kreis Konstanz, bleibt gelassen bei dem Vorfall: „Der Mann hatte einen schweren Stein in einen Einkaufswagen gelegt und damit die Scheibe des Hintereingangs zertrümmert. So verschaffte er sich Zugang zum Tafelladen.“ Dieses Vorgehen wird von der Polizei bestätigt. Zudem verletzte sich der Täter wohl beim Zersplittern der Scheibe, ergänzt Anita Hoffmann, Leiterin des Tafelladens.
Der Einbrecher habe sich Lebensmittel geholt. Großes Aufhebens will Engelhardt um den Fall nicht machen. Er geht davon aus, dass der Mann aus Not gehandelt habe. Am Freitagvormittag sei ein Glaser vor Ort gewesen, der den Schaden provisorisch repariert habe. Hoffmann beziffert den Gegenwert der gestohlenen Lebensmittel mit etwa 300 Euro.
Tafeln stehen unter Druck
Was bedeutet dies für die Konstanzer Tafel? Immerhin stehen die Tafeln überall im Land unter hohem Druck. Der Diebstahl sei kein größeres Problem, sagt Engelhardt. Es seien keine Wertgegenstände gestohlen worden.
Zu kämpfen habe die Konstanzer Tafel – wie alle anderen – mit der steigenden Zahl an Kunden. Derzeit liege die Kundenzahl bei etwa 120 pro Tag, vor Beginn des Ukrainekriegs waren es rund 80 Kunden. „Es waren auch schon 150, das sind also rund 50 Prozent mehr als zuvor.“ Zwischenzeitlich kam es deshalb zu Lebensmittelengpässen. Inzwischen hätten aber Supermärkte und Privatleute die Spenden wieder aufgestockt.
Aufnahmestopp und Security
„Fehlende Spenden sind nicht unser Problem – es geht darum, dass wir nicht endlos weitere Kunden aufnehmen können“, sagt Engelhardt. Das System der Tafeln sei für eine stetig wachsende Zahl Bedürftiger nicht gemacht. Viele Tafelläden reagierten mit einem Aufnahmestopp oder müssten Security-Dienste engagieren. Der Kreisverband habe die prekäre Lage dem Sozialministerium und dem Städtetag gemeldet – man sei in Gesprächen. „Es ist natürlich klar, dass auch die Politik keine Patentrezepte hat.
Anita Hoffmann, Leiterin der Konstanzer Tafel, bestätigt dies. „Wir sind durch den Ukraine-Krieg stark unter Druck geraten.“ Bisher durften die Kunden viermal pro Woche kommen, nun habe sie umstrukturiert: Jeder Kunde darf nur noch zweimal wöchentlich einkaufen. Die – größtenteils ehrenamtlichen – Mitarbeiter seien mit der aktuellen Kundenzahl voll beschäftigt, manchmal bis 17 Uhr. Hoffmann betont, dass es nur durch die hohe Leistung ihres Teams möglich sei, die Menschen zu versorgen.
Tafel leistet keine Vollversorgung
Zuweilen falle es den Neukunden aus der Ukraine noch schwer, das System zu verstehen – dass der Tafelladen keine Vollversorgung leisten könne, sagt Hoffmann. Das passt zur Analyse Engelhardts: Die Politik müsse weitere Systeme zur Unterstützung bereitstellen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass die Zahl der Bedürftigen abnimmt: Die Spirale aus Lieferengpässen, Energiepreissteigerungen, Inflation dürfte die Zahl eher nach oben treiben.