Der Ansturm ist groß: Durch die Eingangstür strömen 16 junge Frauen aufgeregt in den Club hinein. Dort, wo normalerweise Rauch, Schweiß und Euphorie in der Luft hängen, sind ein paar Stühle für eine Schulung aufgestellt. Den Teilnehmenden geht es darum, ein neues Handwerk zu erlernen: Sie wollen DJs werden. Was an diesem Abend auffällt: Es sind nur Frauen gekommen. Denn dieser Workshop richtet sich nur an sie.
Selbstsicherheit durch elektronische Musik
Techno-Musik ist laut Malin Jachnuw für jeden geeignet. Die 25-jährige Studentin ist eine von vier Mentorinnen, die im Lauf des Seminars jeweils vier Nachwuchs-DJs ausbilden. Sie stand schon öfter auf der Bühne und liebt die Musik. „Mit Techno verbinde ich ein Lebensgefühl. Das ist wie bei anderen Genres auch: Ich werde von der Energie total mitgerissen“, so die Studentin.
Der 21-jährigen Viola Dürbeck geht es nicht anders: Sie war, wie ihre ehrenamtliche Kollegin, schon einmal hier und durfte das Auflegen lernen. Heute bringt sie es anderen Frauen bei und erzählt, dass es bei dieser Leidenschaft oftmals um Selbstbewusstsein geht.
„Ich mag das eigentlich nicht, wenn soviel Aufmerksamkeit auf mir liegt, aber zu merken, dass da gerade Leute zu meiner Musik tanzen – das ist ein tolles Gefühl“, sagt die Konstanzerin in einem Hinterzimmer des Jugendkulturvereins Contrast. Durch den Workshop habe sie nicht nur ein neues Hobby, sondern auch mehr Mut gewonnen.
Dass Selbstsicherheit beim Auflegen wichtig sein kann, bestätigt Malin Jachnuw. Sie merkt an: „Als DJ muss man sich nach vorne stellen, sich selbst präsentieren: Das ist oft eine männerdominierte Sache.“ Laut Jachnuw brauchen Frauen dabei oftmals mehr emotionale Unterstützung als Männer: „Viele Mädels trauen sich das nicht zu.“
Warum sind nur Frauen erlaubt?
Um daher den Einstieg in die Szene so gut wie möglich zu gestalten, will Organisatorin Alina Zwickert für die Frauen einen Safe Space (zu Deutsch: sicherer Ort) schaffen. Dazu gehöre, dass sich die Schulung auf Teilnehmerinnen beschränkt: „Wir brauchen keine Männer, die uns sagen, was wir tun sollen.“
Das Problem für die Konstanzer Biologin ist dabei das sogenannte „Mansplaining“. Das ist ein Phänomen, bei welchem Männer auf herablassende Art und Weise versuchen, Frauen zu belehren. Alina Zwickert meint: „Männer nehmen uns oft nicht ernst, wenn es darum geht, etwas zu erklären. Das hat mit Machtausübung zu tun.“
Im Interview mit dem SÜDKURIER erzählen die Frauen von verschiedenen Situationen, in denen sie als DJs nicht respektiert wurden. Malin Jachnuw schildert beispielsweise einen Veranstaltungsabend mit vier männlichen Kollegen, bei dem sie kürzlich gebucht wurde.
Bei den Vorbereitungen sei sie von den Männern nicht ernst genommen und später in ihrer Arbeit behindert worden. Laut der Studentin liegt das an einem männerdominierten Klima. Sie fordert daher: „Mehr Girls hinter das DJ-Pult!“

Auflegen als praktische Kulturförderung
Aufgrund dieser Missstände wollen die Ehrenamtlichen weitere Frauen ausbilden und ihnen Mut zusprechen. Dass es mehr weibliche DJs braucht, sieht Alina Zwickert auch an den Besetzungen bei großen Musikfestivals: „Da sind kaum Frauen vertreten“, so die Organisatorin.
Um das zu ändern, stellen die Frauen ihren Nachwuchs-DJs die teure Technik und ihre Ratschläge kostenlos zur Verfügung. Zwar arbeiten die Ehrenamtlichen aus Leidenschaft, doch das Nebenprodukt ihres Engagements ist praktische Kulturförderung: Durch die Schulung gibt es laut Zwickert mehr DJs, die auch regelmäßig in Konstanz auflegen.
Eine kleine Berühmtheit hat der Workshop dabei schon hervorgebracht: Die Konstanzer Künstlerin Leopardy hat laut Organisatorin ihre Fertigkeiten hier gelernt und ist bereits auf großen Festivals wie der Nature One aufgetreten. Dies ist eines der größten europäischen Festivals der elektronischen Tanzmusik.
Auch Leopardy ist Teil des Teams im Contrast und bringt heute anderen Frauen das Auflegen bei. Durch diese ständige Weitergabe des Wissens wächst still und heimlich eine junge, starke, weibliche DJ-Gemeinschaft in Konstanz heran.