Mit diesem Lob war nicht unbedingt zu rechnen. Caren Lay, im Bundestag für die Fraktion der Linken für den Bereich Mieten, Bau und Wohnungspolitik zuständig, hat gerade einige Passagen aus ihrem Buch „Wohnopoly“ vorgelesen, da meldet sich als Erster Winfried Kropp zu Wort. Der Mann ist in Konstanz als Vertreter des Mieterbunds bekannt, legt sich in dieser Funktion bei Bedarf auch schon man unerschrocken (und erfolgreich) mit einem Konzern wie der Vonovia an.

Winfried Kropp: „Das Buch von Caren Lay gehört zur Pflichtlektüre für ein Schlüsselthema der Politik.“
Winfried Kropp: „Das Buch von Caren Lay gehört zur Pflichtlektüre für ein Schlüsselthema der Politik.“ | Bild: Hanser, Oliver

Außerdem hält Kopp für die SPD die Fahne hoch. Eben diese Partei gibt sich gern einen roten Anstrich, aber den Linken ist sie ganz und gar nicht grün. In Berlin koaliert man deshalb nicht nur aus rechnerischen Gründen lieber mit jenen, die ihrerseits ganz gut vom Anstrich des Liberalen leben.

Doch Winfried Kropp ist außerdem ein nüchtern-sachlicher Zeitgenosse, deshalb pfeift er bei seinem Urteil über das Buch von Caren Lay auf Dinge wie Parteiraison. Für seine Verhältnisse grenzt seine Achtung vor der Autorin und ihrem Werk an Überschwang.

Eng, bei schlechter Luft und intensiver Diskussion: Bei der Lesung von Caren Lay, Sprecherin für Mieten-, Bau und Wohnungspolitik der ...
Eng, bei schlechter Luft und intensiver Diskussion: Bei der Lesung von Caren Lay, Sprecherin für Mieten-, Bau und Wohnungspolitik der Linksfraktion im Bundestag, geht es um ein Kernthema der Politik. | Bild: Hanser, Oliver

Das Buch erhebt er in den Rang einer Pflichtlektüre für ein Schlüsselthema der deutschen Politik, das weit über den biedere Horizont des bloßen Häuslebauens hinausreicht. Daran wiederum zweifelt niemand der Besucher, die unter nackten Glühbirnen im Erdgeschoss der Freiräume an der Holfhalde trotz Corona-Reinigungsgeräten bei schlechter Luft die Köpfe zusammenstecken.

Pantisano: Mit Bauen allein ist es nicht getan

Ganz in seinem Element ist beispielsweise Luigi Pantisano. Für den vor gut zwei Jahren als Vize aus den Konstanzer Oberbürgermeister hervorgegangenen Kandidaten ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt der bedeutsamste Treiber wachsender Armut. Dass etwa in Konstanz bis zur Hälfte des Arbeitseinkommens für die Miete dran gegeben werden müsse, sei eher die Regel als die Ausnahme, wobei er sich auf eine nicht näher benannte Studie der Universität beruft.

Luigi Pantisano: „Ich nehme jeden Grund wahr, um wieder nach Konstanz zu kommen.“
Luigi Pantisano: „Ich nehme jeden Grund wahr, um wieder nach Konstanz zu kommen.“ | Bild: Hanser, Oliver

Die Frage ist, ob sich soziale Unruhen infolge der Marktlage überhaupt noch vermeiden lassen. Luigi Pantisano ist überzeugt, dass es mit Bauen allein nicht getan ist – zumal sich die von der Ampel gesetzten Ziele als illusorisch erweisen. Aber selbst wenn sie erreicht würden, steige das Kostenniveau wegen der Materialien oder etwa wegen der Erfordernisse des Klimaschutzes. Am der Wohnungssituation innewohnenden Konfliktpotenzial ändere sich somit nichts.

Lay und der Sündenfall der Wohnbaupolitik

Muss also der Staat her? Es wäre eine Missverständnis, das Buch von Caren Lay darauf zu reduzieren. An den präsentierten Versatzstücken ihrer Analyse veranschaulicht sie die Einbettung des Schlüsselthemas in den historischen und gesellschaftlichen Kontext. Darin tauchen ihre Urgroßeltern auf, die sich als Leute aus einfachen Verhältnissen den Traum vom Eigenheim verwirklichen konnten.

