Der Lage auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt ist so prekär wie nie: Geringe Zahl von Mietwohnungen, exorbitant hohe Mieten, Verzögerungen bei großen Bauprojekten. Angesichts der Lage sind leerstehende Wohnungen, die die Eigentümer langsam aber sicher verfallen lassen, ein besonderes Ärgernis. Solch eine Immobilie, mitten im Herz der Konstanzer Altstadt, ist auch dem Deutschen Mieterbund Bodensee ein Dorn im Augen.
Brandbrief an den Eigentümer
Der Verein hat sich deshalb in einem Brandbrief, der dem SÜDKURIER vorliegt, an den Eigentümer gewandt. „Seit vielen Jahren stehen mitten in der Konstanzer Innenstadt in dem ohnehin ungenutzten Areal Untere/Obere Sonne, dessen Eigentümer Sie sind, zwei Wohnungen leer“, schreibt darin der Vorsitzende des Mieterbundes, Herbert Weber. Adressat ist die Brauerei Ruppaner, vertreten durch Andrea Scheidtweiler und Karl-Bernhard Ruppaner. „Es ist verwunderlich genug, wenn ein aktives und lokal verwurzeltes Unternehmen wie die Ruppaner Brauerei eine solche zentrale Fläche mehr oder weniger ignoriert, anstatt sie gezielt zu entwickeln“, ist außerdem zu lesen.
Genauer gehe es dem Mieterbund aber außerdem darum, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt vor allem Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen betreffe, sehr wahrscheinlich auch Angestellte des Unternehmens selbst. Dadurch habe sich die Wohnungsnot schon länger zum wirtschaftlichen Nachteil der Konstanzer Betriebe entwickelt.
„Wer Wohnungen längere Zeit leer stehen lässt, verstößt somit nicht nur gegen die Satzung der Stadt Konstanz über die Zweckentfremdung von Wohnraum, sondern schadet auch dem Wirtschaftsstandort“, so Herbert Weber. „Nur aufgrund einer Gesetzeslücke sind Ihre Objekte von dieser Satzung nicht betroffen. Planungen, die einer Vermietung entgegen stehen könnten, sind nicht bekannt oder existieren allenfalls auf dem Papier.“
Die Zweckentfremdungssatzung greift nicht
Doch warum greift die Zweckentfremdungssatzung der Stadtverwaltung Konstanz im Fall des Ruppaner-Areals in der Hussenstraße nicht? „Die fragliche Wohnung stand bereits leer, als das Zweckentfremdungsgesetz Baden-Württemberg noch nicht in Kraft war“, sagt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadtverwaltung Konstanz. „Damit greift auch die Zweckentfremdungssatzung der Stadt Konstanz nicht, welche auf dem Zweckentfremdungsgesetz aufbaut.“ Der betroffene Leerstand sei insofern in gewisser Weise „bestandsgeschützt“. Die Satzung der Stadt Konstanz wurde im Jahr 2015 eingeführt.
Grundsätzlich steht Folgendes in der Satzung der Stadt Konstanz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum: Wenn Wohnungen länger als sechs Monate leer stehen, ist dies eine verbotene Zweckentfremdung. Jedoch gibt es ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. Juli 2016, das das Recht einschränkt.
Dieses lautet: „Wohnraum, der zu anderen als Wohnzwecken einschließlich Leerständen genutzt wird, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Satzung [...], wenn die andere Nutzung bereits vor dem Inkrafttreten der Satzung und seitdem ununterbrochen in zulässiger Weise ausgeübt worden ist.“ Laut dem Deutschen Mieterbund Bodensee gehen Baurechtsämter in Baden-Württemberg nicht mehr gegen diese „Altfälle“ vor, weil sie damit rechnen müssten, ebenfalls vor Gericht zu unterliegen.
Mieterbund protestiert
Im Fall des Areals Untere/Obere Sonne wirft der Mieterbund dem Eigentümer außerdem Unglaubwürdigkeit vor. „In ihrer Außendarstellung legt die Ruppaner Brauerei Wert darauf, sich als Unternehmen mit sozialer Verantwortung und großen Engagement für den Wirtschaftsstandort Konstanz zu präsentieren“, so Herbert Weber in seinem Brandbrief. „Die Tatsache, dass Sie Wohnungen leer stehen lassen, passt nicht zu dem Bild, das Sie gegenüber der Öffentlichkeit vermitteln wollen.“
Der Mieterbund erwarte deshalb, dass der Eigentümer die Wohnungen in einen vermietbaren Zustand bringe und nicht weitere Jahre auf eine Gesetzeslücke verweise. So solle er seiner sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit und der Stadt gerecht zu werden. Die Wohnungen sei so schnell wie möglich zu vermieten, andernfalls könnten sie übergangsweise als Wohnraum für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine genutzt werden, schlägt der Mieterbund vor.
Eigentümer wehrt sich gegen die Vorwürfe
Der Eigentümer, Karl-Bernhard Ruppaner, gibt auf SÜDKURIER-Nachfrage seine Sicht der Dinge an. „In dem von Ihnen angesprochenen Objekt stehen keine vermietbaren Wohnungen zur Verfügung“, heißt es schlicht. „Mit unseren teils langjährigen gewerblichen Nutzern haben wir ein partnerschaftliches Einvernehmen.“ Was das genau heißen soll, darauf geht man nicht ein. Auch warum in dem betroffenen Objekt keine vermietbaren Wohnungen zur Verfügung stehen, beantwortet man nicht.
Jedoch scheint es nicht undenkbar, dass zumindest für die Zukunft etwas für die Immobilie in Planung ist. „Die Pandemie der letzten beiden Jahre hat unsere Planungen blockiert, da unser Fokus auf die Sicherung industrieller Arbeitsplätze in unserer Stadt Konstanz gerichtet war und ist“, so Karl-Bernhard Ruppaner abschließend. Ob Teile der Immobilie über kurz oder lang ihrer Bestimmung, der Behausung von Menschen, zugeführt wird, wird die Zeit zeigen müssen.