Die Corona-Fallzahlen steigen und das Tempo, mit dem gegen die Virusverbreitung angeimpft wird, lässt immer mehr nach – obwohl nun genügend Corona-Impfstoff vorhanden ist: Soweit die Diagnose für ganz Deutschland, die hierzulande die Sorge vor einer vierten Corona-Welle steigen lässt.
Doch wie sieht die Situation vor Ort in der Stadt Konstanz aus?
Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. So erklärt Manfred Roth von der Pressestelle des Landratsamtes auf SÜDKURIER-Nachfrage, dass eine Auskunft zu den Impfquoten auf lokaler Ebene nicht möglich sei, da „wir keinen Zugriff auf die entsprechenden Daten haben.“
Erschwerend komme hinzu, dass es drei Impfsäulen gebe: das Kreisimpfzentrum, niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte. „Und deren Impfungen fließen nicht in die gleichen Statistiken ein und werden teilweise auch in anderer Form erhoben. Eine solche Gesamtstatistik nach gleichen Kriterien wäre gleichwohl sehr hilfreich für alle Beteiligten“, sagt Roth.
Auch Thomas Traber, Leiter des Personal- und Organisationsamtes der Stadt Konstanz, konnte kürzlich im Gemeinderat nur eine Schätzung dazu abgeben, wie viele Menschen in der Konzilstadt bereits gegen Corona geimpft sind. Wie der SÜDKURIER berichtete, führte Traber aus, dass ihm nur die Zahlen des Kreisimpfzentrums bekannt seien, das am 21. Juli 27 Prozent Erst- und 21 Prozent Zweitimpfungen vermeldete.
Nehme man nun die kreisweiten Impfzahlen als Grundlage, so Traber, „dann lässt sich das mindestens verdoppeln, da wir in Konstanz mehr Hausärzte haben als anderswo. Unsere Schätzungen liegen dann bei 60 Prozent Erstimpfung und 54 Prozent Zweitimpfung.“
Der Hausarzt: „Es dauert jetzt länger, bis alle Impftermine besetzt sind“
Einer dieser Hausärzte, die gegen Corona animpfen, ist Robert Hayes. Er beobachtet, dass die Nachfrage nach den Impfungen in letzter Zeit etwas nachlässt. „Es dauert jetzt länger, bis alle Impftermine besetzt sind“, sagt Hayes, als der SÜDKURIER ihn vergangene Woche in seiner Impfstelle im Konstanzer Stadtteil Petershausen besucht.
In der Regel verimpft der Allgemeinarzt an zwei Tagen die Woche Corona-Impfstoffe im Vereinsheim des Musikvereins Eintracht Petershausen. Anfang Mai hat er damit begonnen, nachdem sein Versuch gescheitert war, gemeinsam mit anderen Konstanzer Ärzten bei der Stadt Unterstützung für ihre Pläne eines gemeinsames Impfzentrums zu erhalten. Als Hayes von den Auflagen der Stadt und des Landes erfahren hatte, gab er frustriert auf, wie der SÜDKURIER berichtete.
Doch durch private Kontakte tat sich für Hayes eine neue Möglichkeit auf: das Vereinsheim, in dem er nun mit einem anderen Arzt aus seinem Praxisteam Impfungen anbietet. Für die Benutzung des Saals zahle er eine kleine monatliche Aufwandsentschädigung. Diese mache jedoch nur einen geringen Anteil der Kosten für die Impfstelle aus.
Rund 3500 Euro habe er bisher für die ausgelagerten Praxisräume investiert, so Hayes. Von den Desinfektionsmitteln bis zu Computern, Drucker und dem Scangerät für die Dokumente und Impfbescheinigungen habe er alles selbst organisieren und stellen müssen.
Doch der Aufwand hat sich gelohnt. „Als wir angefangen haben, hier zu impfen, waren die Termine auf unserer Internetseite jeweils innerhalb kürzester Zeit ausgebucht, nachdem wir sie für die Folgewoche online gestellt hatten.“ Dieser Ansturm sei nun etwas zurückgegangen. Zwar würden auch jetzt noch alle Impftermine für die Folgewoche gebucht werden, allerdings dauere es teilweise vier bis fünf Tage, bis alle Termine voll seien.

