Es ist heiß, um die 28 Grad. Die Sonne brennt auf das dörre Stroh, das auf dem Gelände neben dem Sportplatz Entengraben in Litzelstetten liegt. Ein Trampeltier liegt wiederkäuend im Schatten, einige andere schlafen. Ein Gehege weiter hüpft ein Känguru munter zwischen Lamas und Laufenten umher. Eigentlich sieht das ganz idyllisch aus. Doch täuscht dieser Frieden?

Ja, meint Peta-Fachreferentin Yvonne Würz. Als qualvoll bezeichnet die Biologin das Leben der Tiere im Zirkus. Die Gehege seien zu klein, die Tiere gestresst, durch den ständigen Transport und die Dressur. Sie leiden, um Menschen zu unterhalten. Das müsse endlich beendet werden. Dafür will Peta demonstrieren. Was sagen die Zirkusinhaber dazu? Und wie steht die Stadt Konstanz zum von Tierschützern geforderten Wildtierverbot?

Yvonne Würz ist promovierte Biologin und Fachreferentin des Bereich Zirkus bei der Tierschutzorganisation Peta.
Yvonne Würz ist promovierte Biologin und Fachreferentin des Bereich Zirkus bei der Tierschutzorganisation Peta. | Bild: Peta

Gehege seien größer als vorgeschrieben

Andre Kaiser, gelernter Tierpfleger und Inhaber des Circus Alessio, hat sich zu einem spontanen Vor-Ort-Gespräch mit dem SÜDKURIER getroffen. Er habe nichts zu verbergen, sagt der 37-Jährige. Pferde, Kängurus, Büffel und weitere Vierbeiner sind hinter den aufgebauten Zäunen am Rand von Litzelstetten zu finden. Doch haben sie dort auch genügend Platz?

Die Gehege seien mindestens dreimal so groß wie sie nach den sogenannten Zirkusleitlinien sein müssten. Ein Beispiel: Fünf Kamele dürften nach den Zirkusleitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft nicht weniger als 200 Quadratmeter Auslauf haben.

Dromedare und Trampeltiere teilen sich ein Gehege mit 600 Quadratmetern Video: Maike Stork

Seine drei Dromedare und zwei Trampeltiere hätten mit 600 Quadratmetern dreimal so viel Platz, sagt Andre Kaiser. Im Vergleich zur freien Wildbahn ist das trotzdem zu wenig, oder nicht? Andre Kaiser entgegnet: „Die Tiere leben seit Generationen in Gefangenschaft, sie kennen es nicht anders.“

Andre Kaiser ist Tierpfleger und Inhaber des Circus Alessio. Er mache alles dafür, dass es seinen Tieren gut geht, sagt der 37-Jährige. ...
Andre Kaiser ist Tierpfleger und Inhaber des Circus Alessio. Er mache alles dafür, dass es seinen Tieren gut geht, sagt der 37-Jährige. Nicht zuletzt, weil er von ihnen lebe. | Bild: Maike Stork

Diesem Argument kann Yvonne Würz wenig abgewinnen: „Auch wenn es Wildtiere gibt, die seit Generationen in Gefangenschaft leben, sind es trotzdem Wildtiere.“ Sie hätten daher biologisch betrachtet immer noch die gleichen Bedürfnisse – wie Bewegung, Lebensraum und soziales Umfeld. Fällt das weg, erkrankten die Tiere oft körperlich oder seelisch.

Wöchentlicher Transport: Ein Stressfaktor?

Auf dem Gelände Entengraben stehen an diesem Nachmittag 65 Transporter. Diese braucht der Zirkus, um seine 85 Tiere von einem Ort zum nächsten zu bringen. Doch wie belastend ist das Prozedere für sie? „Wir fahren pro Woche maximal 100 Kilometer weit“, sagt Andre Kaiser. Seine Tiere stünden daher nie länger als zwei Stunden in den Transportern. Turnierpferden erginge es da oft viel schlimmer.

Für Yvonne Würz ein derartiger Vergleich mit „einem noch schlimmerem Missstand“ keine Rechtfertigung. Und sie fügt an: „Zwei Stunden als wenig zu bezeichnen, ist sehr subjektiv.“ Auch Pferde als domestizierte Tiere litten sehr unter diesem Stress.

