So stimmungsvoll kann ein Schmotziger Dunschtig in die wohl verrückteste Nacht des Jahres übergehen. Im Schein der Straßenlaternen bewegt sich der Hemdglonkerumzug ausgelassen fröhlich durch die Gassen der Niederburg.
Rund um das Münster ist der Umzugsweg dicht gesäumt von Mäschgerle, von denen sich immerhin ziemlich viele passend zum Anlass ganz in Weiß verkleidet haben; hier ist niemand entweder Akteur oder Zuschauer, hier ist jeder beides. Das macht den Hemdglonkerumzug aus, und auch zum Abend des Schmotzigen Dunschtig liegt in der Konstanzer Luft, wie sehr die Menschen solche Momente in den vergangenen Jahren vermisst haben.
Dem kann auch nicht viel anhaben, dass nach einem teils nebligen, teils sonnigen und insgesamt wettermäßig angenehmen Schmotzigen Dunschtig gegen Abend Regenwolken aufziehen. So lange haben sich die Konstanzer auf diese Fasnacht gefreut, dass sogar das Wetter noch mitspielt. Und mit Händen zu greifen ist wie schon den ganzen Tag über der Wunsch, friedlich und gemeinsam zu feiern. Ist das womöglich die neue närrische Achtsamkeit?
Umzug zieht mit Hemdglonker-Sound durch die Gassen
An diesem Abend jedenfalls zieht angeführt von Niederburg-Präsident Mario Böhler und Ehrenpräsident Heinz Maser eine große Schar von Mäschgerle durch die Niederburg, bevor sich der Umzug am Stephanplatz auflöst. Besondere Hingucker sind einmal mehr die überdimensionalen Gole – lange Lulatsche, die mit den Menschen am Umzugsweg gerne ihren Schabernack treiben. Zahlreiche Musikgruppen machen mächtig Stimmung, hinzu kommt der typische Hemdglonker-Sound vom Klappern und Lärmen mit Topfdeckeln und dergleichen.
Dass die Konstanzer Schüler ihre Kreativität und ihren Humor nicht verloren haben, zeigen die Spottverse, die zahlreiche Klassen durch die Stadt tragen. Dabei wird so manche Marotte einer Lehrkraft auf die Schippe genommen – meist liebevoll und oft sogar regelrecht brav; der früher häufige, beißende Spott über einzelne Lehrerinnen oder Lehrer scheint immer mehr auf dem Rückzug zu sein. Doch auch so sorgen Sprüche wie „Oh, Frau Schroff, Du regierscht, indem Du musizierscht“ oder „Herr Kern ist nicht der hellste Stern, doch trotzdem haben wir ihn gern“ für viele Ho Narros und andere Arten des närrischen Beifalls.
Viele Hingucker und Höhepunkte
Und auch ein paar Lehrer hatten sich etwas ausgedacht: Eine kleine Gruppe zieht mit einer Presse durch die Gassen – die Lehrer-Mangel, die auf den Lehrer-Mangel hinweisen soll. Hingucker sind auch die Fahnenschwinger der Kamelia Paradies mit ihren effektvoll bunt beleuchteten Fahnenstäben. Zum Abschluss des Umzugs, der auf der Wessenbergstraße freilich recht löchrig geworden ist, setzt die Guggenmusik Gottlieber Schnoogge nochmals einen optischen Höhepunkt.
Für eine große Zahl von Mäschgerle, die über den Tag zusammengerechnet in die Zehntausende gegangen sein dürfte, beginnt die Nacht, auf die sie sich schon so lange gefreut hatten, mit dem Abschluss des Hemdglonkerumzugs freilich erst richtig. Auf den Gassen, in den Kneipen und Besenwirtschaften der ganzen Stadt geht das närrische Treiben weiter, das sich erstmals seit 2020 wieder voll entfalten kann. Die Mäschgerle scheinen es in vollen Zügen zu genießen und drängen sich in dichten Trauben durch die Altstadt.
Groß war im Vorfeld zugleich die Hoffnung, dass auch am nächsten Morgen – wenn die letzten der unzähligen Feiernden die Partyzonen am Münsterplatz, Stephansplatz, an der Hofhalde und vielen anderen Stellen die Stadt wieder verlassen haben – die Bilanz noch so lauten möge, wie es am Abend jedenfalls noch schien: Die so heiß ersehnte Wiederauferstehung der Fasnacht vollzog sich mit Macht und anarchischer Freude, aber ohne Gewalt und gefährliches Chaos.