Endlich wieder: Wohl keine Redewendung ist an diesem Premierenabend öfters im Konzil zu hören als diese. Endlich wieder Konstanzer Narrenspiel, einer der Höhepunkte der Bühnenfasnacht in der Stadt. Endlich wieder über bissigen Spott und gutmütigen Witz lachen und die Mäschgerle tanzen sehen. All das bietet das Programm zum Auftakt, und die Besucher gehen mit der sprichwörtlichen fasnächtlichen Glückseligkeit nach Hause.
Programmchef Mario Böhler hatte ein flottes und junges Programm versprochen. Der letzte Refrain von „Konstanzer Fasnacht“ verklingt zwar erst gegen 23.40 Uhr, aber in den vier Stunden bis dahin wird es keine Minute langweilig. Das zeichnet sich schon ab, als aus hunderten Kehlen fast feierlich das „Narro, Narro, siebe, siebe“ ertönt.
Die Eröffnungsnummer nach dem Tanz-Auftakt mit den Imperi Jazzys gehört der jungen Lara Stross – Chapeau, wie sie den Saal mit ihrer Influencer-Parodie warmspielt, reich an Sprachwitz und toller Bühnenpräsenz. Und so geht es gleich weiter in einem Sketch voller präziser Alltagsbeobachtungen von Swantje Kunze und Julia Johannsen als zwei Mütter, die sich als Helikopterpilotinnen erweisen und alles schaffen, außer bei einem lang geplanten Treffen mal nicht über die Kinder zu sprechen.

Achim Schien und Christian Eismann greifen das Motto „In 180 Minuten um die Welt“ auf und geben eine urkomische Variante von Phileas Fogg und Passepartout als Ballonfahrer aus dem Roman, werden aber auch politisch und rechnen mit Italiens rechter Ministerpräsidentin Georgia Meloni ab. Und dann stimmt Norbert Heizmann als Bademeister gemeinsam mit der neuen und ganz ausgezeichneten Band einen möglichen künftigen Fasnachts-Schlagerklassiker an: „Alo ahe am Hörnlestrand!“
Nach ihm Alexander Riedmann und Klaus-Dieter Keßler als zwei Kamele on Tour, denen in Konstanz alles viel zu langsam geht, wobei: „Je länger man denkt, desto später blamiert man sich.“ Und: „In Konstanz denkt man doch nicht in Minuten, sondern in Generationen!“ Überhaupt zieht sich mehr als nur närrische Unzufriedenheit mit schleppenden Prozessen im Rathaus durchs Programm, was allerdings aus der Bürgermeister-Riege mangels Anwesenheit niemand mitbekommt.
Anja Uhlemann, Nicole Paul und Monika Schönegg legen dann einen der absoluten Höhepunkte des Abends hin: Sie karikieren die langatmigen Fasnachtsumzugs-Übertragungs-Sendungen des SWR so treffend, dass auch die Leute vom Sender, die schon mal für das Programm der Fernsehsfasnacht spickeln, lauthals lachen müssen.

Aus dem Erfolgsmusical „Die Fischerin vom Bodensee“, mit dem die Narrengesellschaft Niederburg im Sommer neue Wege beschritten hatte, ist die gleichnamige Nummer mit Christiana Gondorf entwickelt. Sie nutzt ihr Solo-Sketch-Debüt für ein durchaus ernstes und ernstzunehmendes Bekenntnis, nicht fremden Idealen hinterherzulaufen, sondern so zu sein, wie man oder frau eben ist.

Jürgen Greis kalauert als Ehema Beziehungswitze, die er so cool rüberbringt, dass man nicht nicht lachen kann. Einen Bart haben natürlich auch die im Programm vielfach vertretenen Seitenhiebe auf den SÜDKURIER und die Stadt Singen, aber der vom Sketch am Bahnhof ist halt doch lustig: Ältere Dame (Conny Nack springt mit wenigen Stunden Vorlauf in die Rolle ein, Respekt!) verzweifelt am Fahrkartenautomaten. Jugendlicher will helfen. „Wohin wollen Sie denn?“ Antwort: „Nach Singen, aber von Wollen kann keine Rede sein.“
Als Hausmeister im Rathaus erweist sich sodann Hans Leib als der wohl einzige im Umfeld der Amtsstuben, der es wirklich blickt: Bis die Bundeswehr aufgestellt ist, geht es hoffentlich schneller, als zwei Berliner Flughäfen oder eine Konstanzer Gasfähre zu bauen. Und der Fragebogen zur Grundsteuerreform sei doch eigentlich eine „verdeckte Ausgangssperre“ gewesen. So steigert sich die Stimmung über Simon Schafheitle und Martin Tschaki als urkomisches Paar aus Adam und Eva zur wohl besten Tanznummer des Abends mit den Mädels vum Südsee.
Und dann kommt Yasin Amin auf die Bühne und setzt einen komplett neuen Maßstab: Sein Rap dieses Jahr weist fast verstörend weit über Schunkelseligkeit hinaus. Er gedenkt derer, die in den letzten Jahren gestorben und doch präsent geblieben sind. So zeigt sich, was echte Fasnacht ausmacht: das Nebeneinander von Fröhlichkeit und Melancholie, den mühelosen Wechsel zwischen Blödelei und Tiefsinn.
Denn abgedreht geht es ins Finale: Claudia Zähringer und Norbert Heizmann als Tatort-Kommissare, er als Boerne, sie erst als Thiel und dann als Lena Odenthal, inklusive Leiche im Kühlhaus und spontan bestimmter Verdächtiger; auf die Bühne muss Theater-Intendantin Karin Becker, die ihre Sache einfach großartig macht. Ach ja, eine Wahrheitsdroge muss auch sie nehmen: Bürgertröpfle, was sonst?

So zeigt der von Conny Nack und Jürgen „Neckes“ Greis moderierte Narrenspiel-Abend auch, welche Kraft in der zuletzt immer mal wieder totgesagten Saalfasnacht stecken kann. Ein Programm ohne Längen, mit viel Musik, voller handgemachtem, herzhaftem und menschenfreundlichem Humor sowie ein Publikum, das mitgeht und die Leistung der Akteure empathisch würdigt – was will man da viel mehr sagen als: endlich wieder.