Caren Lay zeigt den Zusammenhang von Wirtschafts- und Wohnungswunder der 1950er und 1960er Jahre, vor allem aber macht sie die Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau als sozialpolitischen Stabilisator aus. Dass sie in der Ära von Helmut Kohl mehr oder weniger aufgegeben wurde, bezeichnet sie als Sündenfall der Wohnbaupolitik.

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Caren Lay ist dabei erfrischend unvoreingenommen unterwegs, in jedem Fall weit entfernt von der korsettierten Strenge ihrer Parteigenossin Sahra Wagenknecht. Denn nicht nur kapitalistische Gier sei ursächlich für den Abbau der Gemeinnützigkeit und des Gemeinwohls, sondern unter anderem auch Dummheit und Bestechlichkeit ihrer Hüter. Als herben Schlag ins Kontor des Genossenschaftswesens verortet Caren Lay zum Beispiel die Skandale um die Neue Heimat in den 1980er Jahren.

Caren Lay, Sprecherin für Mieten-, Bau und Wohnungspolitik der Linksfrakton im Bundestag.
Caren Lay, Sprecherin für Mieten-, Bau und Wohnungspolitik der Linksfrakton im Bundestag. | Bild: Hanser, Oliver

Als lokales Exempel dieser Entwicklung lässt sich die Umwandlung von ehemaligen Sozialwohnungen in das Geschäftsmodell des an Gewinnmaximierung orientierten Wohnbaukonzerns Vonovia interpretieren. Dennoch eignet sich Konstanz für Winfried Kropp nicht als Beispiel für die langfristig verursachte Krise auf dem Wohnungsmarkt.

Im Gegenteil habe hier mit der Wohnbaugenossenschaft Wobak ein Fossil aus besseren gesellschaftlichen Verhältnissen überlebt – und nicht nur das. Der Mann hat ein weiteres Lob auf Lager: Diesmal für die Weitsichtigkeit einer Lokalpolitik, die die Gewinne der Wobak nicht abschöpft, sondern diese bei der Genossenschaft als Investitionsgrundstock belässt.

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Konstanz lässt sich im Monopoly-Wohnopoly-Spiel mithin irgendwo im Bereich zwischen nicht bezahlbarer Schlossallee und Hoffnung auf gute Karten auf dem Gemeinschaftsfeld ansiedeln. Die Stadt gehört für Winfried Kropp wegen der Wobak zu den drei Leuchtturm-Kommunen in Baden-Württemberg, die über ein Mittel zur Umorientierung in der Wohnbaupolitik verfügen.

Bei den anderen handelt es sich um Tübingen und Ulm: In der Stadt von Boris Palmer gebe es eine ungewöhnlich hohe Trägervielfalt, und Ulm profitiere von einer längerfristigen, generationsübergreifenden und gesamtgesellschaftlichen Grundstückspolitik.

Den Markt durch Mitdeckel entspannen?

Das allerdings wird fürs Rumreißen des Ruders kaum reichen – und für Linken-Stadtrat Simon Pschorr ist die Zeit für ein Re-Setting von Genossenschaftswesen und Gemeinwohl-Haltung ohnehin zu knapp. Ohne Gesetz etwa in Form von Mietdeckeln lassen sich nach seiner Einschätzung die sozialen Spannungen nicht mehr nicht lösen.

Luigi Pantisano warnt ferner vor der Alibi-Funktion der Wobak für Fehler, die die Stadt an anderer Stelle mache. Er verweist dabei auf den Verkauf des Laubenhof-Geländes, bei dem der Preis anstelle einer ebenfalls vorstellbaren Konzeptvergabe entscheidend gewesen sei. Im Buch von Caren Lay wäre das vielleicht eine beispielhafte Fußnote wert, umgekehrt bedeutete die Lesung für Luigi Pantisano ungleich mehr. Er verabschiedete sich mit einer süffisanten Bemerkung: „Ich nehme jeden Grund wahr, um wieder nach Konstanz zu kommen.“