Unmut herrscht in Wollmatingen. Nach der letzten Gemeinderatssitzung ist er noch größer geworden, denn die Bürger fühlen sich von ihren gewählten Vertretern nicht vertreten. Im Gegenteil. Klara Trummer spricht von „einer Frechheit“. Christa Polinaro-Weber pflichtet bei, die anwesenden Bürger hätten eine mehr als deutliche „Geringschätzung“ erfahren. „Uns wurde gezeigt: Ihr seid nicht wichtig.“
Beim Begriff „Bürgerbeteiligung“ können sie nur müde lächeln. Sie wollen beteiligt sein, und zwar an wichtigen Dingen, die ihren stetig wachsenden Stadtteil betreffen. Genau aus diesem Grund hatte die CDU-Fraktion den Antrag gestellt, Wollmatingen solle einen Ortschaftsrat bekommen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, hatten Bürger auch schon Unterschriften gesammelt. Mehr als 1000 Menschen aus Wollmatingen, Fürstenberg und dem Industriegebiet haben unterschrieben.
Doch das scheint der Mehrheit der Stadträte egal zu sein; sie lehnte den Antrag, dass dieser Stadtteil eine formelle Mitbestimmung, zumindest ein Mitspracherecht bekommen soll, ab. Eine herbe Schlappe für die CDU, vor allem aber für die Bürger, die endlich Gehör in der Stadt und der Stadtverwaltung finden wollen. Und das sind mitnichten nur die zwei vorgenannten Frauen.
Bürger wollen sich nicht abbügeln lassen
Hat der Gemeinderat mit seiner Entscheidung mit einem Federstrich für Ruhe in der einstmals selbständigen Gemeinde Wollmatingen gesorgt? Nein. Im Gegenteil. Die Bürger wollen sich nicht einfach abbügeln lassen. Mehr als 20 Interessierte haben sich im Logan‘s, der ehemaligen Linde in dem nicht mehr intakten Dorfkern, getroffen und schmieden Pläne. Auch die Gäste an den Nebentischen hören interessiert zu.
„Seit gefühlt zehn Jahren ist das Vertrauen bei den Leuten weg“, sagt Klara Trummer; und zwar das Vertrauen in die gewählten Volksvertreter und in die Verwaltung. Vor allem die „Zerstörung des Dorfkerns“ macht die Wollmatinger sauer. Überplanung des einstigen Gasthofs Linde und des Löwenareals lasten schwer auf den Gemütern der Anwohner. Es handle sich um „erhaltenswerte, ortsbildprägende Gebäude“, so Trummer.

Und diese sollen Wohnbebauung weichen – mitten im Dorfkern, der die Funktion von Treffpunkt und Begegnungsstätte haben sollte. Trummer spricht diesbezüglich von „Milieuschutz“, der hier geltend gemacht werden sollte. „Im Handlungsprogramm Wohnen ist im Steckbrief acht die Rede von Erhalt und Aufwertung von Ortsmitten. Für mich ist das eine schriftliche Zusicherung“, so Trummer. Doch dies scheint alles Makulatur.
Es war einmal…
Das Bermudadreieck Linde, Löwen, Leiterwagen gehört jetzt schon der Vergangenheit an. Wo sollen sich die Wollmatinger denn noch treffen? Derartige Überlegungen werden am großen Tisch im Logan‘s laut ausgesprochen; die Klage schwingt in jedem Wort unüberhörbar mit.
Es wurden in diesem Gebiet schon viele Wohngebäude geschaffen. Jetzt wird das Neubaugebiet Hafner – eine ganz andere Größenordnung – geplant, gefühlt an den Wollmatingern vorbei. Es habe Bürgerbeteiligung gegeben, das stellt Klara Trummer nicht infrage. Aber: „Einbahnstraße. Die Stadt gibt vor, welches Thema besprochen wird. Und in der Abwägung werden Einwände weggewischt“, so Trummer.
Den Wollmatingern brennt noch etwas unter den Nägeln: Was ist mit dem Verkehr? Gibt es eine Planung? 6000 zusätzliche Bürger werden in dem Neubaugebiet erwartet. Auch wenn das Quartier selbst autoarm werden solle, so müssten die Leute irgendwie hin- respektive wegkommen. „Wir haben die Radolfzeller- und Kindlebildstraße und die L221, aber wir haben noch keine vernünftige Lösung gehört“, sagt Klara Trummer und spricht das aus, was die Anwesenden denken.
„Moritz Schneider hat tolle Ideen von kleinen Nachbarschaftsvereinen“, erinnert Klara Trummer an den Redebeitrag des Stadtrats vom Jungen Forum während der Gemeinderatssitzung. „Das ist lieb und nett, aber rechtlich nicht greifbar. Das läuft sich tot wie die Bürgergemeinschaft.“ Daniel Groß, vormaliger CDU-Stadtrat, sagt dazu: „Wir wollen ein rechtliches, formelles, demokratisch getragenes Gremium.“

Bürger werden unbequem
„Wir haben anständig beantragt, was rechtlich möglich ist“, stellt Klara Trummer fest. Und nach der Ablehnung durch eine Mehrheit im Gemeinderat fügt sie an: „Wir sind nicht mundtot und nicht dumm.“ Deswegen sitzen mehr als 20 Bürger – viele weitere Interessierte hatten ihr Fehlen vorab entschuldigt – an einem Tisch und schmieden Pläne.
Einige sind schon ausgereift. Im Januar wollen sie sich wieder treffen und einen freien Ortsrat gründen, denen 13 Bürgervertreter aus Wollmatingen, Fürstenberg und Industriegebiet angehören sollen. Zu den Treffen, die einmal im Monat abwechselnd in den Arealen der einstmaligen Gemarkung von Wollmatingen stattfinden sollen, würde die gesamte Initiative eingeladen.
Und in einem knappen halben Jahr, dann ist die Frist abgelaufen, soll nochmals der Antrag auf einen Wollmatinger Ortschaftsrat gestellt werden. „Bis jetzt sind wir ein bequemer Stadtteil“, meint Klara Trummer. Klar ist: Mit bequem ist jetzt erst einmal Schluss. Die Initiative, die sich zum „freien Ortsrat“ aufstellen will, wird unbequem sein, um sich Gehör im rund sechs Kilometer weit entfernten Konstanzer Rathaus zu verschaffen, denn, wie Klara Trummer formuliert: „Wir wollen Mitsprache und informiert werden.“