In diesem Transporter wird wöchentlich das Großvieh zum nächsten Stellplatz gebracht. Der Wagen wurde extra für den Zirkusbetrieb gebaut.
In diesem Transporter wird wöchentlich das Großvieh zum nächsten Stellplatz gebracht. Der Wagen wurde extra für den Zirkusbetrieb gebaut. | Bild: Maike Stork

Dressur: Zwang oder Vertrauen?

„Die Dressur von Wildtieren im Zirkus basiert immer auf Gewalt und Zwang.“ Das schreibt Peta auf seiner Internetseite. Für den Profit müssten die Tiere leidvoll unnatürliche Kunststücke erlernen. Diesen Vorwurf weist Andre Kaiser von sich, indem er ein Beispiel macht: „Das Zebra ist ein Paradebeispiel für ein Fluchttier. Wenn man es misshandeln würde, könnte man niemals mit ihm arbeiten.“ Vielmehr müsse man Vertrauen aufbauen, sagt Andre Kaiser. „Ohne geht es nicht.“

Ob mehr oder weniger Zwang in einem Zirkus herrsche, spiele für Yvonne Würz keine Rolle. Sicherlich gebe es Betriebe, die sich besser als andere um das Wohl ihrer Tiere kümmern. Peta gehe es aber um das große Ganze. Nämlich, dass eine artgerechte Haltung in Zirkussen – auch mit noch so großen Bemühungen – schlichtweg nicht möglich sei.

Bild 4: Leiden sie für unsere Unterhaltung? Tierschützer wollen gegen Zirkus in Konstanz demonstrieren
Bild: Maike Stork

Kein Wildtierverbot in Konstanz

Ein lokales Verbot für Wildtierzirkusse ist in Konstanz schon seit Jahren ein strittiges Thema. Nach einer Protestwelle von Tierschützern im Jahr 2016 sah alles danach aus, als wären Betriebe mit Zebras, Elefanten oder Tigern in der Konzilstadt nicht mehr erwünscht.

Sieben Jahre später erfolgt die Vergabe von Stellplätzen laut Stadtsprecherin Anja Fuchs aber immer noch folgendermaßen: „Besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen zwei Zirkussen, entscheidet sich das Bürgeramt gerne auch einmal für Zirkusse, die keine Wildtiere mit sich führen.“

Floki ist eines von drei Kängurus, die auch in der Manege des Circus Alessio zu sehen sind.
Floki ist eines von drei Kängurus, die auch in der Manege des Circus Alessio zu sehen sind. | Bild: Maike Stork

Es bestehe zudem eine Absprache mit dem Veterinäramt, dass jeder Zirkus mit Wildtieren, der nach Konstanz kommt, zuvor überprüft werde. Ein Verbot könne der Gemeinderat nach aktueller Rechtsprechung ohnehin nicht beschließen, so Fuchs. Denn: „Tierschutz ist Bundesrecht und kann nicht kommunal abweichend geregelt werden.“

Peta fordert ebendieses Verbot ein. Der erste Schritt sei laut Yvonne Würz, dass die Bundesregierung ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen ausspreche. „Deutschland ist das einzige EU-Land ohne einen derartigen Beschluss“, bedauert die Biologin.

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Artgerechte Haltung in Gefangenschaft gibt es nicht

Für Andre Kaiser gibt es nichts Schlimmeres, als als Tierquäler bezeichnet zu werden, wie er sagt. Um mit den scharfen Vorwürfen aufzuräumen, macht er ein Angebot: „Jeder, der denkt, dass es den Tieren nicht gut geht, soll vorbeikommen und sich selbst ein Bild verschaffen. Jederzeit, auch gern während der Proben.“

Dann fügt er an: „Ich liebe meine Tiere und bin überzeugt, dass es ihnen hier gut geht.“ Trotz alldem gesteht der Tierpfleger: „Ich sage nicht, dass die Tiere hier artgerecht gehalten werden. Das gibt es in Gefangenschaft nicht. Aber tiergerecht.“ Ein Leben in freier Wildbahn sei immer besser, das weiß auch er.