Noch am Vormittag geht der Blick immer wieder bang in den bedeckten Himmel. Wird es regnen oder nicht? Doch der Himmel weint nicht, nein, stellenweise lacht sogar die Sonne. Zum dreistündigen Narrenumzug am Sonntag, 11. Februar, durch die Konstanzer Altstadt mit rund 4000 Teilnehmern drängen sich etwa 14.000 Zuschauer. Polizei und Veranstalter verzeichnen keine Pannen.
„Wir haben saumäßig Glück gehabt“, sagt Stefan Bröker, zusammen mit Axel Zunker einer der Hauptorganisatoren des Zugs. „Es war nicht zu kalt, und es war trocken. Es war einfach optimal.“ Dass der Umzug besondere Angebote für Menschen macht, die gar nicht oder nicht gut gehen, stehen und sehen können, kommt an. Rund 80 Anmeldungen dafür verzeichnen die Veranstalter, die Vereinigung Konstanzer Narrengesellschaften.
„Das ist mehr als eine gute Idee“, stellt etwa Traudl Hamm fest. Sie sagt, sie schaue seit Jahrzehnten den Umzug und sei früher auch aktiv dabei gewesen. Dieses Jahr aber habe sie festgestellt: „So lange kann ich nicht stehen.“ Ohne das Angebot der Sitzgelegenheiten, die Fasnacht wirklich für alle möglich machen sollen, wäre sie daheim geblieben. Inge Kopenhagen ist genau derselben Meinung.

Für Jürgen Furtwängler, der wegen einer Augenerkrankung nur noch ganz schwach sieht, ist ein anderes Angebot genau das Richtige: Er bekommt geschildert, was im tollen Treiben zu sehen ist. Der alt gediente Blätzlebue und Liebhaber der Fasnacht sagt, dies sei ein „hervorragender“ Service. Eine erste Kostprobe habe er schon beim Butzenlauf bekommen.

Dass er beim Sonntagsumzug dabei ist, gehört für ihn zur Selbstverständlichkeit: „Des isch Konschtanz“. Am Mikrofon sind Tom Mihanovic, der Kommentator für Sehbehinderte beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern, seine Frau Vera und als das geballte lokale Wissen Andrea Trempa.
Lisa Baldauf, die mit Bewohnern des Hauses „St. Franziskus“ unterwegs ist, sagt, diese fieberten dem Ereignis schon seit Tagen entgegen. Sie freut sich, dass es nun einfach war, mit dem Transporter die Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen an ihre Sitzplätze zu bringen, und dass auch Sanitäranlagen bereit stehen, die sie nutzen können.
Rollstuhlfahrer wurden von Helfern des Malteser Hilfsdiensts betreut. Laut Roland Scherer, Zunftmeister der Blätzlebuebe, ist es ein großes Anliegen seiner Zunft, eine barrierefreie Fasnacht zu ermöglichen. Man habe dafür Gelder aus dem Bürgerbudget beantragt und bekommen.
Der Narrenumzug lässt auch die Herzen der kleinen Konstanzer höher schlagen. Der zehn Jahre alte Ziko steht mit einer großen Tüte bereit. Er ist sich sicher, dass sie am Ende des Zugs gut mit Bonbons gefüllt sein wird. Und der sieben Jahre alte Simon hofft, noch viel mehr Pins und Orden zu bekommen.
Für die zwölf Jahre alte Paula ist das ein lustiges Fest. Und die Narren treiben ihre Späße, seifen Zuschauer mit Konfetti ein, necken sie mit Stroh, reichen aber auch den Kindern Bonbons und den Erwachsenen Gläschen voller Wein. Guggenmusiken und Fanfarenzüge spielen zackig auf.
Die Quaker aus Allmannsdorf sind mit einer großen Geburtstagstorte unterwegs. Sie erinnert daran, dass ihre Zunft seit 90 Jahren besteht. Die Schopfschrat haben riesige Rätschen. Immer wieder versuchen Menschen aus dem Publikum, die Krachmacher zu bewegen, um festzustellen, dass das ganz schön schwer ist. Auch Narren brauchen in dem Fall Übung.
Der anderthalb Jahre junge Elias reitet auf einem besonderen Gestell auf dem Besen einer Hexe mit. Ein paar politische Botschaften gibt es im Zug auch: Die revolutionären Jakobiner beklagen, dass die Ampel-Regierung zu wenig für die Rentner mache. Zur aktuellen Lage stellen sie fest: Es herrsche Krieg in Europa, und die Bauern begehrten gegen die Regierung auf. „Ja sapperlot. Das gab es nicht einmal bei uns.“
Die Bodanesen setzen sich für schützenswerte Tiere ein. Dazu gehören nach ihrer Auffassung: Königspinguine, Elefanten und freilich auch die Bodanesen selbst. Narren allerdings brauchen in Konstanz sicher keinen Schutz.