Herbert Weber, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee, ist wütend: „Es ist eine Frechheit, ein Bundesgesetz zu übergehen und die Miete drastisch erhöhen zu wollen.“ Und das im Hindenburgblock, der einstmals im städtischen Besitz war und als Wohnraum „städtischen Mitarbeitern und Durchschnittsbürgern“ zur Verfügung stand, wie Weber sagt, aber längst an private Eigentümer verkauft wurde.

Webers Zorn richtet sich jetzt gegen die Tara GmbH in Darmstadt. Der Projektentwickler hat angekündigt, Häuser in der Markgrafenstraße, die eben zu jenem Block gehören, umfangreich modernisieren zu wollen. „Klingt erst einmal gut“, meint Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbunds Bodensee. „Aber für die Mieter wird es ein Problem.“

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In diesem speziellen Fall, der nach seiner Einschätzung etwa 80 Haushalte in den Häusern Markgrafenstraße 51 bis 59 betreffe, schlägt er Alarm und macht der Tara GmbH Vorwürfe: „Das Vermieter-Schreiben weist viele rechtliche Fehler auf.“ Den Betroffenen rät er eindringlich, nicht zu unterschreiben.

Elf Prozent Mietererhöhung wurden angekündigt

Die Mieterinnen und Mieter der besagten Häuser haben bereits ein Schreiben von der Tara GmbH erhalten, in dem sie ankündigt, „unseren Wohnungsbestand zeitgemäß zu modernisieren“. Voraussichtlich ab April 2022 sollten die Sanierungen vorgenommen werden, zu denen eine neue Heizungsanlage, die Dämmung der Loggia, der Bau zusätzlicher Balkone und der Austausch der Fenster gehören. Auch die zu erwartende Mieterhöhung, errechnet auf Grundlage der Kostenvoranschläge, ist aufgeführt. „Die zu erwartende Mieterhöhung beträgt 11 Prozent aus dem Gesamtaufwand“, steht in einem der Schreiben, das der Redaktion vorliegt.

„Die Tara GmbH will eine Modernisierungsumlage von elf Prozent der gesamten Investitionskosten verlangen. Das ist dreist“, wertet Winfried Kropp, der darin einen klaren Rechtsverstoß sieht. „Seit dem 1. Januar 2019 darf die Umlage nur noch acht Prozent betragen.“ Eben zu jenem Gesetz hat der Mieterbund Bodensee einen wesentlichen Beitrag geleistet. „Ohne uns hätte es im Bundestag keine Mehrheit gegeben“, sagt Herbert Weber, der mit Winfried Kropp viel Überzeugungsarbeit bei diversen Abgeordneten geleistet hatte.

Ein Versuch, Mieter über den Tisch zu ziehen

„Das ist ein Versuch, die Mieter über den Tisch zu ziehen“, stellt Kropp fest, rügt die zu kurz gesetzten Fristen und fügt an: „Das Härteste: Sie verlangen, der Erhöhung jetzt schon zuzustimmen. Dazu haben sie kein Recht.“ Dass die ungefähre Mieterhöhung angekündigt werde, das sei in Ordnung, so Weber. Doch erst nach den Bauarbeiten könnte aufgrund der Endabrechnung die Mieterhöhung ausgewiesen werden. Kropp schlussfolgert: „Entweder ist das ein Versuch, aus der Unwissenheit der Mieter einen Vorteil rauszuschlagen oder ein ungewöhnliches Maß an Inkompetenz.“

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Der Mieterbund, der zahlreiche Betroffene vertritt, ist bereits eingeschritten. „Wir haben unsere Mitglieder rechtlich beraten, allen Haushalten eine Information zugestellt und die Eigentümergesellschaft auf die Rechtwidrigkeit der Ankündigung hingewiesen“, schildert Winfried Kropp. Er fügt an: „Die Mieter müssen keine Baumaßnahme dulden bis eine rechtskonforme Ankündigung vorliegt. Das Wesentliche: Wir haben allen empfohlen, nicht zu unterschreiben.“

Tara GmbH spricht von einem Versehen

Der SÜDKURIER hat per E-Mail die Tara GmbH gebeten, zu den Vorwürfen des Mieterbundes Stellung zu nehmen, und folgende Antwort (nachfolgend Original-Auszüge) erhalten: „Das Schreiben an die Mieter sollte zur Information über die Baumaßnahmen dienen. Hierbei ist uns leider der Fehler unterlaufen, dass wir ein altes Formular benutzt haben, in welchem eine Umlage in Höhe von 11 Prozent angegeben war. Natürlich werden wir nur die Kosten, welche einer Modernisierung zuzuordnen sind, in einer Höhe bis zu acht Prozent auf die Mieter umlegen.“

Weiterhin wird in der Mail dargelegt: „Ferner wird vom Gesetzgeber vorgeschrieben, dass bei der Duldungsmitteilung ebenfalls die Kosten der Baumaßnahme mitgeteilt werden müssen, daher die Kostenaufstellung in der Mitteilung“, so Altay Karakaya in seiner Mail. Er weist darauf hin, dass einige Mieter auf undichte Fenster, Wassereintritt und Schimmelbildung hingewiesen hätten und nun dringender Handlungsbedarf zum Austausch der Fenster bestehe. „Selbstverständlich wird hier nur der Differenzbetrag der Mehrkosten zwischen Zweifach- gegenüber Dreifachverglasung in Anrechnung gebracht“, so Altay Karakaya.

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Karakaya schreibt weiter: „Da es, wie gesagt, sich bei dem Schreiben um ein altes Formular handelte, kam es wohl zu dem Missverständnis, dass die gesamte Baumaßnahme auf die Mieter umgelegt werden soll.“ Die Mieter würden über den Fehler informiert. „Wir werden uns nach Abschluss der Baumaßnahme und nachdem alle Kosten genau ermittelt sind, mit den Mietern in Verbindung setzen und diese darüber in Kenntnis setzen, welche Kosten durch die gesamt Maßnahme entstanden sind und welche einer Modernisierung zuzuordnen sind und damit zu einer Mieterhöhung führen“, so Altay Karakaya, der nochmals sein Bedauern über den Fehler beim Anschreiben formuliert.

Winfried Kropp hat Zweifel

Was sagt der Mieterbund zu dem versehentlich verwendeten „alten Formular“ und dem „Missverständnis“? Winfried Kropp schüttelt den Kopf und bezweifelt ein Standard-Formular. „Es ist individualisiert beschrieben, was gemacht wird, und sehr individuell kalkuliert. Manche Missverständnisse können teuer werden. Die Forderung nach Zustimmungserklärung kann kein Missverständnis sein.“

Und noch etwas ist Winfried Kropp bei seiner Prüfung aufgefallen: In den Schreiben an die Mieter sei Altay Karakaya als Geschäftsführer aufgeführt, im Impressum der Homepage der Tara GmbH hingegen Atila Karakaya. „Laut Handelsregister gibt es nur einen Geschäftsführer“, sagt Winfried Kropp und meint: „Das ist etwas merkwürdig. Normalerweise ist man da sehr korrekt, denn so etwas könnte zur Abmahnung führen.“

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