Ortsmitte. Dieser Begriff hat bei den Bürgern der Bodanrückgemeinden mehr als nur ein „G‘schmäckle“. Vielmehr wurde dieses Wort Synonym für einen missglückten Bürgerbeteiligungsprozess mit nachhaltiger Wirkung.

Denn jene, die sich aktiv eingebracht hatten, sind heute frustriert. Viel Zeit haben sie investiert, damit Litzelstetten endlich eine attraktive Ortsmitte erhält. Von ihren Wünschen und Anregungen blieb nicht viel übrig und gebaut wurde bis heute immer noch nicht.

Ortsvorsteher wollte eigentlich nur das Beste

Rudolf Riedle, seinerzeitiger und mittlerweile verstorbener Ortsvorsteher von Litzelstetten, hatte nur das Wohl seines Dorfes im Sinn. Er wusste, dass das Anwesen in der Martin-Schleyer-Straße 29 verkauft werden sollte, und setzte alles daran, dass nicht ein beliebiger Investor, der nach Gewinnmaximierung strebt, sondern die Wobak das Areal kaufen konnte.

Er versprach sich davon, dass an dieser ortsbildprägenden Stelle eine qualitätvolle Ortsmitte entsteht. Die Stadt Konstanz lancierte dann einen Bürgerbeteiligungsprozess, an dem sich viele Litzelstetter engagiert beteiligten.

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Danach wurde ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt, der Siegerentwurf fand auch größtenteils guten Anklang. Allerdings wurde nicht bedacht, vorher wesentliche Parameter festzusetzen, damit der Neubau für die Wobak wirtschaftlich sein kann.

Der Entwurf wurde umgeplant, der Baukörper größer und die Litzestetter so sauer, dass sie opponierten. Das Projekt wurde im Gestaltungsbeirat der Stadt Konstanz diskutiert, es gab Einsprüche der Anwohner, das Regierungspräsidium Freiburg forderte dann auch noch gewisse Änderungen. Und jetzt?

„Das hat große Enttäuschung hervorgerufen“

„Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack“, stellt Wolfgang Flick, der sich seinerzeit in die Bürgerbeteiligung einbrachte, fest. Das bestätigt auch der seinerzeitige Mitstreiter Heribert Baumann, der die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat, „dass endlich etwas passiert, damit dieser Schandfleck verschwindet.“ Mit „Schandfleck“, meint er das marode, alte Gebäude, das nicht mehr vertrauenswürdig aussieht.

Heribert Baumann spricht von einem „Schandfleck“.
Heribert Baumann spricht von einem „Schandfleck“. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Beide sind sich einig, dass „es ein Fehler war, dass beim Bürgerbeteiligungsprozess keine großen Schranken gesetzt wurden“, so Baumann, dabei hätten sich die Bürger „geradezu mustergültig eingebracht“. „Wir hätten vorher wissen müssen, wie kreativ wir überhaupt sein dürfen“, meint Wolfgang Flick.

So aber seien nur große Erwartungen geweckt und letztlich wieder zerstört worden, denn: „Es kam nicht viel dabei heraus“, so Heribert Baumann, der feststellt: „Das hat große Enttäuschung hervorgerufen.“ Der zweite frappierende Fehler habe in der Ausschreibung des Wettbewerbs gelegen. „Da hätte bereits der Wirtschaftlichkeitsaspekt deutlich gemacht werden sollen. So aber hat der Siegerentwurf zu wenige Wohnungen vorgesehen“, meint Wolfgang Flick.

Was hatten sich die Bürger denn gewünscht?

„Im Grunde haben wir uns gewünscht, dass der Schandfleck mit dem alten Haus, der Brache, die es noch gibt, durch einen tollen, exponierten Bau als Ortsmitte aufgewertet wird“, schildert Wolfgang Flick. „Es sollte nicht nur ein Wohngebäude werden, sondern auch einen Treffpunkt enthalten. Das war uns ganz wichtig.“ Litzelstetter Bürger hatten sich Räume gewünscht, die der Bevölkerung auch für Veranstaltungen zur Verfügung stehen.

„Nach zehn Jahren immer noch kein Ergebnis. Das ist nicht mehr nachvollziehbar“, findet Wolfgang Flick.
„Nach zehn Jahren immer noch kein Ergebnis. Das ist nicht mehr nachvollziehbar“, findet Wolfgang Flick. | Bild: Jana Mantel | SK-Archiv

„Nach zehn Jahren immer noch kein Ergebnis. Das ist nicht mehr nachvollziehbar“, findet Wolfgang Flick. Von Bürgerbeteiligung wolle jetzt wohl keiner mehr etwas wissen. „Die, die damals dabei waren, die sind nicht mehr so leicht für ein ähnliches Projekt zu gewinnen. Da verliert man nämlich das Vertrauen“, sagt Flick.

Kritik gibt es aber nicht nur am städtischen Bürgerbeteiligungsprozess. Der seinerzeitige Wettbewerb beschränkte sich nicht nur auf den Baukörper des zukünftigen Wobak-Gebäudes; zusätzlich gab es einen Ideenteil, der das Umfeld einbezog, um dem langgestreckten Straßendorf eine neue Identität zu verleihen. Die Resultate wurden in einem Handbuch gebündelt, das als Leitlinien für künftige Entwicklungen in Litzelstetten dienen sollte.

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Doch dieses Kompendium scheint in einer Bibliothek zu verstauben. „Ich hätte mir gewünscht, dass es zur Anwendung kommt“, meint Wolfgang Flick mit Bedauern. „Das wäre Aufgabe des Ortschaftsrates gewesen, mit den betreffenden Haus- und Grundstückbesitzern zu sprechen. Aber auch da ist nichts passiert.“

Passiert jetzt gar nichts mehr?

„Wir sind in den letzten Zügen des Bauantrags“, sagt Wobak-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch auf SÜDKURIER-Anfrage. Auch er ist nicht glücklich über die zeitlichen Verzögerungen. Überarbeitung des Siegerentwurfs, Einspruch von Nachbarn, lange Bearbeitungszeit beim Regierungspräsidium Freiburg („die haben viel von Konstanz“, merkt Götsch an), neuerliche Umplanung, dann Anfragen des Ortschaftsrates, ob das Sozial-Kulturelle Zentrum, das aktuell im Litzelstetter Rathaus beheimatet ist, Platz im Neubau finden könnte, skizziert er die letzten Jahre. „Wenn alle Abstimmungen gelaufen sind, reichen wir den formalen Bauantrag ein“, kündigt Jens-Uwe Götsch an.

„Wir haben es im Fokus“, sagt Wobak-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch über das Bauprojekt in der Litzelstetter Ortsmitte.
„Wir haben es im Fokus“, sagt Wobak-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch über das Bauprojekt in der Litzelstetter Ortsmitte. | Bild: Hanser, Oliver | SK-Archiv

„Und dann warten wir ab, wie sich die gesamtwirtschaftliche Lage entwickelt, denn im Moment ist es nicht rosig“, sagt Jens-Uwe Götsch unumwunden. „Dreiviertel aller Wohnbauunternehmen in Deutschland haben ihre Bautätigkeit eingestellt“, berichtet er.

Die Gründe: „Verdreifachung der Zinsen, Förderungen wurden gestrichen, enormer Anstieg der Baukosten – dann wird es schwierig.“ Aber die Litzelstetter Ortsmitte behalte die Wobak im Fokus. „Wir werden alles so vorbereiten“, sagt Götsch, „dass wir – wenn wir können – sofort loslegen.“

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