„Schämt euch“, „Die Politik verheizt euch“ oder Beleidigungen. Immer wieder werden Polizisten auf Corona-Demonstrationen und sogenannten Spaziergängen angefeindet. Zwar sind die Unruhestifter meistens nur ein Paar Wenige unter den Protestierenden, doch der Ton wird zusehends rauer.

Das bekommen auch Journalisten zu spüren, die über die unangemeldeten Demos berichten: Am Montagabend wurden zwei Reporter des SÜDKURIER auf einer Demonstration in Friedrichshafen von einem Mann angegriffen.

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Beamte benötigen ein dickes Nervenkostüm

Eine Sache sei dabei laut Uwe Vincon, Chefpressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, ganz wichtig: „In jeder Uniform steckt auch ein Mensch“, sagt er am Montagabend am Rande einer nicht angemeldeten und somit illegalen Versammlung von „Spaziergängern“ gegenüber dem SÜDKURIER. Zwar verlief die Protestaktion mit etwa 200 bis 250 Teilnehmern in Konstanz ruhig, doch Vincon weiß, welchen Anfeindungen seine Kollegen während dieser Veranstaltungen ausgesetzt sind. Diese bräuchten nicht selten ein stabiles Nervenkostüm, um in solchen Situationen ruhig zu bleiben.

Das Vorgehen ist dabei seitens der Polizei klar. „Verhältnismäßigkeit und deeskalierende Handlungen“, so Vincon. Verhältnismäßigkeit bedeutet im Klartext, dahingehend angemessen zu agieren, wenn die Teilnehmer des „Spaziergangs“ keine Masken tragen. So auch geschehen am Montagabend in Konstanz, als die wenigsten der Protestierenden Masken trugen. Technisch gesehen liegt laut der aktuellen Corona-Verordnung eine Ordnungswidrigkeit vor, sollten Menschen an Orten oder Veranstaltungen, an denen sie die Mindestabstände nicht einhalten können, keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Dafür wird ein Bußgeld zwischen 50 und 100 Euro fällig.

Beim sogenannten Spaziergang gingen die Teilnehmer auch durch den Herosé-Park. Auch hier war die Polizei vor Ort.
Beim sogenannten Spaziergang gingen die Teilnehmer auch durch den Herosé-Park. Auch hier war die Polizei vor Ort. | Bild: Timm Lechler

Theoretisch müsste die Polizei also dagegen vorgehen, denn die Behörde ist verpflichtet, diesen Ordnungswidrigkeiten nachzugehen. Praktisch greifen die Beamten an diesen Veranstaltungen wegen eines solchen Sachverhalts aber selten ein. „Wir haben sonst Solidarisierungseffekte unter den Demonstranten“, so der Polizist. Diese gelte es zu vermeiden. Daraus folge auch das deeskalierende Handeln, bei dem die Beamten bei Provokationen eingreifen und sie zu unterbinden versuchten. Dafür gebe es verschiedene Taktiken.

Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut

Der Polizist macht eines klar: „Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut.“ Die Behörde versuche dieses zu schützen und möglich zu machen – auch dann, wenn die Versammlung nicht angemeldet oder genehmigt sei. Eine Genehmigung kann bei den Behörden eingeholt werden, sie wird fast immer bewilligt. Es wäre einfach, die Versammlung anzumelden, man müsse lediglich einige Ordnungskräfte ernennen und die Hygienemaßnahmen einhalten, so Vincon.

Doch nicht alle Demonstrationen seien gleich. In Konstanz verlief alles ruhig, aber immer öfter könne man beobachten, das radikale Gruppen, zumeist aus dem rechten Lager, diese Gruppen zu unterwandern versuchten. Wenn sie rechtsextremistisches Gedankengut verbreiten oder die deutsche Demokratie anzweifeln würden, sei das ein deutliches Signal für die Polizei. „In Konstanz sind diese Gruppen aber nicht so stark vertreten“, sagt Vincon.

Knapp 30 Versammlungen im Zuständigkeitsbereich

Auch deshalb sei die Art dieser Demonstrationen und auch die Zusammensetzung der Menge der Protestierenden ein neues Phänomen – auch für die Polizei. „So etwas kennen wir ja bisher nicht“, so Vincon. Auch die Zahl der gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen sei eine neue Entwicklung: Am Montagabend hatten gleichzeitig fast 30 „Spaziergänge“ beziehungsweise Corona-Demonstrationen im Zuständigkeitsgebiet des Polizeireviers Konstanz stattgefunden. Ähnlich sieht es im Gebiet des Polizeipräsidiums Ravensburg aus.

Diese Gebiete abzudecken sei schon vor der Ausbreitung der Omikron-Variante schwierig gewesen, nun bereite diese zusätzlich Sorgen. Nicht selten würden Sondereinsätze, kurze Ruhephasen zwischen Einsätzen und Überstunden dann zum Problem. Umso beeindruckender erscheint es manchmal, wie besonnen die Polizisten angesichts verbaler und manchmal auch körperlicher Angriffe bleiben – und weiterhin deeskalierend wirken.

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