Der Architekt Josef Picard (1879-1946) hat Konstanz seinen Stempel aufgedrückt. Das bekannteste Werk seines gemeinsam mit Hermann Ganter geführten Büros dürfte das in den Jahren 1912/13 entstandene Gebäudeensemble Marktstätte 17, 19, 21 sein. Heute hat dort unter anderem eine Apotheke ihren Sitz.

Picard war noch mehr – nämlich Wegbereiter für die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobak. Doch weil er auch Jude war, wurde er in der Zeit des Nationalsozialismus in die Emigration getrieben. Für Uwe Brügmann, der sich als promovierter Historiker bei der Initiative Stolpersteine engagiert, ist klar: Diesem Mann muss ein Denkmal gesetzt werden, und zwar in Form einer Straßenbenennung.

Stolpersteine erinnern an das Schicksal von Josef Picard, seiner Ehefrau Henriette und seines Sohnes Peter.
Stolpersteine erinnern an das Schicksal von Josef Picard, seiner Ehefrau Henriette und seines Sohnes Peter. | Bild: Claudia Rindt

Brügmann hat mit Entsetzen zur Kenntnis genommen, dass die Conrad-Gröber-Straße in Petershausen-Ost künftig Pfänderstraße heißen soll. So lautet jedenfalls ein Vorschlag, über den der Gemeinderat allerdings noch nicht abgestimmt hat.

Bisher ist der Pfänder erste Wahl

Zwar hat Brügmann nichts gegen den Hausberg von Bregenz am Ostende des Bodensees, aber er macht darauf aufmerksam, dass sich hier um den stadtbekannten Picard ein Drama abgespielt hatte. Er musste wegen der Nazis erst seine Firma verlassen und dann auch seine Wohnung in der Wilhelmstraße 8 – der heutigen Conrad-Gröber-Straße.

Josef Picard hat zusammen mit seinem Büropartner das Gebäudeensemble an der Marktstätte geplant. Es entstand 1912/13. Ein historisches ...
Josef Picard hat zusammen mit seinem Büropartner das Gebäudeensemble an der Marktstätte geplant. Es entstand 1912/13. Ein historisches Bild von Eugen Wolf dokumentiert, wie 1913 jüdische Geschäftsleute in dem Haus ihre Läden hatten. | Bild: Eugen Wolf/Stadtarchiv
So sieht das von Picard mitgeplante Häuserensemble an der Marktstätte heute aus.
So sieht das von Picard mitgeplante Häuserensemble an der Marktstätte heute aus. | Bild: Claudia Rindt

Später ging Picard aus Deutschland weg. Ein Stolperstein erinnert daran, doch kein anderes Denkmal in Konstanz. Dabei war Picard laut Brügmann auch äußerst engagiert in der Stadtgesellschaft: Vorstand des Kur- und Verkehrsvereins, mehrere Jahre Vorsitzender der Ortsgruppe des Bundes Deutscher Architekten.

Außerdem war er Mitglied im Ruderverein Neptun, in der Konstanzer Freimaurerloge und in der Deutschen Demokratischen Partei, die in der Weimarer Republik für den politischen Liberalismus stand. Picard gehörte auch dem Bürgerausschuss an, der alle vier Jahre von der Bevölkerung gewählt wurde. 1936 engagierte er sich für den Wiederaufbau der damals zum ersten Mal zerstörten Konstanzer Synagoge.

Nach der Pogromnacht wollte er weg

Doch nach der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 wollte Josef Picard in die USA. Am 18. März 1940 gelang ihm zusammen mit seiner Ehefrau Henriette die Ausreise. Gerade noch rechtzeitig. Im Oktober desselben Jahres wurden 112 jüdische Bürger aus Konstanz ins Lager Gurs deportiert. Manche starben dort, andere wurden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

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Picard und seine Frau gelangten per Schiff nach New York, kamen nach San Francisco und schließlich nach Los Angeles. Dort wurde Picard Hausmeister, konnte sich mit dem Beruf und dem sozialen Abstieg aber nie anfreunden. Er starb im Alter von 67 Jahren am 31. August 1946 in Los Angeles. Es hieß, er habe ein gebrochenes Herz gehabt.

Uwe Brügmann plädiert dafür, an Josef Picard zu erinnern, indem man der heutigen Conrad-Gröber-Straße Picards Namen gibt. Bis jetzt erinnert an herausragende Juden in Konstanz vor allem der Erich-Bloch-Weg. Der Schriftsteller hatte die Geschichte der Juden in Konstanz aufgearbeitet und zusammen mit Else Levi-Mühsam die Bibliothek der Israelitischen Kultusgemeinde in Konstanz gegründet.

Wie die Wobak entstand

Nun, so sagt Brügmann, wäre es an der Zeit, eine Straße nach Josef Picard zu benennen. Unterstützung bekommt er vom Grünen-Stadtrat Peter Müller-Neff: „Ich möchte den Anstoß geben, dass man sich das nochmal überlegt.“

Picard habe wesentlich an der Stadtgestaltung mitgewirkt. Brügmann schreibt: „1923 schlug Picard die Gründung einer gemeinnützigen Baugenossenschaft aus Architekten und Bauunternehmern vor. Dieser Gedanke führte 1924 zur Gründung der Wobak.“

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Zu den für die Stadt bedeutenden Werken des Büros Picard/Ganter gehörten unter anderem der Um- und Neubau von Geschäftshäusern in der Rosgartenstraße, der Kanzlei- und der Bodanstraße. Sie gestalteten auch das bekannte Hotel Hecht am Fischmarkt um und planten das Schreiberhäusle in der Eichhornstraße der jüdischen Schriftstellerin Alice Berend, die auch „kleine Fontane am Bodensee“ genannt wurde.

Im Lorettowald legten sie die Grundsteine für das Vereinsheim des Arbeiter-Sportklubs „Bahn frei“. Auch in der Siedlung Sierenmoos plante das Büro einige Häuser.

Das Schreiberhäusle in der Eichhornstraße 22 wurde nach den Plänen des Büros Picard/Ganter gebaut.
Das Schreiberhäusle in der Eichhornstraße 22 wurde nach den Plänen des Büros Picard/Ganter gebaut. | Bild: Claudia Rindt

Conrad Gröber steht auf der Streichliste

Dass sechs Namen aus dem Stadtbild von Konstanz verschwinden sollen, liegt als Vorschlag schon länger auf dem Tisch. Betroffen wäre auch Conrad Gröber (1872-1948). Am einstigen Stadtpfarrer von Konstanz und Freiburger Erzbischof scheiden sich die Geister.

Er sympathisierte in den Anfangsjahren mit dem Nazi-Regime und soll auch in der Nachkriegszeit mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen sein. Sein Name soll deshalb gestrichen werden. Die Stadt Freiburg hatte sich dagegen dazu entschieden, es beim dortigen Straßenschild zu belassen, es aber mit einem Zusatz zu versehen.