Pro: Es darf schon schmecken!

Gemüsegulasch mit Blumenkohl, Bohnen, Karotten, Erbsen und Kichererbsen in heller Soße. Veganes Curry mit Süßkartoffeln, Wasserkastanien, Brokkoli, Zuckerschote auf Reis. Das ist ein Auszug aus Speisen, die in Konstanzer Mensen weiterführender Schulen angeboten werden. Ob Kinder das wohl gern essen? Das ist zu bezweifeln. Kinder – oder wohlgemerkt: viele Kinder – mögen es gern einfach, kohlenhydratreich und gemüsearm. Und wenn Gemüse, dann bitte als Rohkost oder wenigstens nicht im Soßenallerlei.
Ist das neue, überwiegend vegetarische Schulmensaessen nun vernünftig oder als eine der Übergriffigkeiten einer Stadtverwaltung zu werten, die vor fünf Jahren den Klimanotstand ausgerufen hat? An der Ernährung anzusetzen, ist jedenfalls nicht abwegig. Die Nahrungsmittelproduktion macht global immerhin 25 bis 30 Prozent des CO2-Ausstoßes aus, andere Berechnungen sprechen von bis zu 37 Prozent.
Unabhängig von Prozentzahlen gilt: Vegetarische und vegane Ernährung ist klimafreundlicher als fleischliche, saisonale und regionale Produkte sorgen für weniger CO2-Ausstoß als exotische Früchte. In dieser Hinsicht macht die Stadtverwaltung alles richtig: Es wäre unfair, von den Bürgern nur bei der Mobilität klimafreundlicheres Verhalten zu erwarten – nicht aber von Schülern und Lehrern. Und es gibt eine Vorbildwirkung, die Schule erfüllen sollte.
Das Problem, auf das die Anbieter des Essens voraussichtlich stoßen werden: Das Mensaessen steht bei den Kids schnell im Verruf, vor allem eins zu sein: gesund. Und uncool. Das macht die Sache kompliziert. Essen hat viel mit Gewohnheit zu tun, die im Elternhaus geprägt wird. Und mit Geschmack, der individuell ist. Wenn es im Elternhaus hauptsächlich Würstchen und Schnitzel gibt, wird das Schnitzel aus Seitan vermutlich nicht sofort überzeugen. Wie soll es das Schulessen dann schaffen, seine anspruchsvollen Kunden zu gewinnen?
Einen Versuch ist es dennoch wert. Immerhin ist das Jugendalter eine Phase des Ausprobierens. Möglicherweise brauchen die Schüler eine Weile, bis sie auf den Geschmack kommen. Die Gesellschaft ändert sich und das gilt auch dafür, was gegessen wird. Jugendliche spüren das schneller als 60-Jährige.
Veggie-Würstchen schmecken vielen, nicht nur Vegetariern. Die Currysauce darf gern jugendkonform sein. Auf Partys wird oft vegetarisches Fingerfood gereicht. Auch bei Burgern ist die Fleischersatzküche weit gekommen. Fleischfreies Streetfood ist beliebt, Falafel isst fast jeder Jugendliche. Ein gesundes, klimafreundliches Angebot ist nicht übergriffig. Schule hat sogar die Pflicht, Alternativen aufzuzeigen. Es darf ein bisschen mehr sein: an Phantasie und Pfiffigkeit. Und bitte, liebe Mensachefs, kein Gulasch aus Blumenkohl!
Contra: Gemüse ja, aber bitte kindgerecht!

Liebe geht durch den Magen, sagt man. Die Liebe zu gesundem Essen sollte auch durch den Magen gehen. Das funktioniert aber nur, wenn es schmeckt. Nur dann lassen sich Gulasch, Cordon bleu und Pizzaecken durch Gemüse oder andere fleischlose Nahrung ersetzen. Doch die Gerichte, die seit Schuljahresbeginn in einigen Mensen angeboten werden, führen nach Aussagen vieler Eltern nicht dazu, dass ihre Kinder – der Umwelt zuliebe – gern auf beliebte Speisen verzichten. Dabei ist der Ansatz der Stadt Konstanz, auch bei der Schulverpflegung auf mehr Nachhaltigkeit zu achten, durchaus richtig.
Wer den Klimanotstand ausruft und dann keine Taten folgen lässt, ist nicht glaubwürdig. Das Wie lässt allerdings Fragen offen. Einmal mehr haben Bürgerinnen und Bürger das Gefühl, bevormundet zu werden. Erst will die Stadt den Stephansplatz überraschend schnell autofrei bekommen, dann werden Anwohnerparkplätze durch Fahrradbügel ersetzt und nun wird auch noch Kindern vorgeschrieben, dass sie überwiegend vegan und vegetarisch essen sollen? Das geht vielen Konstanzern zu weit.
Und selbst wenn es fast fleischlose Ernährung sein soll, die in der Tat besser für die Umwelt und auch für Heranwachsende zu verkraften ist: Warum werden ihnen dann so ausgefallene Gerichte kredenzt, dass mit Sicherheit immer Zutaten dabei sind, die den Kindergeschmack nicht treffen? Dies schafft eher den gegenteiligen Effekt: Kinder wenden sich vom Gemüse ab. Dann landen die saisonalen und regionalen Zutaten im Müll statt im Magen. So ist nichts fürs Klima gewonnen.
„Lecker essen – aber nachhaltig“. Damit wirbt die Stadt um eine Spende für ihren Klimafonds. Doch es müsste genau andersherum lauten: „Nachhaltig essen – aber lecker“. Zutaten wie Jackfrucht, Schwarzwurzel oder Wasserkastanie locken die jungen Esser nicht in die Mensa (regional sind diese Produkte übrigens auch nicht alle). Ernährungsexperten betonen immer wieder, dass Essen nicht über Zwang funktioniert.
Die Umstellung auf gesündere Ernährung eben auch nicht. Es wird zwar niemand gezwungen, in der Schulmensa zu essen. Aber wer sich dafür entscheidet, hat an vielen Tagen nur die Wahl zwischen Gemüsegerichten mit mehr oder weniger ausgefallenen Zutaten. Für berufstätige Eltern, die abends nicht noch kochen wollen, wäre es aber eine große Entlastung, wenn die Kinder in der Mensa satt werden, anstatt nur die Beilagen zu essen.
Schön wäre es, wenn die Schüler sich ihr Menü aus verschiedenen Komponenten selbst zusammenstellen könnten. Dann würden sie sicher auch darauf kommen, dass immer nur Nudeln oder Reis ohne Sauce fade schmecken. Irgendwann würden sie sich auch Gemüse dazubestellen – aber eben freiwillig. Da isst es sich gleich viel lieber.