Am Rande einer impfkritischen Demonstration sind am Montagabend in Friedrichshafen Journalisten des SÜDKURIER angegriffen worden. Der Vorfall ereignete sich, als Reporter Benjamin Schmidt und Fotojournalistin Lena Reiner das Geschehen an der Uferpromenade am Gondelhafen beobachteten. Reiner filmte. Ein Mann ging zunächst an ihr vorbei, stieß ihre Kamera mit dem Ellbogen und ging weiter. Anschließend setzte er sich eine Gesichtsmaske aus Plastik auf und ging auf die beiden Journalisten zu. Er versuchte Reiner die Kamera zu entreißen. Immer wieder forderte er sie auf, ihn nicht zu filmen.

Die Attacke Video: Lena Reiner

Die Szene erinnert an einen Vorfall in Dresden im Jahr 2018. Am Rande einer Pegida-Demonstration ging ein Mann, der einen Hut in den Farben der Deutschlandflagge trug, auf Journalisten des ZDF zu. Auch er forderte die Reporter vehement auf, ihn nicht zu filmen. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen unter dem Begriff „Hutbürger“. Und er machte deutlich: Natürlich darf die Presse von Demonstrationen berichten – und wenn sich jemand auf die Kamera eines Journalisten zubewegt, dann darf er auch gefilmt werden.

Einschreiten der Polizei Video: Benjamin Schmidt

Polizei in Friedrichshafen schnell zur Stelle

Auch in Friedrichshafen ließen sich die Reporter nicht einschüchtern. Zunächst forderten sie den Störenfried auf, wegzugehen. Auch die Polizei war schnell zur Stelle, der Angreifer entfernte sich. Dennoch wurde er später festgenommen: Nach einem Streit mit Beamten auf der Karlstraße flüchtete er zunächst, wurde allerdings kurz darauf aufgegriffen. Nun ermittelt die Kriminalpolizei laut Polizeisprecher Oliver Weißflog gegen den 39-Jährigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Zudem liegt eine Anzeige der betroffenen Journalistin gegen den Mann vor.

Zunächst war der Angreifer noch unmaskiert. Sein Gesicht lässt sich dennoch nur schwer auf dem Bild erkennen.
Zunächst war der Angreifer noch unmaskiert. Sein Gesicht lässt sich dennoch nur schwer auf dem Bild erkennen. | Bild: Lena Reiner

Gereizte Stimmung

Grundsätzlich lässt sich als Bilanz des Montagabends festhalten: Der größte Teil der etwa 350 Demonstrierenden war friedlich unterwegs. In der Vorwoche waren noch etwa 3000 Personen auf der Straßen der Stadt. Diesmal wichen die Impfkritiker zum Teil nach Wangen aus, was an der Polizeipräsenz in der Zeppelinstadt liegen dürfte. Doch haben sich in Friedrichshafen nun auch mehrere aggressive Menschen zum Tross der Impfkritiker gesellt. Die Atmosphäre war gereizter, mehr Anwesende diskutierten mit der Polizei. Einer von ihnen, mutmaßlich ein Bekannter des Angreifers mit Maske, bedrohte das Reporterduo des SÜDKURIER: „Wenn ihr Bilder von uns veröffentlicht, finden wir euch.“

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Schon in der Vorwoche hatte die Polizei beim Häfler „Spaziergang“ stärkere Präsenz als zuvor gezeigt. Zudem wird langsam auch deutlich: Die Organisatoren der Demonstrationen kommen teils aus einer radikalen Szene. Nach Informationen von Monika Blank, Stadtsprecherin Friedrichshafens, ordnen die Behörden die Rädelsführer der Demonstrationen vor Ort und in Ravensburg der Reichsbürger-Szene zu. Entsprechende Hinweise darauf, wie etwa das Verwenden der Farben der Reichsflagge in Telegram-Chats, waren zuvor auch schon bei der Recherche aufgefallen. Anhänger dieser Gesinnung lehnen die Bundesrepublik als illegitimen Staat ab und streben danach, die Handlungsfähigkeit des „Deutschen Reiches“ wiederherzustellen.

Etwa 350 Demonstrierende zogen über den Buchhornplatz in Friedrichshafen.
Etwa 350 Demonstrierende zogen über den Buchhornplatz in Friedrichshafen. | Bild: Lena Reiner

Veranstaltung wieder nicht angemeldet

Wie in den Vorwochen war die Veranstaltung in Friedrichshafen nicht angemeldet. Ein Versammlungsverbot, wie etwa eines in Ravensburg gilt, sprach die Stadtverwaltung dennoch nicht aus. Sprecherin Monika Blank hatte im Vorfeld des Abends gegenüber dem SÜDKURIER erklärt: „Es handelt sich nicht um eine stillschweigende Zustimmung zum Demonstrationsgeschehen.“ Allerdings seien die Versammlungen in Friedrichshafen bisher friedlich verlaufen. Das Verbot oder die Auflösung einer Versammlung können laut Blank nur das letzte Mittel staatlichen Handelns sein. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gelte auch während der Pandemie.

Volkmar Rees, Leiter des Polizeireviers Friedrichshafen, und Monika Blank, Sprecherin der Stadt, waren auch diesmal vor Ort. Dieses Bild ...
Volkmar Rees, Leiter des Polizeireviers Friedrichshafen, und Monika Blank, Sprecherin der Stadt, waren auch diesmal vor Ort. Dieses Bild stammt von der Demonstration am 20. Dezember. | Bild: Benjamin Schmidt (Archiv)

Daher erklärten die Behörden am Montagabend die Menschenansammlung kurzerhand selbst zur Versammlung und legten per Lautsprecher die Regeln fest: Der Zug dürfe nur entlang der Uferpromenade, der Fußgängerzone sowie der Friedrichstraße verlaufen. Abstände müssten eingehalten werden – und es müsse friedlich bleiben. Polizeiwagen führten den Tross auf dem vorgegebenen Weg an, Abgänge vom vorgesehenen Verlauf wurden kontrolliert.

Inwiefern der Vorfall vom Montagabend künftig die Haltung der Stadt beeinflusst, darauf wollte sich Monika Blank noch nicht festlegen. „Wir halten uns alle Optionen offen“, so die Stadtsprecherin. Die Strategie würde stets an das aktuelle Geschehen angepasst.

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