Die zwei Brüder würdigen sich keines Blickes, und schnell wird klar: Das Tischtuch zwischen ihnen ist zerschnitten. Das erscheint offensichtlich, schließlich ist ihr Konflikt auch soweit eskaliert, dass er Mitte April vor dem Amtsgericht Konstanz verhandelt werden muss. Im Kern geht es um einen handfesten Streit im Juni 2023 – doch vermutlich liegt das eigentliche Problem weitaus tiefer. Vor Gericht kommt davon allerdings nichts ans Licht und auch sonst bleibt während der Verhandlung einiges im Dunkeln.

So wird einem der Brüder, einem 60-jährigen Konstanzer, und dessen 29-jährigen Sohn laut der Anklageschrift gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch vorgeworfen. Der 29-jährige Angeklagte soll sich darüber hinaus der Sachbeschädigung schuldig gemacht haben. Das mutmaßliche Opfer: der 62 Jahre alte Bruder des 60-jährigen Angeklagten. In dem Prozess geht es um Grundstücksgrenzen; eskaliert war der Konflikt zwischen den Beteiligten wegen entfernter Bepflanzung in einem Konstanzer Garten.

Was war geschehen?

Die beiden Angeklagten befanden sich demnach am 2. Juni 2023 auf einem Grundstück im Stadtteil Fürstenberg, das von dem 62-Jährigen verwaltet wird und eigentlich dessen Tante gehört. Dort entfernten die beiden Angeklagten zusammen rund 25 Kleintannen und wollten diese abtransportieren. Daraufhin erschien der 62-Jährige und forderte seinen Bruder und seinen Neffen laut der Anklageschrift auf, ihre Arbeiten einzustellen und die Örtlichkeit zu verlassen. „Ihr zwei habt Grundstücksverbot“, hatte er laut eigenen Angaben gesagt.

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Dem kamen der 60-Jährige und der 29-Jährige allerdings nicht nach, ganz im Gegenteil. Als ihr mutmaßliches Opfer die Polizei verständigen wollte, sollen sie den 62-Jährigen in der Folge geschlagen und getreten haben, es kam zu einer Rangelei. Das Opfer trug eine Verletzung am Auge, Prellungen im Unterleib und Schürfwunden davon. „Ihr seid mutig, zu zweit auf einen zu gehen“, sagte der 62-Jährige damals laut eigenen Angaben. Sein Handy soll sein 29-jähriger Neffe darüber hinaus weggeworfen und dabei beschädigt haben.

Das vermeintliche Opfer hatte daraufhin Strafantrag gestellt und die Angeklagten gegen den späteren Strafbefehl Einspruch eingelegt, weshalb der Fall nun vor dem Amtsgericht landete. Ein erster Prozesstermin im Dezember 2024 war vorzeitig beendet und verschoben worden, unter anderem weil das mutmaßliche Opfer nicht vor Gericht erschien – er habe keine Ladung erhalten, hieß es damals.

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Viele Fragen bleiben ungeklärt

Doch auch der zweite Verhandlungstermin im April 2025 bringt nur wenige Antworten zu den Fragen rund um den 2. Juni 2023. Sowohl die Zeugen als auch die Angeklagten machen teils widersprüchliche, teils unterschiedliche Angaben zu dem, was sich wohl in dem Garten abgespielt hat. Auch die Aussage des 62-Jährigen, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch machte, warf mehr Fragen als Antworten auf.

Haben die Angeklagten oder das Opfer zuerst zugeschlagen? Wer war das eigentliche Opfer? Welche der beteiligten Personen lag auf dem Boden, auf wen wurde eingetreten? Wer hatte wirklich den Streit vom Zaun gebrochen? Wie war das genau mit dem Handy des 62-Jährigen? All dies bleibt bis zum Schluss der Verhandlung offen. Die Wahrheit kennen wohl nur die drei Beteiligten.

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Auch ist bis heute nicht klar, ob sich die 25 Kleintannen, die die beiden Angeklagten entfernten, nun auf ihrem eigenen Grundstück oder auf dem vom mutmaßlichen Opfer verwalteten Grund und Boden befanden. Und wem die Pflanzen somit eigentlich gehörten. Nachforschungen bei der Stadtverwaltung Konstanz zu den genauen Grundstücksgrenzen hätten hier keine eindeutige Sicherheit gebracht, wurde durch die Aussage von ermittelnden Polizeibeamten klar. Ferner blieb offen, ob die Generalvollmacht, die der 62-Jährige von seiner Tante erteilt bekommen haben will, eigentlich rechtlich haltbar sei. Die Seniorin lebe nicht in der Region und sei stark dement.

Am Ende bleibt dem Richter Dennis Fandrousi aufgrund der widersprüchlichen Darstellungen und aus Mangel an Beweisen nur, die beiden Angeklagten freizusprechen. Einen Freispruch hatten auch die beiden Verteidiger erwirken wollen, die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine Verurteilung und eine daraus folgende Geldstrafe gefordert. Doch daraus wird nichts. So endet ein Prozess vor dem Amtsgericht Konstanz, der mehr Fragen als Antworten liefert. Nur eines scheint klar: Aus den beiden Brüdern werden wohl keine Freunde mehr.