Und das ausgerechnet jetzt, wo der Allgemeinarzt seit einigen Wochen genügend Impfstoff geliefert bekommt. Hayes erinnert sich noch gut an die Zeit, als die Corona-Impfstoffe Mangelware waren. „Am Anfang war es ein Kampf, überhaupt irgendetwas zu kriegen.“ Es sei wie bei der Lotterie gewesen: Man habe beispielsweise 100 Impfdosen bestellt, und am Ende vielleicht 20 erhalten – oder gar keine. Doch seit Anfang Juli sei nun genug Impfstoff vorhanden, so Hayes.
Der Apotheker: „Die Aufträge gehen nicht aus“
Das kann Apotheker Murat Baskur aus eigener Erfahrung bestätigen. Der Inhaber der See-Apotheken und der Apotheke im Seerhein-Center betont Mitte Juli im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Es ist tatsächlich so, dass wir seit zwei Wochen genug Impfstoff erhalten, und die Ärzte das kriegen, was sie bei uns bestellen.“
Baskur und seine Mitarbeiter beliefern in Konstanz rund zehn Arztpraxen sowie einige Betriebsärzte. Sie fungieren dabei als Bindeglied zwischen diesen Impfstellen und dem Großhandel. Der Bestellprozess sei nach wie vor sehr aufwendig, betont Baskur: „Eine Kollegin im Haus ist während des Großteils ihrer Arbeitszeit damit beschäftigt.“

Und: „Die Aufträge gehen nicht aus“, sagt der Apotheker. Und das, obwohl er festgestellt habe, dass in den vergangenen vier bis fünf Wochen etwas weniger Impfstoff bestellt wurde. „Im Vergleich zu damals, als es mit dem Impfstoff knapp war. Da war die Nachfrage dreimal so hoch, wie Impfstoff geliefert wurde.“ Allerdings sei der Rückgang nicht extrem. Und er wisse auch nicht, ob die leicht geringere Nachfrage auf eine Impfmüdigkeit zurückzuführen sei, oder darauf, dass viele Patienten der Praxen, die sie beliefern, bereits geimpft sind, betont Baskur.
Zudem hätten sie insgesamt wenig Rückmeldung aus den Praxen, ob diese ihren bestellten Impfstoff gänzlich verimpfen können oder nicht. Ob Impfungen weniger stark nachgefragt würden, sei für ihn als Apotheker auch deshalb schwer abzuschätzen, da Ärzte Biontech seit Mai, aufgrund damals neuer Studienergebnisse, im Kühlschrank länger lagern dürfen – 31 Tage statt wie zuvor nur fünf. Sprich: Nimmt jemand seinen Biontech-Impftermin nicht wahr, kann eine Praxis den Impfstoff noch eine Weile behalten, um ihn später zu verimpfen.
Doch egal, wie hoch oder niedrig die Impfquote in Konstanz nun tatsächlich ist: Hausarzt Robert Hayes hat wenig Verständnis dafür, dass noch immer viele Menschen zögern, sich gegen Corona impfen zu lassen. „Die Leute müssen sich überlegen, ob sie wirklich warten wollen, bis im Spätsommer die Delta-Variante über uns hereinbricht“, betont Hayes.
Schließlich seien „diejenigen, die sich nicht impfen lassen, der Hauptgrund für die weitere Verbreitung und Mutation des Coronavirus.“ Zu berücksichtigen sei auch, dass sehr wenige Menschen etwa aufgrund einer Erkrankung nicht geimpft werden können und daher einen Impfschutz durch ihre Mitmenschen benötigen.
Damit die Zahl der Geimpften in der Stadt Konstanz noch vor Herbstbeginn deutlich steigt, haben Stadt und Landkreis verschiedene Impfaktionen geplant.