Rathäuser sind bis auf prachtvolle Altbauten etwa in Hamburg, München oder im kleinen Konstanz meist keine so bedeutenden Herrschaftssitze, dass sie ganze Nächte lang angestrahlt werden müssten. Aber das Heidelberger Schloss, der Eiffelturm oder der schiefe Turm von Pisa ohne abendliche Illumination – das werden wir als reisende Touristen schon vermissen.

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Konstanz dimmt stellenweise das Licht

Viele Städte gehen noch weiter: Da und dort werden einzelne Straßenlaternen abgestellt oder, wie in Konstanz, gedimmt oder mit Abschalteinrichtungen, die nur noch anspringen, wenn fußläufiger oder Autoverkehr herrscht. Auch die Megascheinwerfer von Fußballstadien sollen gedimmt werden, Lichterketten auf Weihnachtsmärkten nicht mehr aufgehängt, taghell bestrahlte Prachtboulevards in zartes Dämmerlicht versetzt werden.

Und das legt die Frage nahe, wie lange sich in der beginnenden Umwelt- und Energiedebatte in der größten Stadt am Bodensee noch ein opulentes Seefeuerwerk als feinstaubschleudernde Kurzzeitillumination wird halten können.

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Die einen jubeln, die anderen schimpfen

Naturschützer rühmen das stromsparende Abschalten der öffentlichen Illumination im Interesse der durch Intensivlandwirtschaft und Landschaftsverödung ohnehin bedrohten Insekten. Bislang sterben Jahr für Jahr Milliarden von Insekten im gleißenden Licht der Städte – zum Nachteil der Vogelwelt, deren Nahrung die Insekten sein sollten. Und die Energieverantwortlichen preisen den erheblichen Einspareffekt des großen Abschaltens.

Kritische Stimmen beklagen dagegen den Verlust von Sicherheit: In düsteren Ecken geschähen leichter Verbrechen, vor allem gegen Frauen. Streitbare Populisten lehnen solche „Licht aus!“-Aktionen als zeitgeistgetriebene Panikmache von Politik und Medien ohnehin rundherum ab.

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Wie Konstanzer Nächte heller wurden

Die Debatte zeigt allemal, wie sehr sich westliche Wohlstandsgesellschaften an allzeit verfügbares Licht gewöhnt haben. Dabei ist die beleuchtete Stadt eine noch recht junge Errungenschaft: 1808 brannte das erste Gaslicht auf den Straßen von London. Konstanz installierte 1828 im Hafenareal ein paar Öllampen, 1861 die ersten Gaslaternen.

Jahrelang hatte der bedenkenschwere Stadtrat zuvor über den Nutzen und die Kosten einer nächtlichen Straßenbeleuchtung diskutiert. 1897 wurden am Bahnhof und Hafen erstmals elektrische Glühlampen eingesetzt. Erst 1945 erlosch hier das letzte Gaslicht. Heute brennen in Konstanz nachts 9500 Straßenlaternen.

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Einst galt nachts die Laternenpflicht

Bis zur flächendeckenden Straßenbeleuchtung galten in europäischen Altstädten allerdings nachts strikte Regeln, festgehalten in sogenannten „Polizeyordnungen“: Danach war jedermann, der sich durch die dunklen Gassen bewegte, verpflichtet, eine angezündete Laterne bei sich zu tragen. So sollten Zusammenstöße im Dunkeln vermieden werden.

Niemand sollte sich zudem unerkannt einem anderen nähern können. Nächtliche Überfälle gab es trotzdem. Ganz nebenbei sollte die Laternenpflicht einer weiteren Gefahrenquelle vorbeugen: Es war damals zwar verboten, aber üblich, den gefüllten Nachttopf aus dem Fenster auf die dunkle Gasse zu schütten. Lief unten ein Lichtlein vorbei, musste der Nachttopf warten. Aber das klappte nicht immer.

Unter Gastautor Tobias Engelsing ist der Leiter der städtischen Museen in Konstanz.
Unter Gastautor Tobias Engelsing ist der Leiter der städtischen Museen in Konstanz. | Bild: Rosgartenmuseum