Mit dieser Resonanz hatte Petra Rietzler nicht gerechnet. Die Initiatorin der Kundgebung am Montagabend war bei der Anmeldung von rund 200 Menschen ausgegangen, doch diese Marke wurde locker gerissen. Offensichtlich war es vielen Menschen in Konstanz ein Bedürfnis, ihrem Unmut gegenüber Aktionen von Querdenkern oder sogenannten Spaziergängern Ausdruck zu verleihen. Ewald Weisschedel, langjähriger Stadtrat und gebürtiger Konstanzer, kann sich an keine politische Demonstration mit einer vergleichbaren Menschenansammlung auf der Marktstätte erinnern.

Ein Zeichen der Solidarität

Die Menge wurde dabei dem in der Corona-Diskussion gern verwendeten Bild der schweigenden Mehrheit gerecht. Das lag nicht zuletzt am Aufbau der Rede von Petra Rietzler. Am Anfang bat sie die Zuhörer, mittels einiger Sekunden des Schweigens der Pandemie-Opfer zu gedenken – als Zeichen der Solidarität, die zugleich den roten Faden ihrer Ansprache bildete.

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Die 57-Jährige verdeutlichte in ebenso einfachen wie eindringlichen Worten, dass es ihr nicht um die Meinungsunterschiede bei der Bewertung der Politik in Sachen Corona gehe. Was sie als Einzelperson zur Organisation der Kundgebung veranlasst habe, seien die sogenannten Spaziergänge als perfides Instrument zur Zerstörung des demokratischen Miteinanders.

Schon seit Beginn der Pandemie hätten Gruppierungen aus der rechten Szene bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen eine Rolle gespielt, wobei allein die Sprache verräterisch sei. Polizisten würden als Söldner bezeichnet, der Staat als Regime und Politiker als Marionetten einer Verschwörungselite – alles Formulierungen, die die Existenz einer Diktatur suggerierten.

Kritik an den Mitläufern der Spaziergänge

„Ich bin froh, dass ich in einem Land lebe, in dem wir frei sind, und an jedem Ort und zu jeder Zeit das Recht haben, unsere Meinung zu äußern“, so die Einordnung von Petra Rietzler. Den Mitläufern der sogenannten Spaziergänge riet sie zur Überlegung, welche konstruktiven Vorschläge zur Eindämmung der Pandemie von den Querdenkern bisher gekommen seien.

Einfach, klar, mit Herz: Petra Rietzler will die Debatte um Corona nicht den Querdenkern und sogenannten Spaziergängern überlassen.
Einfach, klar, mit Herz: Petra Rietzler will die Debatte um Corona nicht den Querdenkern und sogenannten Spaziergängern überlassen. | Bild: Hanser, Oliver

Ganz in diesem Sinne waren auch die Reden von Ewald Weisschedel, der im Namen aller Fraktionen des Konstanzer Gemeinderats sprach, sowie der Intendantin des Stadttheaters, Karin Becker. Beide stellten die Bewältigung der Krise als gemeinschaftliche Aufgabe dar, was Fehler an einzelnen politischen Maßnahmen nicht ausschließe.

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Karin Becker sprach in diesem Zusammenhang davon, dass Solidarität ein anspruchsvolles Unterfangen sei – aber nur so sei letztlich auch Platz für Individualität. Auch für diesen Beitrag gab es regen Beifall, unter anderem von Oberbürgermeister Uli Burchardt. Er sah sich an diesem Abend weniger als Amtsträger denn als „geboosteter Bürger, der es gut findet, dass die Zivilgesellschaft in einer Diskussion Flagge zeigt, in der es längst nicht nur ums Impfen geht“.

So verlief die Aktion der Spaziergänger

Wenige hundert Meter von der Kundgebung auf der Marktstätte entfernt, traf sich am Montagabend derweil eine Gruppe eben jener „Spaziergänger“, die sich zuvor auf dem Messengerdienst Telegram in verschiedenen Gruppen organisiert hatten. Laut Angaben der Polizei war die Versammlung nicht angemeldet worden, dennoch ließ die Polizei die Demonstranten ziehen, aber zeigte Präsenz. Die Gruppe aus Impfgegnern und Corona-Skeptikern machte sich vom Augustinerplatz aus auf den Weg durch die Stadt.

Beim „Spaziergang“ in Konstanz beteiligten sich 200 bis 250 Menschen. Die Impfgegner und Corona-Skeptiker machten sich vom ...
Beim „Spaziergang“ in Konstanz beteiligten sich 200 bis 250 Menschen. Die Impfgegner und Corona-Skeptiker machten sich vom Augustinerplatz aus auf dem Weg durch die Stadt. | Bild: Timm Lechler

Andreas Breuning, Einsatzleiter des Polizeipräsidiums Konstanz, schätzte zu Beginn der Veranstaltung gegen 18.30 Uhr die Zahl der Menschen auf knapp 150 Teilnehmer. „Bisher verlief alles friedlich“, so Breuning gegenüber dem SÜDKURIER. Die Polizei war aufgrund der unvorhersehbaren Lage mit „ausreichend“ Kräften vor Ort, wie Breuning angab.

Kurze Auseinandersetzung am Herosé-Park

Der Zug der „Spaziergänger“ setzte sich gegen 18.35 Uhr in Bewegung. Die wenigsten Teilnehmer trugen Masken, während sie über die Wessenbergstraße zur Laube und später über die Fahrradbrücke gingen. Dort angekommen, gab es am Herosé-Park ein kurzes Handgemenge – was genau passierte war nicht erkennbar.

Die Polizei war währenddessen nicht vor Ort. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung friedlich, doch kurzzeitig eskalierte dann die Situation zwischen zwei Männern. Einer von ihnen trug eine Maske, der andere schien aus den Reihen der Spaziergänger zu kommen. Was der Auslöser war, wurde nicht klar, doch aufgrund der Auseinandersetzung blockierten die Demonstranten den Radweg zur Brücke.

Bild 3: Kundgebung gegen Querdenker auf der Marktstätte, Versammlung der Spaziergänger am Augustinerplatz: Hunderte Menschen beteiligen sich am Montag an Demonstrationen in Konstanz
Bild: Timm Lechler

Nach dem kurzen Handgemenge setzte sich der Zug am Seerhein entlang wieder in Bewegung und kehrte durch den Herosé-Park zurück. Uwe Vincon, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, schätzte zu diesem Zeitpunkt die Zahl der Teilnehmer auf knapp 200 bis 250 Teilnehmer, es hatten sich wohl seit dem Beginn weitere Demonstranten angeschlossen. Die Schätzung von 750 bis 800 „Spaziergängern“ in einer Telegram-Gruppe schien jedoch deutlich zu hoch.

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Uwe Vincon zeigte sich aus Sicht der Polizei zu diesem Zeitpunkt angesichts der beiden Demonstrationen zufrieden: „Es war alles friedlich auf beiden Veranstaltungen“, sagte er. Aufgrund der großen Anhängerschaft der Veranstaltung auf der Marktstätte merke man jedoch, dass sich zusehends eine Gegenbewegung zu Corona-Kritikern und Impfgegnern formiere.