Rechtsanwalt Andreas Löwe mahnte bei einer von FDP-Stadtrat Achim Schächtle und den Unternehmern Pfingst organisierten Veranstaltung vor rund 40 Bürgern: Wer sich den Klageweg offen halten wolle, müsse bis zum heutigen Freitag, 4. September, die Möglichkeit zum Einspruch nutzen. Danach sei die Frist abgelaufen.
Nur wer jetzt seine Kritik vorbringe, könne dies im weiteren Verfahren immer wieder erneuern – bis zu einer möglichen Klage, so der Rechtsanwalt. Schächtle äußerte den Verdacht, dass die Stadtverwaltung den Termin für die öffentliche Auslegung bewusst in die Ferien gelegt habe, um die Zahl der Widersprüche klein zu halten.
Um- und Ausbau könnte zum Problem werden
Was den meisten Bürgern in der Versammlung nicht in den Kopf geht: Wie konnte die Stadt in dem Entwurf Areale als reine Gewerbezonen ausweisen, in denen seit Jahrzehnten Wohnhäuser stehen? Die Neufestlegung auf ein Gewerbegebiet hätte für sie gravierende Folgen. Die Häuser hätten zwar weiter Bestandsschutz, dürften aber nicht mehr verändert werden. Das heißt: weder aus- noch umgebaut.
Schon der Wunsch nach einem Lift oder einem Balkon könnte ein Problem sein, fürchten Anwohner. An anderer Stelle dagegen, wie an der Reichenaustraße, dürften in Obergeschossen neue Wohnungen entstehen. „Das sollte doch für alle gleich sein“, forderte ein Mann. Einige Bürger sagten: Im gesamten Unterlohn müssten Gewerbe und Wohnungsbau nebeneinanderstehen können. „Faktisch ist es ein Mischgebiet“, stellte Thomas Pfingst fest.
Genau das ist das Problem. Denn bisher war das Unterlohn baurechtlich als Gewerbegebiet ausgewiesen. Doch dafür habe es zu viel Wohnbebauung. Zu diesem Schluss war das Verwaltungsgericht Freiburg gekommen, als wegen des Umbaus einer Werkstatt zu einer Wohnung geklagt wurde.
Diese Einschätzung bedeutete für die Stadtverwaltung, dass sie handeln und einen neuen Bebauungsplan vorlegen musste. Der sollte abbilden, was über Jahrzehnte mehr oder weniger wild gewachsen war, und neue Akzente setzen. Sie tat dies mit dem erklärten Ziel, die gewerbliche Nutzung im Unterlohn stärken zu wollen.
Wohnareale sollen möglich werden
Dort aber, wo keine großen Konflikte zu erwarten seien, will sie in den Obergeschossen auch 30 bis 40 Prozent Wohnbebauung ermöglichen, etwa für Mitarbeiter eines Betriebs. Diese Wohnareale sehen die städtischen Planer zwischen Reichenau- und Carl-Benz- sowie entlang der Fritz-Arnold-Straße.
Weitere Ziele des Plans: Anreize geben zum Bebauen von Brachflächen und zum Aufstocken von Gebäuden. So könnten etwa alte Hallen durch mehrgeschossige Gewerbebauten ersetzt und teilweise durch Wohnungen ergänzt werden.
In Konstanz mangelt es an Gewerbe- und Wohnraum. Betriebe kämpften mit dem Problem, dass Facharbeiter keine Unterkunft finden, stellte Achim Schächtle fest, der selbst auch Unternehmer ist. Es sei deshalb ideal, Wohnen und Arbeiten nebeneinander zu ermöglichen. Die Wege seien dann auch kurz, was der Umwelt diene. Es genüge, die unteren Etagen fürs Gewerbe vorzuhalten.

In einem Konzeptpapier schreibt er: „Bei Grundstückspreisen von mehr als 375 Euro pro Quadratmeter sind eingeschossige Fabrikations- und Lagerhallen kaum rentabel.“ Anders sei dies bei einer mehrgeschossigen Ausnutzung der Fläche inklusive Wohnungen. Wer solchen Möglichkeiten den Riegel vorschiebe, vergraule Interessenten: „Der Mangel an Produktionsflächen treibt die Betriebe, insbesondere die Start-ups aus der Stadt.“
Bürger äußern Sorgen zur Zukunft des Unterlohns
In der Versammlung meldeten sich aber auch Bürger zu Wort, die Sorge um die Entwicklungsfähigkeit von Betrieben haben, wenn zu viel Wohnbebauung zugelassen werde. „Was ist, wenn einer hinzieht, der es ruhiger haben will?“, fragte ein Besucher der Versammlung.
Unterlohn-Bewohner Thomas Mayer schüttelte den Kopf über den Entwurf des Bebauungsplans. Er berichtet, sein Schwiegervater habe noch in den 60er-Jahren von der Stadt die Auflage bekommen, zum Gewerbe auch Wohnraum zu schaffen.
Genau dieser Wohnraum befinde sich nun aber in einer Zone, die ausschließlich fürs Gewerbe vorgesehen sei. Er fragt sich, wie denn die Trennung zwischen reiner Gewerbezone und urbaner Mischzone mit Wohnungen sowie etwas strengeren Vorschriften zum Lärmschutz praktisch aussehen solle. Dazwischen liege oft nur eine Quartierstraße.
Kommen sich Gewerbe und Bewohner in die Quere?
Was sei mit dem Unternehmen, das zwar formal in der Gewerbezone liege, aber auch in direkter Nachbarschaft zu einem Wohnhaus? Müsse das dann keine Rücksicht auf die Bewohner nehmen? Mayer vermutet, dass unter dem Strich fürs Gewerbe in solchen Grenzfällen die verringerten Emissionswerte wie im urbanen Gebiet gelten.
In dem Fall würde nicht einmal ein Betrieb einen Vorteil daraus ziehen, dass er in einem reinen Gewerbegebiet liegt. Achim Schächtle geht davon aus, dass das Unterlohn gar keine Unternehmen hat, die in mehreren Schichten rund um die Uhr arbeiten. Damit falle das Konfliktpotenzial weg.
Auch andere Punkte im Bebauungsplan leuchten nicht allen ein: So soll sich die Wohnbebauung entlang der lauten Reichenaustraße entwickeln, aber aus Gründen des Naturschutzes nicht an der ruhigen Grenze zum Wollmatinger Ried. Denn dort sollen Tiere möglichst wenig durch Licht gestört werden.
Experten nehmen an, dass sich die Belastungen während der Geschäftszeiten eines Betriebs in Grenzen halten und dies bei einer Wohnung anders wäre. Für dieses Problem gebe es technische und bauliche Lösungen, sagte Schächtle. „Ich glaube, man müsste die Planung realistischer machen“, stellte auch Rechtsanwalt Löwe fest. Ein Bürger äußerte zudem die Sorge, dass die Grundsteuer steigen könnte, würde das Gebiet durch neue Wohnungen aufgewertet.