Für viele Fasnachtsfans ist es der schönste und stimmungsvollste Moment der närrischen Tage: Mit Fackeln und ganz in Weiß gekleidet schreiten die Mäschgerle durch die engen Gassen der Niederburg, scheppern mit Topfdeckeln und treiben ihren Schabernack mit den Umstehenden. Die Gole, die Riesen-Figuren, beugen sich zu den Zaungästen nieder und nehmen sie aufs Korn.
Und die Schüler tragen, Schreinen ähnlich, die durchleuchteten Transparente mit (über die Jahre immer milder gewordenen) Spottversen auf ihre Lehrer durch die Stadt. Es ist Hemdglonker, der magische Moment, in dem der Fasnachtstag in jene Nacht übergeht, die mit keiner anderen im Konstanzer Jahreslauf zu vergleichen ist.

So ist es auch in diesem Jahr, und die Neuerungen ändern nichts am ganz besonderen Charakter dieses Umzugs. Eine halbe Stunde später als sonst fängt er an, eine gewisse Ungeduld ist durchaus zu spüren. Die Verschiebung ist auch ein Entgegenkommen gegenüber dem Südwestrundfunk, mit dem die ausrichtende Narrengesellschaft Niederburg ja auch die Fernsehfasnacht über die Bühne bringt.
Erstmals sendet der SWR zur besten Zeit um 20.15 Uhr live aus Konstanz, statt wie früher das Stockacher Narrengericht zu zeigen. Das muss bis 21.15 Uhr warten. Auf dem Münsterplatz haben die Fernsehleute eine Kamera aufgebaut. Doch viele merken das kaum – der Hemdglonkerumzug ist ganz der alte geblieben. Es wird gejohlt und gescheppert, und wo es noch Fackeln gibt, tauchen diese die Niederburg in ein fast magisches Licht.
Irgendwie ist‘s anarchisch geblieben
So schreiten wie immer Niederburg-Präsident Mario Böhler, Ehrenpräsident Heinz Maser und Oberbürgermeister Uli Burchardt an der Spitze des Zuges. Es folgen Musikgruppen verschiedener Narrenvereine. Vor allem aber geben die Schüler, die Familien und die freien Teilnehmer diesem irgendwie anarchisch gebliebenen Treiben sein besonderes Gepräge.

Hier wirkt die Fasnacht mal nicht durchorganisiert, hier hat der Umzug auch mal eine Lücke, hier überlagern sich Eindrücke zu einem fast schon wilden Gesamtbild. Zwischendurch erregen die Fahnenschwinger immer wieder Bewunderung, während die Fanfarenzüge mächtig Stimmung machen.
Während von den Zuschauern nur noch eine Minderheit im traditionellen Hemdglonker-Weiß unterwegs ist, lebt bei den Umzugsteilnehmern der Brauch fort. Viele Schüler sind dabei, darunter auch von der neuen Gemeinschaftsschule Lotte Eckener. Bei den Sprüchen mischt sich unter Spott zunehmend auch Anerkennung, aber noch gibt es solche Reime wie „Frau Walentin will uns begraben / unter zu viel Hausaufgaben“ oder auch „Ob Hund, Katze oder Maus / die Mensa macht Essen draus“. Nach einer Stunde sind die letzten Teilnehmer in den Pfalzgarten abgebogen – das war er, der Hemdglonker 2024.